Wegen Ukraine-Krieg
Jetzt will der Ständerat mehr Geld für die Armee

Armeebudget aufstocken, Beschaffung von Kampfjets beschleunigen, Verteidigungsfähigkeit der Schweiz erhöhen: Diese Forderungen haben am Dienstag mehrere Mitglieder des Ständerats aufgestellt. Der Krieg in der Ukraine brauche rasche Antworten, lautete der Tenor.
Publiziert: 15.03.2022 um 11:52 Uhr
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Zerstörte Wohnsiedlung in Kiew: Der Krieg in der Ukraine hat den Westen geschockt.
Foto: AFP

Die Debatte verlangt hatte der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli. Das Ratsbüro hatte seine von 26 Ratsmitgliedern mitunterzeichnete Interpellation für dringlich erklärt. Während über zwei Stunden wurden die Folgen des Kriegs für die Schweizer Armee diskutiert. Entscheide wurden keine gefällt, jedoch zeigte sich, in welche Richtung es in den kommenden Monaten gehen könnte.

Aus Sicht des bürgerlich dominierten Ständerats muss die Verteidigungsfähigkeit der Schweizer Armee gestärkt werden. Die Bedrohungslage habe sich in den vergangenen Wochen massiv verändert, hiess es etwa. Die Schweizer Armee, wie sie heute existiert, sei dafür zu wenig gut aufgestellt.

Rahmenkredit erhöhen

Die in der Debatte aufgestellten Forderungen sind teilweise nicht neu, waren in militärisch ruhigeren Zeiten aber oft nicht mehrheitsfähig. Das könnte sich in den kommenden Monaten ändern. Mehrere bürgerliche Ständerätinnen und Ständeräte plädierten für mehr finanzielle Mittel für die Armee.

Der Rahmenkredit müsse spätestens ab 2024 massiv erhöht werden, sagte Dittli. Unter anderem die Bodentruppen sollten mehr Geld zur Verfügung haben. Der Ausbau der Cyberabwehr reiche nicht, stellte Werner Salzmann (SVP/BE) klar. «Wir können mit IT-Spezialisten keine Panzer zerstören.» Salzmann verglich die Armee mit einer Versicherung: «Welche Leistung sie im Ernstfall erbringt, hängt von der Prämienhöhe ab.»

Verschiedentlich war von einer «Zeitenwende» die Rede. Thierry Burkart (FDP/AG) rief den Bundesrat dazu auf, rasch zu handeln. Es könne nicht sein, dass Europa reagiere und die Schweiz nur analysiere. «Andere neutrale Länder haben bereits mehr Geld für ihre Armeen gesprochen.»

Bürgerliche wittern Morgenluft

Alex Kuprecht (SVP/SZ) gab zu bedenken, dass die heutige Truppenstärke von 100'000 Mann nicht ausreiche, um kritische Infrastrukturen zu schützen. Er forderte deshalb, den Bestand um mindestens 20'000 Personen zu verstärken. «Der Aderlass der Armee in Richtung Zivildienst ist zu stoppen.» Daneben brauche es eine Nachbeschaffung von Material und Fahrzeugen.

Weiter forderten die Bürgerlichen, dass die laufende Beschaffung für neue F-35-Kampfjets und für das bodengestützte Luftverteidigungssystem grösserer Reichweite (Bodluv) namens Patriot beschleunigt wird. «Sonst besteht die Gefahr, dass wir mit grosser Verspätung beliefert werden», sagte Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU).

Der Bundesrat hatte im vergangenen Juni entschieden, 36 F-35-Kampfjets für 6,035 Milliarden Franken zu beschaffen. Die Allianz von Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa), SP und Grünen sammelt zurzeit Unterschriften für eine Volksinitiative gegen den Kauf. Inzwischen hat auch Deutschland Interesse an den F-35-Tarnkappenjets geäussert.

Linke in der Minderheit

Die linken Stimmen, im Ständerat klar im der Minderheit, plädierten trotz - oder gerade wegen - der Krisensituation für besonnenes Handeln. Sicherheitspolitik umfasse viel mehr als die militärische, geopolitische Perspektive, hielten mehrere Ständerätinnen und Ständeräte der SP und der Grünen fest.

«Frieden erreichen wir nicht durch Aufrüstung, sondern durch weniger Kriegsmaterial, weniger Panzer», sagte Daniel Jositsch (SP/ZH). Vorschnelle Forderungen nach mehr Geld für die Armee bezeichnete er als populistisch. «Wir können die Schweiz nicht verteidigen, indem wir jedem ein Sturmgewehr in die Hand drücken.»

Auch Céline Vara (Grüne/NE) warnte, jetzt die gesamte Schweizer Sicherheitspolitik infrage zu stellen. Das sei weder nötig noch nützlich. Ein direkter Angriff auf die Schweiz bleibe unwahrscheinlich. Statt neuen Kampfjets solle der Luftraum besser durch europäische Kooperationen geschützt werden.

Zusatzbericht wegen Ukraine

Der Bundesrat ist aktuell daran, einen sicherheitspolitischen Zusatzbericht zu erarbeiten. Darin will er aufzeigen, wie er die Situation der Schweiz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine beurteilt und welchen Handlungsbedarf er sieht.

Verteidigungsministerin Viola Amherd ist einer Erhöhung des Armeebudgets - wenig überraschend - nicht abgeneigt. Auch eine Forderung nach mehr Personal sei berechtigt, sagte sie im Ständerat. Falls dem Verteidigungsdepartement mehr Geld zur Verfügung stünde, könnten die nötigen Beschaffungen und die Sicherstellung von wichtigen Fähigkeiten der Armee zum Schutz der Schweiz zügiger umgesetzt werden.

Betreffend F-35-Beschaffung sagte Amherd, dass die Initiative das Projekt verzögern und verteuern könnte. Werde die Initiative nicht bis Ende März eingereicht, gebe es «null Chancen, vor 2024 darüber abzustimmen». Die Kaufofferten der USA seien jedoch nur bis Ende März 2023 gültig. Werde die Beschaffung seitens der Schweiz verzögert, hätte dies höhere Kosten zur Folge. «Wenn wir unseren Produktionsslot verpassen, stehen wir möglicherweise hinten an.»

Zum Ukraine-Krieg und dessen Folgen für die Schweiz debattiert am (morgigen) Mittwoch auch der Nationalrat.

(SDA)

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