Nationalrat will Menschenrechtskonvention nicht kündigen
«Schweiz würde sich auf Stufe von Russland und Belarus stellen»

Der Nationalrat will die Europäische Menschenrechtskonvention nicht kündigen. Er hat am Dienstag einen SVP-Vorstoss abgelehnt – und im Vorfeld für einen Schlagabtausch gesorgt.
Publiziert: 24.09.2024 um 10:44 Uhr
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Aktualisiert: 25.09.2024 um 08:57 Uhr
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Das Klimaurteil zieht weiter Kreise.
Foto: KEYSTONE

Auch Monate nach dem Klimaurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sorgt der Entscheid der Richter noch immer für Aufsehen im Schweizer Parlament. Auch wenn der Bundesrat das Strassburger Urteil ins Leere laufen lassen will, ärgert sich die SVP noch immer. Sie will darum die Europäische Menschenrechtskonvention gleich ganz künden. «Wir brauchen die Europäische Menschenrechtskonvention nicht», sagt Nationalrat Michael Graber (43). «Sämtliche Menschenrechte sind bereits in der Bundesverfassung fest verankert.» Man müsse die Bürger vor «übergriffigen Richtern aus Strassburg» schützen. Das Gericht schaffe neue Verpflichtungen, zu denen sich die Vertragsstaaten nicht bekannt hätten, und verletze deren Souveränität.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte bereits in der vergangenen Woche die Schweiz erneut verurteilt. Ein Drogendealer aus Bosnien-Herzegowina war des Landes verwiesen worden – zu Unrecht, fanden die Richter in Strassburg. Die Schweiz habe das Recht auf das Familienleben verletzt. Bei jedem Fall, den die Schweiz betrifft, ist mit Andreas Zünd auch ein Schweizer Richter am Urteil beteiligt. 

Munterer Schlagabtausch

Der Bundesrat stellte sich gegen den SVP-Vorstoss, wie Justizminister Beat Jans (60) sagte. «Wir haben als Staat den Auftrag, die Menschen in unserem Land zu achten und zu schützen, und unsere Stärke liegt darin, dass die Menschen dem Staat vertrauen. Die Europäische Menschenrechtskonvention ist für die betroffenen Personen ein wichtiges Argument für das Vertrauen in den Rechtsstaat.»

Eine Kündigung würde Nachteile für die Glaubwürdigkeit und den Ruf der Schweiz bringen, sagte Jans. «Die Schweiz würde sich quasi auf die Stufe von Russland und Belarus stellen», sagte Jans. Die Möglichkeit, Urteile nach Strassburg weiterzuziehen, stärke das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat. Während der Debatte entwickelte sich ein munterer Schlagabtausch. Mehr als 25 Fragen musste Jans beantworten – hauptsächlich von SP und SVP.

Doch am Ende lief die SVP auf. Mit 121 zu 65 Stimmen wurde der Vorstoss abgelehnt. Nur eine Ja-Stimme kam von ausserhalb der SVP-Fraktion, von Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner (52). 

Jetzt ist der Ständerat an der Reihe

Vom Tisch ist die Forderung der SVP trotzdem noch nicht. Im Ständerat ist am Mittwoch eine gleichlautende Motion des Thurgauer Ständerats Jakob Stark (66) traktandiert. In Rahmen einer Sonderdebatte wird die kleine Kammer auch über weitere Vorstösse zum Thema zu befinden haben.

Eine Motion aus den Reihen der FDP will, dass sich der Gerichtshof auf seine Kernaufgabe besinnt. Der Bundesrat empfiehlt jenen Vorstoss zur Annahme und hat sich bereiterklärt, gemeinsam mit anderen Staaten auf dieses Ziel hinzuwirken. Die SP wiederum will mit einem Postulat Abklärungen zu den Folgen des Klimaurteils für die Schweiz.

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