Es sind zwar nicht annähernd so viele Betten, wie Asylministerin Elisabeth Baume-Schneider (59) auftreiben wollte. Dennoch gab sich die Bundesrätin am Freitag zufrieden – zumindest gegen aussen. 590 Plätze in Zivilschutzanlagen haben die Kantone dem Bund zugesichert. Sie sollen in den nächsten Wochen bereitstehen, sollten die Bundesasylzentren wegen eines plötzlichen Flüchtlings-Ansturms die Kapazitätsgrenzen überschreiten.
Bei weiteren 1200 Plätzen würden noch Abklärungen laufen, sagte Baume-Schneider. Total sind die Kantone derzeit also bereit, dem Bund im Notfall rund 1800 Plätze bereitzustellen – 3000 waren das Ziel. Auch die Armee prüfe, in welchen Unterkünften allenfalls weiterhin Geflüchtete untergebracht werden können, ohne dass dies Konsequenzen für den Militärbetrieb – namentlich die Durchführung der RS – hat.
Widerstand gegen Baume-Schneiders Pläne
Die jetzt präsentierte Lösung ist Baume-Schneiders Plan B. Eigentlich wollte die SP-Bundesrätin auf Armeearealen Containersiedlungen aufstellen, um Geflüchtete unterzubringen. Doch der Ständerat machte dem bundesrätlichen Plan im Juni einen Strich durch die Rechnung: Gegen den Willen der Kantone verweigerte die Mehrheit der Kantonsvertreter die nötige Zustimmung.
Am Freitag lud Baume-Schneider die Vertreter der Kantone im Bundeshaus zur Aussprache. Und verbuchte dabei einen Teilerfolg. «Ich bin zuversichtlich, dass wir alle Asylsuchenden unterbringen können», sagte Baume-Schneider. Der Bund rechnet im wahrscheinlichsten Szenario damit, dass bis Ende Jahr 28'000 Menschen in der Schweiz ein Asylgesuch stellen – nicht mit eingerechnet sind Schutzsuchende aus der Ukraine. Für dieses Szenario sei man auch ohne die zusätzlichen Plätze gerüstet, stellte der Obwaldner Regierungsrat Christoph Amstad (49) im Namen der Kantone klar.
Mit den Betten in den Zivilschutzanlagen wollen Bund und Kantone parat sein, sollten es mehr Flüchtlinge werden als erwartet. «Ein gewisser Spielraum ist unerlässlich», so Baume-Schneider. Vor allem, weil nicht vorhersehbar ist, wie viele Asylsuchende aufs Mal kommen. Auch die Kantone haben ein Interesse daran, denn im Notfall müsste der Bund ihnen die Geflüchteten sonst früher als üblich zuweisen. So, wie das Ende vergangenes Jahr für einige Wochen der Fall war.
Am grosszügigsten ist Bern
Doch nicht alle Kantone sind gleich engagiert. Von den 590 praktisch sofort zur Verfügung stehenden Plätzen stellt 300 der Kanton Bern, 200 Genf und 90 die Stadt Zürich bereit. Auf welche Kantone sich die 1200 weiteren zugesicherten Plätze verteilen, behält der Bund für sich. Blick weiss: Die Zentralschweizer Kantone sind weiterhin nicht parat, dem Bund Zivilschutzanlagen zur Verfügung zu stellen. Sie hatten schon vor einigen Tagen angekündigt, dem Bund nicht aus der Patsche helfen zu wollen.
Wie teuer Baume-Schneiders Plan B wird, lässt sich noch nicht sagen. Sie denke, dass es wohl günstiger komme, als wenn man Container aufgestellt hätte, sagte die Bundesrätin auf Nachfrage. Doch gleichzeitig sei es sicher weniger effizient, über ein Dutzend Zivilschutzanlagen zu betreiben als nur fünf Containerdörfer.
Kantone stellen 1800 Plätze zur Verfügung
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider kann aufatmen. Die Kantone haben rund 1800 Plätze für Asylsuchende gemeldet. Rund 600 Plätze könne das Staatssekretariat für Migration (SEM) sofort nutzen, weitere 1200 Plätze seien in Abklärung. Auch die Armee prüft, wie viele Plätze sie zur Verfügung kann. Damit verfüge der Bund über einen grösseren Handlungsspielraum bei der Unterbringung. Für die Erstaufnahme ist der Bund zuständig. «Das gemeinsame Ziel ist, vorzeitige Zuweisungen von Asylsuchenden an die Kantone zu vermeiden.»
Das SEM verfüge über 11'000 Unterbringungsplätze. Trotzdem bleiben Engpässe bei der Unterbringung im Herbst möglich.
Nur für eine kurze Zeit
Es sei nicht geplant, die Zivilschutzanlagen für eine lange Zeit zu nutzen, sondern nur um die «Spitzen zu brechen», sagt Regierungsrat Amstad.
Damit ist die Medienkonferenz beendet. In Kürze findest du hier eine Zusammenfassung.
Zusätzliche Plätze nur, wenn mehr Asylsuchende kommen
Der Obwalder Regierungsrat Christoph Amstadt sagt, man könne mit der bestehenden Infrastruktur die prognostizierte Anzahl Asylsuchende abdecken. Die Zivilschutzanlagen seien um «die Spitze abzudecken», falls mehr Leute kommen als prognostiziert.
Ist die Lösung teurer als die Container?
Elisabeth Baume-Schneider sagt, man könne nicht sagen, ob die Lösung mit den Zivilschutzanlagen teurer sei als die Container. «Wahrscheinlich aber nicht.»
Gab es finanzielle Anreize für die Kantone?
Auf Blick-Nachfrage sagt Elisabeth Baume-Schneider, es sei nicht einfach gewesen, eine Lösung zu finden. Der Bund betreibe die Zivilschutzanlagen und bekomme zudem die gleichen Konditionen wie jene Kantone mit einem Asylzentrum. Das heisst: Sie bekommen weniger Asylsuchende, was finanziell helfen könne, ergänzt der Obwalder Regierungsrat Christof Amstad. Wer keine Zivilschutzanlagen gemeldet habe, könne davon nicht profitieren.
Baume-Schneider wird auch gefragt, ob jene Ständeräte jetzt Recht gehabt hätten, welche die Container-Lösung abgelehnt hätten. «Ich kann nicht sagen, wer Recht hat und wer nicht. Die Demokratie hat das entschieden.» Es sei nicht einfach für die Kantone. «Die Plätze die wir brauchen, können sie nicht brauchen.»
Kayser-Frutschi: Wichtigkeit der Zusammenarbeit
Die Nidwalder Justizministerin Karin Kayser-Frutschi sagt, man müsse weiterhin kreative Lösungen suchen. Das sei heute ein erstes Mal gelungen. Auch sie betont die Wichtigkeit der Zusammenarbeit. «Eine Hand wäscht die andere Hand.»
Prozess nicht erschweren
Nun spricht Christoph Amstad, Regierungsrat des Kanton Obwalden. Er weisst darauf hin, dass der Bund für die Erstaufnahme zuständig sei. Das sei wichtig, damit das Verfahren schnell durchgeführt können. Wenn die Asylsuchenden schon vor Abschluss des Verfahren in die Kantone verteilt werden, könne das zu Verzögerungen.
Die Kantone wollten konstruktiv mit dem Bund zusammenarbeiten. Nach der Ablehnung der Asylcontainer habe man zusätzliche Zivilschutzplätze geprüft. Die rund 600 Plätze seien verfügbar. «Das ist ein sehr gutes Zwischenergebnis», sagt Amstad. Es gebe aber Herausforderungen. Die Gemeinden seien Eigentümer der Zivilschutzanlagen und hätten die teilweise vermietet. Auch der bauliche Zustand müsse beachtet werden. Auch die Situation vor Ort müsse beachtet werden. Sein Kanton Obwalden habe bereits ein Asylzentrum. «Schliesslich gibt es noch Kantone, die noch etwas Zeit brauchen. «Die Kantone haben dem Bund viele Plätze angeboten und wir werden weitere Plätze suchen. Die Kantone erwarten vom SEM aber, dass die Anlagen mit einer gewissen Grosszügigkeit prüfen.» Zudem müsse in gewissen Situation eine Kompensation gesucht werden. Auch die Armee müsse einen Beitrag leisten.
«Die Kantone können nichts dafür, dass der Kredit für die Container abgelehnt werden», sagt Amstad. Es sei eine aussergewöhnliche Situation, die man bislang gut überstanden habe.
Medienkonferenz beginnt
Jetzt beginnt die Medienkonferenz mit Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider. Der Austausch zwischen den Kantonen den Gemeinden sei sehr wichtig. Sie bedankt sich auch bei der Armee, die weitere Plätze prüft. «Ich bin zuversichtlich, dass wir alle Asylsuchenden unterbringen können.» Das heisse aber nicht, dass sie sich sicher sei.
Das SEM rechnet derzeit mit rund 28'000 Asylgesuchen für 2023 – mit einer tieferen Wahrscheinlichkeit seien auch 35'000 Gesuche möglich.
Point de Presse um 16.15 Uhr
Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider tritt um 16.15 Uhr vor die Medien, um zu erklären, wie Bund und Kantone die Unterbringung von Asylsuchenden regeln möchte. Sie bedankt sich auch bei der Armee, die weitere Plätze prüft und noch im September informieren werde.