Jetzt soll die Zertifikatspflicht doch noch kommen
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Wegen überfüllten Spitälern:Jetzt soll die Zertifikatspflicht doch noch kommen

Weniger Intensivbetten frei als gedacht
Darum will Berset die Zertifikatspflicht nun doch

Rund 850 Intensivbetten weist die Statistik schweizweit aus. Doch davon können gar nicht alle belegt werden, weil das Fachpersonal fehlt. Das Problem ist mit ein Grund, weshalb der Bundesrat wohl schon am Mittwoch über die Ausweitung der Zertifikatspflicht entscheidet.
Publiziert: 05.09.2021 um 18:19 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2021 um 06:29 Uhr
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Nachdenklicher Alain Berset: Die Zahl der einsetzbaren Intensivbetten ist tiefer, als die Statistik vermuten lässt.
Foto: keystone-sda.ch
Ruedi Studer

Letzte Woche hat SP-Bundesrat Alain Berset (49) mit der Ausweitung der Covid-Zertifikatspflicht auf Beizen, Kinos oder Hallenbäder noch gezögert. Doch nun dürfte er bei seinen Bundesratskollegen die Ausdehnung schon am Mittwoch beantragen, wie die «Sonntagszeitung» berichtet. Auch gegenüber Blick bestätigen Quellen aus Bundesbern, dass Berset den Antrag noch diese Woche einbringen dürfte.

Die Parteispitzen, die sich am Freitag mit dem Bundesrat zu den traditionellen Von-Wattenwyl-Gesprächen getroffen haben, erwarten den Schritt jedenfalls. «Ich rechne damit, dass der Bundesrat am Mittwoch die Zertifikatspflicht ausweitet», sagt SVP-Präsident Marco Chiesa (46) zu Blick. Allerdings hält er dies für «nicht gerechtfertigt». Denn: «Im Vergleich zu letzter Woche stagnieren die Zahlen weiterhin.» Zudem seien nicht alle Kantone gleich betroffen.

Stattdessen brauche es endlich Massnahmen an den Grenzen. «Einzig für die Einreise in die Schweiz – und zwar auch auf dem Landweg – braucht es eine Zertifikatspflicht», so Chiesa. «Und die Zahl der Intensivbetten und des dafür qualifizierten Personals muss erhöht werden.»

Weniger Betten betriebsbereit

Wo Chiesa recht hat: An der Corona-Front haben sich die Zahlen nicht drastisch verändert. Die Neuansteckungen schwanken um 3000 Fälle täglich. Die Zahl der Spitaleinweisungen ist leicht gesunken. Hingegen werden tendenziell mehr Intensivbetten von Covid-Patienten belegt: Mit 286 Personen machten sie am Freitag gut ein Drittel der Bettenbelegung aus. Die Zahl liegt damit aber noch unter dem kritischen Schwellenwert von 300 Covid-Intensivpatienten, den Patrick Mathys vom Bundesamt für Gesundheit früher genannt hatte.

Weshalb also der plötzliche Sinneswandel bei Berset? Dem Vernehmen nach haben ihn die Zahlen zum Personalmangel auf den Intensivstationen aufgeschreckt. Der Koordinierte Sanitätsdienst weist schweizweit aktuell 849 Intensivbetten aus, 167 davon sind frei. Das Problem: Davon können nicht alle betrieben werden.

Das Personal in der Schweiz reiche nur «für die konstante Betreuung von 750 bis 800 IPS-Betten», verweist Tobias Bär von der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren auf eine Einschätzung der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin. Er betont: Das bestehende Fachpersonal sei bereits «sehr lange stark beansprucht und kann nicht mehr zu Sondereinsätzen aufgeboten werden».

Das heisst konkret: Die Intensivstationen sind stärker am Anschlag, als die offizielle Statistik vermuten lässt. Geht man von 750 Betten aus, liegt die Auslastung bereits bei über 90 Prozent. Bereits ist von Triage die Rede. Die Alarmrufe verschiedener Spitäler in den letzten Tagen haben ihre Wirkung bei Berset ebenfalls nicht verfehlt. Dem Vernehmen nach klärt der Bund derzeit ab, wie viele Betten effektiv für den Betrieb zur Verfügung stehen.

Dynamik der Corona-Zahlen

Das Resultat dieser Überprüfung sowie die Dynamik der neusten Corona-Zahlen Anfang Woche werden entscheidend für die Ausweitungs-Frage sein. Bringt Berset den Antrag am Mittwoch ein, hat er gute Karten – bisher ist die Landesregierung seinen Vorschlägen meistens gefolgt.

Auch wenn SVP-Bundesrat Ueli Maurer (70) im SonntagsBlick gegen die Ausweitung ankämpft. «Die Zertifikatspflicht ist schwer umzusetzen», meint der Finanzminister. Bei Massenveranstaltungen gehe es zwar. «Aber Servierpersonal, das zum Beispiel Berufsleuten ohne Zertifikat beim Znüni den Kaffee verweigert? Das gibt ein Puff.»

SVP-Chef Chiesa hält die Ausweitung ebenso für den falschen Weg. «Wir wehren uns gegen eine solche Diskriminierung der Ungeimpften. Das wäre unethisch!», sagt er. «Zudem hätte eine Ausweitung der Zertifikatspflicht erneut Kosten in Milliardenhöhe zur Folge.»

Gastrosuisse fordert Entschädigungen

Vor den Kosten fürchtet sich auch die Gastrobranche. «Allfällige Einschränkungen würden das Gastgewerbe härter denn je treffen», sagt Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer. Eine Umfrage unter den Mitgliedern zeigt nämlich: Bei einer Ausweitung befürchtet die Mehrheit der Betriebe Umsatzeinbussen von mindestens 30 Prozent. Deshalb fordert der Verband: «Einschränkungen müssen entschädigt werden.»

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