Auf dem Tisch liegt eine alte Steckerleiste, daran angeschlossen ist der Laptop von Michael Frank. Als Direktor des Verbands der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen beschäftigt er sich damit, dass der Strom fliesst. Nicht immer eine einfache Aufgabe.
Blick: Herr Frank, wir haben erneut einen Winter ohne Strommangel hinter uns. War alles nur Panikmache?
Michael Frank: Nein, im Winter 2022/23 war das Risiko gross und real, und tatsächlich sind wir gerade noch durchgekommen – die Preisexplosion hat das deutlich gemacht. Mit dem Ukraine-Krieg und dem Ausfall fast der Hälfte der französischen AKWs wusste man nicht, wie sich die Situation entwickelt. Da hätte es nur zwei Wochen mit durchgehend minus 10 Grad gebraucht, dann wäre das System gekippt.
Michael Frank (60) ist seit 2011 Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen, das seinen Sitz in Aarau hat. Die über 400 Mitglieder des Dachverbands produzieren mehr als 90 Prozent des Schweizer Stroms. Der ausgebildete Jurist Frank arbeitete zuvor bei der Swisscom und dem Stromkonzern Axpo.
Michael Frank (60) ist seit 2011 Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen, das seinen Sitz in Aarau hat. Die über 400 Mitglieder des Dachverbands produzieren mehr als 90 Prozent des Schweizer Stroms. Der ausgebildete Jurist Frank arbeitete zuvor bei der Swisscom und dem Stromkonzern Axpo.
Das sieht das Bundesverwaltungsgericht anders. Es hat die Betriebsbewilligung für das Reservekraftwerk Birr für illegal erklärt.
Dieses Urteil ist unverständlich. Jeder hat eine Haftpflichtversicherung – und niemand macht Ihnen Vorwürfe, wenn Sie diese nicht brauchen. Die Kraftwerke sind Versicherungen. Der Bundesrat hat richtig gehandelt.
Mittlerweile hat sich die Energie-Situation beruhigt. Sinken nun auch die Strompreise wieder?
Der Ukraine-Krieg ist nicht zu Ende. Wenn Russland wieder an Stärke gewinnt, wird es heikel. Auch für die Energieversorgung.
Wenn die Lage aber stabil bleibt, müssen die Preise nächstes Jahr sinken!
Auf dem Grosshandelsmarkt haben wir punktuell fast wieder Preise wie auf Vorkriegsniveau. Wegen der fehlenden Marktöffnung wirkt sich das aber nicht unmittelbar auf die Strompreise für die Haushalte aus. Für die Grundversorgung wird der Strompreis jährlich festgelegt. Davon haben die Kunden zum Anfang des Krieges profitiert. Die Preise für 2025 wissen wir erst Ende August.
Was erwarten Sie?
Aus heutiger Sicht sollten die Preise zumindest stabil bleiben, in der Tendenz sogar leicht sinken. Garantieren lässt sich das aber nicht. Zudem stecken wir mitten im Umbau unseres Energiesystems.
Am 9. Juni stimmen wir über das Stromgesetz ab, das dem Ausbau Schub geben soll. Wird der Strom bei einem Ja teurer?
Wir wollen klimaneutral werden, das geht nur über Elektrifizierung. Das heisst: Heute brauchen wir jährlich 60 Terawattstunden Strom, 2050 werden es 90 sein. Dafür braucht es mehr Kraftwerke und einen Ausbau der Netze. Das gibt es nicht gratis. Auf der anderen Seite sparen wir, weil wir weniger fossile Energie brauchen. Wenn wir die inländische Stromproduktion aber nicht ausbauen, wird es uns viel teurer zu stehen kommen.
Und wenn das Stromgesetz durchfällt, heisst es Lichterlöschen?
Nein, ich möchte nicht den Teufel an die Wand malen. Aber wenn wir mit dem Stromgesetz nicht zügig zubauen, werden wir noch abhängiger vom Ausland. Wenn wir wieder bei null anfangen müssen, werden die Lösungen nicht besser. Das Stromgesetz hingegen bietet die «vier S»: sicheren, sauberen Schweizer Strom.
Selbst bei einem Ja könnten Beschwerden, wie nun gegen das Wasserkraftwerk Trift, das im Stromgesetz explizit gefördert werden soll, den Ausbau bremsen.
Wir haben für nichts eine Garantie. Wenn Splittergruppen mit Einsprachen alles bekämpfen, erreichen wir auch mit einem Stromgesetz die Ziele nicht. Der ganze Prozess wird unnötig verzögert. Dabei ist Trift ein entscheidendes Kraftwerk, weil es zur stabilen Winterversorgung beiträgt.
Sie nehmen jetzt die Umweltschützer ins Visier, dabei kommt auch von rechts Widerstand. Auch die SVP könnte Nein sagen.
In der SVP hat die Bundeshausfraktion zu zwei Dritteln Ja gestimmt. Ob die Delegiertenversammlung das kippt? Ich bin gespannt. Immerhin setzt sich SVP-Bundesrat Albert Rösti für das Stromgesetz ein. Zudem wird sich eine breite Allianz aus Politik, Wirtschaft und den grossen Umweltorganisationen engagieren. Ich bin zuversichtlich.
Wäre ein Nein ein Türöffner für neue AKWs? Der Ständerat hat dazu gerade einen Prüfbericht verlangt.
Langfristig müssen wir technologieoffen sein. Es wäre absurd, wenn wir eine zukünftige Technologie, die wir nicht kennen, schon heute ablehnen. Selbst falls demokratisch gewollt, steht in den nächsten 10 bis 15 Jahren aber kein neues AKW. Das Winterstromproblem müssen wir jedoch jetzt lösen und die Versorgungssicherheit der nächsten Jahre gewährleisten. Darüber hinaus müssen wir die Debatte führen.
Zurück zum Zubau: Unsere Stromnetze können so viel zusätzlichen Strom gar nicht transportieren.
Technisch gesehen ist der Netzausbau keine Mondlandung, sondern eine bewährte Ingenieursarbeit. Aber es geht nicht vorwärts. Das Netz wurde in der Politik bis anhin nicht wirklich ernst genommen. Das ändert sich jetzt. Dazu kommen Einsprachen um Einsprachen. So dauerte es bei einem Projekt Jahrzehnte, bis die Leitung ausgebaut werden konnte. Das ist inakzeptabel.
Sie haben den Strommarkt schon angesprochen: Dieser muss liberalisiert werden – nicht zuletzt, um ein Stromabkommen mit der EU abzuschliessen. Doch das ist heiss umstritten.
Die EU schreibt vor, dass der Kunde eine Wahlfreiheit hat, ob er in der Grundversorgung bleiben will oder Strom vom freien Markt kaufen. Das müssen wir innerstaatlich regeln. Die Grundversorgung soll zumindest gewährleisten, dass niemand vom Strom abgeschnitten wird. Der Kunde sollte aber die Möglichkeit haben, sich für seinen bevorzugten Lieferanten zu entscheiden. Die Frage ist doch: Wer hat nicht gerne eine Wahl?
Die Gewerkschaften.
Gerade mit Blick auf die Kaufkraft müssten diese ein Interesse an einem Stromabkommen und einer freien Wahl des Anbieters haben. Das wirkt steigenden Kosten entgegen und damit positiv auf die Preise.
Zu Beginn des Ukraine-Kriegs sind die Preise auf dem freien Markt schnell stark gestiegen, was viele Unternehmen in Probleme brachte. Wenn die Konsumenten wieder in die Grundversorgung zurückkehren könnten, wären vielleicht die Gewerkschaften mit im Boot.
Für grosse Unternehmen kann das nicht die Option sein. Einmal frei, immer frei. Ob es für den normalen Bürger möglich sein soll, ist eine politische Frage. Denkbar wäre ein Rückkehrrecht verbunden mit einer Sperrfrist, damit es kein ständiges Hin- und Herwechseln gibt. Die Elektrizitätswerke müssen planen können. Ich bin überzeugt, dass wir eine pragmatische und breit abgestützte Lösung finden.