Omikron kann es in sich haben
«Mild ist eine Frage der Definition»

Omikron verursache nur «milde» Verläufe, heisst es bei Bund und Behörden. Mild fühlt sich die Erkrankung aber für viele Betroffene trotz Booster nicht an, sagt Hausärztepräsident Philippe Luchsinger.
Publiziert: 19.03.2022 um 11:33 Uhr
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Aktualisiert: 19.03.2022 um 12:02 Uhr
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Ob im Parlament oder in der Bevölkerung: Viele stecken sich im Moment wieder mit Corona an.
Foto: keystone-sda.ch
Gianna Blum

So viele Parlamentarier gleichzeitig mussten noch nie in Isolation. In der eben zu Ende gegangenen Frühjahrssession entwickelte sich das Bundeshaus zum Corona-Hotspot.

Sie habe Halsschmerzen gehabt, wie noch nie im Leben, klagte etwa eine Nationalrätin nach überstandener Infektion. Ein anderer berichtete von mehreren Tagen mit Fieber und starker Erschöpfung.

Fallzahlen steigen wieder

Auch ausserhalb des Parlaments ist Corona wieder auf dem Vormarsch. Diesen Mittwoch sind die täglich vermeldeten Corona-Fälle wieder auf über 36'000 gestiegen. In der Region Basel sind die Fallzahlen im Moment sogar so hoch wie nie. Basel-Stadt etwa verzeichnete diese Woche eine Sieben-Tage-Inzidenz von über 3500 Fällen. Bisherige Rekorde seien «pulverisiert worden», berichtet die «BZ Basel».

Der Eindruck, dass der Verlauf der Krankheit für die Angesteckten nicht immer ganz so harmlos ist, täuscht nicht. «Wir behandeln sehr viele Corona-Erkrankte, die mehrere Tage Fieber hatten und auch nach einer Woche nicht wieder auf den Beinen sind», berichtet Philippe Luchsinger (64), Präsident der Haus- und Kinderärzte.

Von wegen mild

Anders klingt das aber bei der Impfkommission, bei der Taskforce oder beim Bundesamt für Gesundheit (BAG): Die Omikron-Variante des Virus löse meist «milde Verläufe» aus, sowohl was den Ursprungs-Typ BA.1 wie auch den ansteckenderen Typ BA.2 betrifft. Wie passt das zusammen?

«Mild ist eine Frage der Definition», erklärt Luchsinger. «Für das BAG heisst mild, dass man nicht ins Spital muss. Für die Betroffenen fühlt es sich aber oft alles andere als mild an.» Zum Glück greife Omikron zwar die Lunge weniger an, als das noch frühere Varianten wie Delta taten. Trotzdem würden die Hausärzte aber oft beobachten, dass Patienten Schwierigkeiten beim Atmen haben.

Maskenpflicht im ÖV beibehalten

Mehr Sorgen als die einzelnen Fälle an sich bereite den Hausärzten aber die Ansteckungsgefahr durch die hohen Fallzahlen, sagt Luchsinger. «Es stecken sich zunehmend wieder ältere Menschen an.» Laut dem aktuellsten Taskforce-Bericht sind die Spitaleinweisungen denn auch wieder gestiegen, am stärksten bei den Altersgruppen ab 60. Auf den Intensivstationen ist die Lage indes weiterhin stabil.

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Vor den ganz schweren Verläufen – jenen, die eben eine Behandlung im Spital nötig machen – schütze die Impfung weiterhin zuverlässig, hält Hausarzt Luchsinger fest, darum seien die Corona-Lockerungen auch richtig gewesen. «Aber man hat den Leuten zu wenig bewusst gemacht, dass das Virus noch da ist.»

Dieses Versäumen zeige nun Wirkung – auch auf die Wirtschaft, die nun eben viele Krankheitsausfälle verkraften muss. «Ich hoffe sehr, dass zumindest die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr noch länger beibehalten wird.»


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