Genau das hatte niemand gewollt: Das Zürcher Bundesasylzentrum musste Flüchtlinge abweisen, da das Staatssekretariat für Migration (SEM) am Montag mit der Registrierung von ukrainischen Flüchtlingen nicht mehr nachkam. In Basel herrschte gar Chaos: Kinder weinten, Mütter verzweifelten. Beamte waren am Anschlag. Und das SEM räumte Schwierigkeiten ein.
Der Angriff auf die Ukraine hinterlässt auch in der Schweiz Spuren: Schon 4000 Flüchtlinge suchen Schutz in unserem Land. Viele von ihnen wollen sich so rasch wie möglich registrieren lassen, denn es macht unter den Geflüchteten das falsche Gerücht die Runde, dass nur die ersten 10'000 den Schutzstatus S erhalten würden.
Ampeln standen auf Rot
Besonders verbreitet ist die Fehleinschätzung in Basel. Dort standen die Flüchtlinge noch bis am späten Montagabend Schlange. Aber schon im Verlauf des Nachmittags waren sämtliche Ampeln auf der Website des SEM auf Rot geschaltet – keine Kapazitäten mehr, in keinem der sechs über die Schweiz verteilten Bundesasylzentren.
Bereits am Wochenende hatte das SEM bei den Geflüchteten eine Selektion vornehmen müssen. Denn noch sind die Kapazitäten beim Staatssekretariat in keiner Weise ausreichend. Man ist gerade mal auf 400 Registrierungen vorbereitet. Dank Sondereinsätzen von rund hundert Beamten hatte das SEM am Samstag und Sonntag insgesamt 1325 Anträge verarbeiten können. «Ja, wir mussten zum Teil Personen, die schon eine Unterkunft hatten, bitten, wenn möglich an einem anderen Tag wiederzukommen», betont Sprecher Daniel Bach. Die ukrainischen Staatsbürger haben aber 90 Tage Zeit, um sich registrieren zu lassen.
Es fehlt im SEM an allem
Das SEM bemüht sich nun, seine Kapazitäten auszubauen. «Dazu benötigen wir mehr Personal, aber auch zusätzliche Räumlichkeiten und Infrastruktur, zum Beispiel zusätzliche Geräte, mit denen wir Fingerabdrücke nehmen können», so Bach. Selbst an Laptops soll es fehlen.
Derzeit können die Kriegsflüchtlinge den öffentlichen Verkehr kostenlos nutzen. Das handhabe die ÖV-Branche weiterhin so, versichert ein SBB-Sprecher. Derzeit sei man sogar daran, eine Lösung für registrierte Geflüchtete zu suchen. Ihnen soll der ÖV weiterhin gratis zur Verfügung stehen.
Krankenkasse ist Thema
Ein weiterer Grund, weshalb bei Verwandten untergebrachte Flüchtlinge rasch eine Registrierung wollen, ist die Krankenversicherung, die es mit dem S-Status gibt. Auch hier sucht das SEM eine Lösung. «Wir klären zusammen mit dem Bundesamt für Gesundheit ab, ob und wie die Kosten für Arztbesuche auch schon vor der Registrierung übernommen werden können», erklärt Bach.
Vor allem aber sollen die Kapazitäten erweitert werden. «Natürlich haben wir bei den naheliegenden Stellen um Unterstützung gebeten. Darunter sind auch der Zivilschutz und die Armee», bestätigt Bach. Dabei geht es bei der Armee aber vor allem auch um die Abtretung von Gebäuden. «Das Militär hat uns sehr rasch die Kasernen im zürcherischen Bülach und im jurassischen Bure zur Verfügung gestellt, die sie eigentlich selber in Betrieb hatten», freut sich das SEM. Offenbar hat die Armee die Anlagen extra freigeräumt. Das Staatssekretariat ist denn auch zuversichtlich, weitere Räumlichkeiten nutzen zu können.
Post hilft mit
Zudem will das SEM die Warteschlangen verringern. «Wir sind mit einer externen Stelle in Kontakt, um eine technische Lösung zu erarbeiten, damit man übers Handy Termine festlegen kann.» Dabei geht es um die Post. «Wir können bestätigen, dass es dazu Kontakte zwischen dem SEM und der Post gibt», räumt diese ein. Sie prüft derzeit auch eine Sonderbriefmarke für die Opfer des Krieges in der Ukraine.
Derweil bereiten sich die Kantone auf die Flüchtlinge vor. Sie rechnen mit den 60'000 Geflüchteten, von denen der Bund derzeit ausgeht. In St. Gallen ist für die Unterbringung ein Trägerverein verantwortlich, der dafür in Kirchberg im Toggenburg ein ehemaliges Altersheim gemietet hat. Die Liegenschaft verfügt über einen grossen Garten – «ideal auch für Kinder». Der Kanton St. Gallen versucht, Zivilschutzanlagen zu vermeiden. Denn in der Ostschweiz ist wie im Rest des Landes die Solidarität gross. Den vor den Schrecken des Krieges geflüchteten Familien soll es hier möglichst gut gehen.