Der Bund sucht händeringend Unterbringungsplätze für Asylsuchende. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hatte deshalb die Kantone beauftragt, bis am vergangenen Dienstag geeignete Zivilschutzanlagen zu melden, die das SEM bei Bedarf während eines halben Jahres als Bundesasylzentrum betreiben könnte. Voraussetzung: Die Anlagen müssen mindestens 100 Personen beherbergen können.
Nun zeigt sich: Diverse Kantone haben keine Lust, dem Bund unter die Arme zu greifen. So haben bereits die Zentralschweizer Kantone Luzern, Schwyz, Uri, Zug, Nid- und Obwalden kundgetan, dass sie dem Bund keine Zivilschutzanlagen überlassen wollen. Andere Kantone sagen, ihnen seien die Hände gebunden: Die Anlagen seien Sache der Gemeinden.
Ständerat trage Mitschuld
Der Bund will insgesamt eine Reserve von 3000 Plätzen in Schutzanlagen aufbauen. Diese braucht es, wenn es im Herbst wie erwartet zu einer Flüchtlingswelle kommt. Dass er das muss, ist dem Ständerat zu verdanken. Dieser fällte in der Sommersession einen brisanten Entscheid: Er verweigerte Asylministerin Elisabeth Baume-Schneider (59) einen Kredit von 132 Millionen Franken, um auf Armeearealen Containerdörfer für Geflüchtete zu bauen. Auch einen günstigeren Kompromiss lehnte die kleine Kammer ab – und verwies stattdessen auf Zivilschutzanlagen in den Kantonen.
Doch mit dem Njet der Kantone ist zu befürchten, dass die Schweiz schon bald zu wenig Plätze hat. «Der Ständerat hat das Geschäft, das im Interesse der Kantone war, versenkt», sagt SP-Ständerat Roberto Zanetti (68). Die kleine Kammer sei deshalb mitverantwortlich, wenn der Bund im Herbst Flüchtlinge wieder direkt an die Kantone verteilen müsse, weil er selbst nicht mehr genügend Kapazitäten hat, so der Solothurner.
Bund und Kantone schieben sich derweil die heisse Kartoffel hin und her. Und auch der Ständerat will jetzt nicht schuld sein am drohenden Chaos. Der St. Galler Mitte-Ständerat Benedikt Würth (55) sagt Blick: Die ablehnende Rückmeldung vieler Kantone sei keine «föderalistische Haltung und enttäuschend». Bund und Kantone müssten die Herausforderung im Asylwesen gemeinsam lösen. «Wir können jetzt nicht im föderalistischen Pingpong verharren.»
Bundesrätin trifft Kantone
Die Absage diverser Kantone sei längst kein Grund für den Bund, um nun Notrecht anzuwenden, warnt SVP-Ständerat Alex Kuprecht (65) vorsorglich. «Die betreffenden Kantone wollen den Bund jetzt aber dazu bringen, erst die eigenen Räumlichkeiten mit Asylsuchenden zu besetzen.» Doch der Bund beteuert: Man habe keine eigenen Räumlichkeiten mehr. Das SEM sagt, es befinde sich im Austausch mit der Armee bezüglich weiterer Unterbringungsplätzen.
Für die Urner Mitte-Ständerätin Heidi Z'graggen (57) ist klar: «Jetzt ist es am Bundesrat, gemeinsam mit den Kantonen Lösungen zu suchen.» Doch daran ist die zuständige Bundesrätin schon: So wird sich Baume-Schneider am Freitag mit Vertretern der Kantone treffen und sich über die verfahrene Situation aussprechen. Gelingt das nicht, droht der Herbst für Baume-Schneider sehr ungemütlich zu werden.
Aargau hilft – mit Forderungen
Selbst mit den Kantonen, die dem Bund die Hand reichen, ist nicht alles in Butter. So hat beispielsweise der Kanton Aargau bekannt gegeben, dem SEM 200 Plätze für Asylsuchende in Wettingen zur Verfügung zu stellen.
Der Streit, der sich hier anbahnt, dreht sich um die Kosten: Vor der Inbetriebnahme der Unterkunft sind Um- und Einbauten nötig. Dazu gehört etwa das Anbringen von Brandmeldern, die Einrichtung zusätzlicher Duschen und Toiletten sowie Anpassungen an den Küchen.
Das koste bis zu einer halben Million Franken, heisst es im Brief des Aargauer Regierungsrats an das SEM – und die solle der Bund vollständig berappen. Doch der stellt sich quer. Die Kosten seien von der Eigentümerin oder vom Standortkanton zu übernehmen, heisst es dort.
Das alles zeigt: Der Asylherbst ist alles andere als gut aufgegleist. Zanetti warnt: «Es wäre auch nicht verwunderlich, wenn Hauruck-Übungen im Herbst teurer kommen würden, als der einst vorgeschlagene Kredit von Baume-Schneider für Containeranlagen.»