Plötzlich wird Bundesrat Albert Rösti (56, SVP) zum Abstimmungskämpfer. Eigentlich hat er bei seinem Auftritt am Stromgipfel, einem Branchentreffen, ein Heimspiel. Doch weil nur wenige Stunden später das Referendum zum sogenannten Mantelerlass eingereicht wird, muss Rösti kämpfen.
Der Energieminister wollte dieses Referendum unbedingt verhindern. Während der Parlamentsdebatte stellte er sich konsequent gegen Maximalforderungen von links und rechts – er weibelte für einen «guten Kompromiss zwischen Versorgungssicherheit und Naturschutz». Genützt hat das nichts.
«Wälder für Windkraftanlagen roden»
Eine Gruppe Umweltschützer um Vera Weber (49) hat ausreichend Unterschriften gesammelt, damit das Volk wohl im Juni über das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung, wie der Mantelerlass eigentlich heisst, abstimmen kann. Am Schluss wurde es zeitlich knapp, doch die notwendigen Unterschriften kamen zusammen. Dies geschah aber ohne die grossen Umweltschutzverbände Pro Natura oder WWF. Die beiden Verbände ergriffen das Referendum nicht.
Das Gesetz hat zum Ziel, die Produktionsanlagen für erneuerbaren Energien schneller auszubauen. Dafür wurden zum Beispiel 16 Wasserkraftprojekte in den Erlass geschrieben, bei denen die Stromproduktion dem Landschaftsschutz vorgezogen wird. Auch Windkraft- und Solaranlagen sollen schneller erstellt werden.
«Es macht absolut keinen Sinn, im Namen des Klimas Wälder für Windkraftanlagen zu roden, Alpenlandschaften mit Solarpanels zu verschandeln und Biotope für Wasserkraft zu überfluten», sagt Weber. Mit dem Gesetz werde der Landschafts- und Naturschutz geschwächt.
Rösti widerspricht
Dem widerspricht Rösti deutlich: «Es ist einfach falsch, wenn man sagt, dass das ganze Land zugepflastert wird», erklärte er am Stromkongress. Im Mantelerlass seien Biotope von nationaler Bedeutung für die Energieproduktion weiterhin ausgeschlossen.
Immer wieder betonte Rösti, wie wichtig es sei, dass die Schweiz ihre Stromproduktion ausweitet. Er bedauere die Einsprache gegen den Bau eines Staudamms im bernischen Triftgebiet – eines jener 16 Projekte, die vom Mantelerlass profitieren würden.
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Auch wenn der Erlass im Parlament deutlich angenommen wurde, dürfte der Abstimmungskampf spannend werden. Vera Weber hat mit der vom Volk angenommenen Zweitwohnungsinitiative bewiesen, dass sie Abstimmungskämpfe gewinnen kann. Zum Mantelerlass sagen die grossen Umweltverbände zwar offiziell ja – ob die einzelnen Mitglieder jedoch tatsächlich ein Ja auf den Stimmzettel schreiben werden, ist ungewiss.
Zudem müsste eine kantonale Abstimmung im Wallis für Rösti hier eine Warnung sein: Das Stimmvolk lehnte im September 2023 die kantonale Umsetzung des Solar-Expresses ab. Auch dort war das Referendum von den Umweltschützern ergriffen worden. Rösti will es jetzt besser machen. (SDA/bro)