Landesweit schnellen Ansteckungen unter Schulkindern auf Rekordhöhe. Die Ferienrückkehrer haben das Coronavirus zurück in die Klassenzimmer gebracht. Luzern führte diese Woche wieder die Maskenpflicht ein.
Zur epidemiologischen Lage in Schweizer Schulzimmern kommt die ideologische Lage hinzu. Schon die regelmässigen Spucktests, wie sie an vielen Schulen eingeführt werden, gehen manchen Eltern zu weit. Für andere Erziehungsberechtigte dagegen sind die Schutzmassnahmen an den Schulen viel zu nachlässig.
Kein Aufruf bis jetzt
Auffallend in der aufgeheizten Stimmung ist das Schweigen der Lehrer. Der Lehrerverband LCH hielt sich bisher zurück, wenn es darum ging, die eigenen Mitglieder zum Impfen aufzurufen. Eine Haltung, die angesichts der tiefen Schweizer Impfquote irritiert.
Dagmar Rösler, oberste Lehrerin der Schweiz, wehrt sich auf Anfrage des SonntagsBlicks. Ihr Verband habe sich dafür eingesetzt, dass sich Lehrpersonen unkompliziert und frühzeitig impfen lassen könnten, wenn sie es wollten, sagt sie. Und: «Für mich kam das einem Aufruf gleich.»
Die Frage drängt sich dennoch auf: Kuscht hier ein Verband vor der eigenen Basis, die womöglich impfkritischer eingestellt ist, als den Funktionären lieb ist? Auch Bildungsökonom und Corona-Taskforce-Mitglied Stefan Wolter kritisierte dies. «Ein frühzeitiger und dezidierter Aufruf zum Impfen an die Lehrerschaft wäre mutiger gewesen als die blosse Forderung nach CO2-Messgeräten», zitiert ihn der «Tages-Anzeiger».
«Nur paar wenige, die nicht wollen»
Lehrpersonen seien auch nicht impfkritischer als der Rest der Gesellschaft, entgegnet Rösler. Im Solothurnischen, wo die LCH-Präsidentin unterrichtet, seien 80 Prozent der Lehrpersonen geimpft, sagt sie. Zahlen für den Rest der Schweiz kennt sie nicht.
«Ich möchte nicht die Erwartung schüren, dass 100 Prozent der Lehrer geimpft sein müssen.» Es dürfe nicht in Richtung Impfzwang gehen. «Schliesslich geht es nur um ein paar wenige, die nicht wollen oder können.» Aber wenn ein Verband eine Impfempfehlung ausspreche, würden alle Mitglieder sehr unter Druck gesetzt.
Warum noch nicht klarer positioniert?
Warum sich der Verband bisher nicht klarer positioniert hat, gerade wenn es nur wenige Impfskeptiker sind, bleibt unbeantwortet.
Der Aufruf zur Impfempfehlung werde nun aber an der LCH-Geschäftsleitungssitzung von kommender Woche diskutiert werden. Rösler: «Ich persönlich hätte keine Hemmung, eine Impfempfehlung auszusprechen.»
Eltern hätten allerdings kein Recht darauf zu erfahren, ob die Lehrperson ihres Kindes geimpft ist: «Wir haben das rechtlich geklärt, es handelt sich um persönliche Daten. Wenn jemand danach fragt, darf die Lehrperson das beantworten, sie muss aber nicht.»
Auch andere Gewerkschaften zurückhaltend
Auffallend zurückhaltend sind auch andere Verbände, namentlich die Gewerkschaften: Von einem Impfzwang oder der 3G-Regel am Arbeitsplatz (geimpft, genesen, getestet) will man bei der Unia nichts wissen. Das müssten die Behörden entscheiden, teilt Präsidentin Vania Alleva mit. Die gleiche Haltung nimmt Pierre-Yves Maillard ein, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes.
Immerhin hat die Unia diese Woche zum Impfen aufgerufen. «Macht es besser als ich!», sagt der Unia-Migrationsbeauftragte in der Mitgliederzeitschrift «Work». Der Gewerkschafter hatte die Corona-Impfung auf die lange Bank geschoben. In den Sommerferien wurde er dann krank.
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