«Kann nicht sein, dass der Staat die Bevölkerung an die Hand nehmen muss»
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Appell von Patrick Mathys:«Kann nicht sein, dass der Staat die Bevölkerung an die Hand nehmen muss»

Medienkonferenz der Corona-Experten
«Jeden Tag stecken sich mehr als 100'000 Personen an»

In den letzten Wochen sind die Corona-Fallzahlen wieder gestiegen. Trotzdem blieb der Bundesrat auf Öffnungskurs. Die letzten Massnahmen fallen Ende März weg. Die Corona-Experten des Bundes halten diesen Schritt für vertretbar.
Publiziert: 22.03.2022 um 12:45 Uhr
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Aktualisiert: 22.03.2022 um 20:17 Uhr
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Die epidemiologische Lage müsse weiterhin intensiv überwacht werden, sagt Taskforce-Chefin Tanja Stadler.
Foto: Keystone
Ruedi Studer

Der Bundesrat bleibt auf Lockerungskurs. Damit wird die besondere Lage per Anfang April enden, die letzten Corona-Massnahmen wie Maskenpflicht im ÖV oder die Isolationspflicht werden fallen.

Wenige Tage vor dem letzten Öffnungsschritt ordneten die Corona-Experten des Bundes die Ausgangslage nochmals ein. Es war die 100. Medienkonferenz in dieser Form – und zugleich die letzte. Und das sind die wichtigsten Erkenntnisse:

1. Corona-Anstieg, aber keine Sorgenfalten

In den letzten Wochen sind die Fallzahlen wieder deutlich gestiegen. Rechnet man die Dunkelziffer hinzu, ist Omikron richtiggehend durch die Bevölkerung gerauscht. Derzeit würden sich täglich wohl immer noch über 100’000 Menschen neu anstecken, schätzt Patrick Mathys vom Bundesamt für Gesundheitswesen. Gut 10 Prozent der Bevölkerung würden das Virus derzeit in sich tragen. «Wir müssen davon ausgehen, dass 80 Prozent der Bevölkerung mit Omikron in Kontakt gekommen sind», so Mathys.

Trotzdem schlägt er nicht Alarm: «Die neuerliche Zunahme verursacht keine Sorgenfalten», sagt Mathys. Denn die Situation in den Spitälern habe man im Griff. Die Auswirkungen auf das Gesundheitswesen würden in einem überschaubaren Rahmen bleiben. Eine starke Belastung der Spitäler sei nicht zu erwarten.

Oder wie es Taskforce-Chefin Tanja Stadler (40) ausdrückte: «Die Pandemie ist noch nicht vorbei, es herrscht aber keine akute Krisensituation mehr.» Zudem sind die Fallzahlen diese Woche im Vergleich zur Vorwoche gesunken – wobei noch offen ist, ob es sich tatsächlich um eine Trendwende handelt.

2. Letzter Öffnungsschritt kann kommen

Ende März fallen also die Corona-Massnahmen des Bundes. Die Experten hüteten sich, hier Gegensteuer zu geben. Aus epidemiologischer Sicht gibt es zwar durchaus Gründe, etwa die Maskenpflicht im ÖV beizubehalten. Das räumte auch Mathys ein. Er betont aber, dass der Staat die Bevölkerung nicht ewig an der Hand nehmen könne und nun wieder mehr Eigenverantwortung gefragt sei.

«Wer sich schützen will, kann freiwillig Maske tragen», so Mathys. Und wer Symptome habe, solle auch ohne behördliche Anordnung zuhause bleiben.

«Wir müssen uns jetzt auf den Herbst vorbereiten»
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Taskforce-Chefin Tanja Stadler:«Wir müssen uns jetzt auf den Herbst vorbereiten»

Allgemein rechnen die Fachleute zwar mit einem erneuten Anstieg der Fallzahlen, dies scheint angesichts der Spitalsituation aber vertretbar. Denn: «Dem Virus gehen langsam die Wirte aus», so Mathys. Auch das wärmere Wetter wird für Entlastung sorgen. Mitte April müssten die Fallzahlen wieder sinken, glaubt Mathys. Prognosen seien aber schwierig.

Zudem können die Kantone bei Bedarf weiterhin eigene Massnahmen anordnen. Etwa die Maskenpflicht in Altersheimen oder Spitälern.

3. Zweiten Booster braucht es (noch) nicht

Die Formel von Impfchef Christoph Berger (59) ist einfach: Vollständig geimpft und geboostert ist man vor einer schweren Corona-Erkrankung und Hospitalisierung weiterhin recht gut geschützt. Eine generelle Empfehlung für einen zweiten Booster gibt es seitens der Impfkommission deshalb nicht.

Was nicht hiesst, dass ein zweiter Booster nicht möglich ist – in diesem Fall allerdings Off-Label. Wer beispielsweise eine neue Impfung für eine Auslandreise braucht, kann diese vornehmen lassen.

Es sei aber trotzdem wichtig, die Risikopersonen im Auge zu behalten, betonte Berger. Es sei gut möglich, dass auf den Herbst hin eine zweite Auffrischimpfung notwendig werde. Auf diese Situation müsse man sich vorbereiten. Impfstoff ist jedenfalls genügend vorhanden.

4. Sich für den Herbst wappnen

Mit Blick auf den Herbst sind sich die Experten weitgehend einig. Dann muss man wieder mit einer «bedeutenden Zunahme der Virusaktivität rechnen», wie der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri (61) sagte. Eine intensive Überwachung der Epidemie sei weiterhin nötig, betonte Stadler.

Es gilt sich für den nächsten Ernstfall zu wappnen, um eine grosse Herbstwelle zu verhindern. Mittlerweile sind die besten Instrumente ja auch bekannt: Die Pandemie habe gezeigt, dass eine gute Luftqualität in Innenräumen sowie kollektives Maskentragen Individuen und Gesellschaft am besten schützen würden, so Stadler. Diese zwei einfachen Massnahmen müsse man in der Hinterhand behalten. Positiv Getestete sollten weiterhin zuhause bleiben, oder, falls das nicht geht, eine FFP2-Maske tragen.

Und auch wenn die Kantone nun ihre Corona-Strukturen zurückbauen, bereiten sie sich darauf vor, diese im Ernstfall rasch wieder aufzustocken.

Corona-Experten 22.03.2022

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