Bei der SP liegen Freud und Leid nah beieinander. Mit Bundespräsident Alain Berset (51) hat sie jenen Bundesrat in ihren Reihen, der von der Bevölkerung als besonders einflussreich eingeschätzt wird. 69 Prozent der Befragten sehen ihn als den Mächtigsten im Amt, wie das jüngste SRG-Wahlbarometer zeigt.
Am anderen Ende der Skala: SP-Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider (59). 63 Prozent schreiben ihr den geringsten Einfluss zu. Zehn Prozentpunkte mehr als FDP-Bundesrat Ignazio Cassis (62), der die rote Laterne endlich los ist.
Ein Grund für das schlechte Abschneiden der Jurassierin: Sie ist erst seit Anfang Jahr im Amt und konnte so noch wenig punkten. Dass es auch anders geht, zeigt SVP-Neuling Albert Rösti (56), der im Macht-Ranking bereits den dritten Platz belegt.
Schnellstart für Rösti
Das hat auch mit den Themen zu tun. Die Energiepolitik ist Röstis Steckenpferd – und nun muss er als Stromgeneral die Versorgung sichern und die Energiewende meistern. Im Superdepartement Uvek, welches neben der Energie auch die Bereiche Umwelt, Verkehr und Kommunikation umfasst, hat Rösti einen Schnellstart hingelegt.
Mit dem Ausbau von Autobahnen und Schienennetz bis hin zur SRG-Debatte oder seiner knallharten Anti-Wolf-Politik sorgt er für Diskussionen. «Er hat eigene Akzente gesetzt, sich aber auch als Brückenbauer profiliert», meint ein bürgerlicher Parlamentarier.
Fehlstart für Baume-Schneider
Baume-Schneider hingegen legte auf schwierigem Terrain einen Fehlstart hin. Mit ihrer Asylcontainer-Idee kam sie zuerst im Bundesrat ins Stolpern und fiel dann im Parlament ganz auf die Nase. «Die Asylpolitik ist ihr wichtigstes Dossier, doch da scheint sie ohne Strategie unterwegs zu sein und hat von Beginn weg falsche Entscheide getroffen», sagt Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (45) zu Blick. «Man kann nicht im Schnellzugtempo über die Köpfe der betroffenen Kantone und Gemeinden hinweg entscheiden.» Bregy weiss, wovon er spricht, war doch die Gemeinde Turtmann in seinem Heimatkanton Wallis als Standort einer Containeranlage vorgesehen – wogegen er auf die Barrikaden stieg.
Grosse Projekte fehlen
Baume-Schneider fehlen derzeit die grossen politischen Projekte, mit denen sie punkten kann. Die Asylverfahren sind bereits beschleunigt, die Ehe für alle durchgesetzt und das Aktienrecht revidiert.
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Das aufgegleiste Ohrfeigen-Verbot hat mehr Symbolcharakter als strafrechtliche Auswirkungen. Eine Riesenkiste, der sie den Stempel aufdrücken kann, ist derzeit nicht in Sicht.
«Harmlos-naive Art»
Dass ihr am wenigstens Einfluss zugesprochen wird, hängt aber nicht nur mit den Themen zusammen, sondern auch mit ihren Auftritten. Etwa in den Kommissionen. «Da fehlt ihr manchmal die Dossiersicherheit, wodurch sie nicht gerade Kompetenz ausstrahlt», meint ein Parlamentsmitglied.
«Auch ihre harmlose-naive Art stärkt ihren Einfluss im Bundesrat sicher nicht, um neben Alphatieren wie Alain Berset oder Karin Keller-Sutter zu bestehen.» Damit bestätigt sich das Kalkül einiger, insbesondere freisinniger Bürgerlicher, die bei Bundesratswahl der als «schwächer» geltenden Baume-Schneider den Vorzug gegenüber Eva Herzog (61) gaben, um so die SP-Spitze zu ärgern.
So sympathisch wie Rösti
Fehlt es der Jurasserin an Macht, fehlt es ihr aber keineswegs an Sympathie. Man möge sie gut, heisst es im Parlament. «Sie ist sympathisch und aufgestellt,», sagt Bregy. «Persönlich kann ich es sehr gut mit ihr.»
Und so wird sie auch in der Bevölkerung wahrgenommen. Im Sympathie-Rating teilt sie sich mit 3,2 von 5 Punkten zusammen mit Rösti den dritten Rang – hinter Viola Amherd (61) und Alain Berset.