Rekurse bremsen den Ausbau
Solarpanels bringen das Stromnetz an seine Grenzen

Weil es immer mehr Solarzellen auf den Dächern gibt, geraten die Stromnetze an ihre Grenzen. Doch mit den Ausbauten und Erneuerungen hinkt Swissgrid hinterher. Wer ist schuld?
Publiziert: 02.11.2023 um 21:11 Uhr
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Aktualisiert: 03.11.2023 um 08:45 Uhr
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Dunkle Wolken über dem Schweizer Stromnetz.
Foto: Keystone

Berge, Bäume, vielleicht einmal eine Kuh. Und schon bald Solarpanels? Wanderer müssen sich eventuell schon bald an einen neuen Anblick gewöhnen. Der Bund will die erneuerbaren Energien ausbauen und auch die Alpen nutzen. Dafür hat er im vergangenen Jahr den Solarexpress gestartet.

Grosszügige finanzielle Hilfen und leichtere Bewilligungen sollen der Schweiz mehr Solarstrom sichern. Mehrere Dutzend Projekte sind derzeit in der Pipeline. Doch ob sie tatsächlich etwas nützen, hängt nicht nur davon ab, wie viele Solarpanels stehen – sondern auch, wie der Strom in die Haushalte kommt.

«Stromnetz muss ausgebaut werden»

«Das Schweizer Stromnetz muss ausgebaut werden», sagt Jan Schenk, Mediensprecher von Swissgrid. Das Unternehmen betreibt das Schweizer Übertragungsnetz. Doch mit dem Aus- und Umbau des Stromnetzes hinkt Swissgrid hinterher. In einem Papier ist der Ausbau geplant. Das «Strategische Netz 2025» enthält zehn Projekte. Gerade mal zwei sind fertig gebaut, der Rest noch in Ausführung oder erst in Planung. Gleichzeitig beginnt Swissgrid bereits mit dem nächsten Ausbauschritt, dem «Strategischen Netz 2040». «Wir brauchen dringend eine Modernisierung des Stromnetzes. Zwei Drittel der Netze sind vor 1980 entstanden, da war der Strombedarf noch deutlich kleiner», sagt Schenk. Besonders betroffen sei die Nord-/Südachse und das Wallis. «Dort hinken wir mit dem Ausbau besonders hinterher.»

Der Grund für den schleppenden Ausbau seien Einsprachen und Rekurse. «Viele Projekte, die für die netzseitige Versorgungssicherheit notwendig sind, werden vor Gericht gezogen und verzögern sich darum», sagt Schenk. Ein Beispiel: die Höchstspannungsleitung zwischen Chamoson VS und Chippis VS. 36 Jahre vergingen von der ersten Idee bis zur Fertigstellung.

Das fragile Stromnetz spürt man bei Swissgrid. «Wenn das Netz instabil ist, müssen wir mehr eingreifen, damit der Strom regelmässig fliesst», sagt Schenk.

Kosten unklar

Swissgrid verwaltet dabei die Hochspannungsleitungen. Sie sind quasi die Autobahnen. Doch auch auf den Gemeinde- und Quartierstrassen – den Leitungen, die direkt ins Haus führen – gibt es Schlaglöcher. Auch privat wollen immer mehr Leute eigene Solarpanels aufs Dach. Das bedeutet, dass der Strom vom Haus wegfliessen muss, wenn zu viel produziert wird. Auch hier braucht es einen Umbau des Stromnetzes.

«Es wird immer mehr private Solaranlagen, Elektroautos und Wärmepumpen geben», sagt Thomas Marti, Bereichsleiter Netze beim Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE). «Damit das Stromnetz all das bewältigen kann, muss es weiterentwickelt werden.»

Schon jetzt stapeln sich bei den Elektrizitätswerken die Gesuche für die privaten Solaranlagen, wie SRF kürzlich berichtete. «Die Netzbetreiber müssen sicherstellen, dass der Betrieb sicher ist und es zu keinen Ausfällen kommt», sagt Marti. Man müsse das Stromnetz parallel zum Ausbau der Solaranlagen entwickeln. «Das erfordert Investitionen.» Der VSE arbeitet zurzeit an einer Studie, die zeigt, wie teuer der Umbau der Verteilnetze wird. Die Ergebnisse werden Anfang Jahr erwartet. (bro)


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