Konkrete Bedrohungen
Trump wird der Schweizer Wirtschaft in diesen sechs Bereichen schaden

Zölle, KI-Chips, Medikamentenpreise, Goldmarkt, Kriegsmaterial: Die Schweiz wird den Trump-Effekt in den Sektoren spüren, die sowohl dem amerikanischen Protektionismus als auch der amerikanischen Konkurrenz ausgesetzt sind. Dazu kommen noch die Nebenwirkungen in Europa.
Publiziert: 18:54 Uhr
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Aktualisiert: 19:34 Uhr
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Angesichts des Protektionismus des Trump-Teams wird Bern den Dialog und Verhandlungen mit den USA suchen.
Foto: KEYSTONE

Auf einen Blick

  • Trumps Protektionismus gefährdet Schweizer Wirtschaft. USA sind Schlüsselmarkt für die Schweiz
  • Schweiz ausgeschlossen von unbegrenztem Import von KI-Chips aus den USA
  • USA sind wichtigste Exportdestination für Schweiz mit 15 Prozent Anteil
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Myret Zaki

Welche Gefahren birgt der unverblümte Protektionismus der Trump-Regierung für die Schweizer Wirtschaft? Es steht viel auf dem Spiel, da die USA ein Schlüsselmarkt für die Schweiz sind.

Für die wichtigsten SMI-Konzerne sind die Risiken vielfältig und die Lage ist nicht gerade rosig. Hier ein Überblick über sechs Herausforderungen, die Trumps USA für die Schweiz mit sich bringen.

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Drohende Zölle

«Mit der Rückkehr von Donald Trump ins Präsidentenamt weht ein protektionistischer Wind durch die Handelsbeziehungen», stellt John Plassard, Direktor bei der Bank Mirabaud, fest. Die Möglichkeit neuer Zölle «könnte mehrere Schlüsselsektoren der Schweizer Wirtschaft schwächen». Trump hat mehrfach damit gedroht, Zölle auf bestimmte europäische Importe zu erheben, darunter auch Schweizer Produkte wie Stahl und Aluminium. Obwohl die Schweiz davon relativ verschont geblieben ist, haben diese Drohungen Instabilität für Exportunternehmen geschaffen.

Pharma, Chemie, Uhren und Gold ausgesetzt

«Die USA werden die Schweiz nicht mit spezifischen Massnahmen ins Visier nehmen», meint Stéphane Garelli, Professor für Wirtschaftswissenschaften am IMD. «Aber wenn sie zum Beispiel Zölle von 2,5 Prozent für alle einführen, werden wir zwangsläufig betroffen sein.» Charles-Henry Monchau, Chefstratege der Bank Syz, nennt das Risiko von «Zöllen auf alle US-Importe, also auch auf Schweizer Importe, die die grossen Schweizer Exportsektoren (Pharma, Chemie, Uhren) betreffen würden».

Er verweist auch auf die Zölle auf Edelmetalle, insbesondere Gold. «Die Schweiz ist ein grosser Exporteur von gelbem Metall», betont der Stratege von Syz. Die Zölle würden die vier weltweit grössten Goldraffinerien mit Sitz in der Schweiz betreffen: Metalor, MKS Pamp, Valcambi und Argor-Heraeus. In Erwartung möglicher Strafzölle stiegen die Goldexporte aus der Schweiz in die USA im Dezember sprunghaft an (auf umgerechnet 6 Milliarden Schweizer Franken oder 64,2 Tonnen Gold).

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Die US-Strafzölle auf Europa könnten auch die Schweiz betreffen. «Wenn die Steuern die europäischen Autohersteller treffen, wird dies auch die zahlreichen Schweizer Zulieferer der Automobilindustrie betreffen», betont Anick Baud, Spezialistin für den Schweizer Markt beim Verwaltungshaus Bruellan in Lausanne. Hersteller wie Stellantis (Fiat, Peugeot, Opel), Volkswagen und Volvo könnten in der Tat von Steuern betroffen sein, die von 2,5 auf 10 Prozent steigen würden. In der Schweiz arbeiten laut Swissmem 578 Zulieferer für diesen Sektor.

Dasselbe gilt, wenn Trump beschliesst, China streng zu besteuern: «China ist ein grosser Kunde der Schweizer Unternehmen, und Sanktionen gegen China bedeuten weniger Nachfrage aus China», erinnert Baud.

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KI-Chips: Die Schweiz wird aus dem Club ausgeschlossen

Die USA, die ihre KI-Chips stark protektionistisch behandeln, werden nur 18 Ländern erlauben, diese unbegrenzt zu importieren. Die Schweiz ist nicht auf der Liste, was sie im Vergleich zu den zugelassenen Ländern benachteiligt. «Es steht die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz auf dem Spiel», reagierte Olga Baranova, Geschäftsführerin von CH++, einer Bürgerlobby.

Diese neuen Massnahmen drohen die Entwicklung von hochmodernen KI-Technologien in unserem Land drastisch zu bremsen. «Dies ist eine grosse Herausforderung für die technologische Souveränität der Schweiz», schrieb sie zudem auf der Website der Organisation. Das erklärte Ziel der USA ist es, den Zugang Chinas zu diesen Technologien zu blockieren. Baranova ist der Ansicht, dass die Schweiz «ihre Zuverlässigkeit unter Beweis stellen und den USA zusätzliche Garantien geben» sollte, um sie in dieser Hinsicht zu beruhigen.

China als überraschende Alternative

Kürzlich wurde jedoch bekannt, dass das chinesische Startup DeepSeek ChatGPT überholt habe und zur meistgeladenen kostenlosen KI-App in den USA geworden ist. Innerhalb weniger Stunden hatte sich China zu einem gefürchteten Herausforderer im Bereich der KI entwickelt.

Als Reaktion auf die DeepSeek, das es schafft, bis zu zehnmal billiger als die Konkurrenz zu sein, plädiert Baranova heute für die Offenheit der Schweiz. «Ich denke, die Schweiz sollte sich alle ihre Optionen offen halten. Die KI-Technologie entwickelt sich mit rasanter Geschwindigkeit. Niemand kann vorhersagen, welche Technologie sich morgen, wo durchsetzen wird.» Und: «Abgesehen davon ist DeepSeek zwar interessant, aber wir können nicht auf die ultraleistungsfähigen Chips des kalifornischen Unternehmens Nvidia verzichten. Wir müssen also herausfinden, warum die Schweiz von der Liste der 18 Länder ausgeschlossen wurde, und mit Washington nach Lösungen suchen.»

Andere finden, die Schweiz könne sich ungehindert China zuwenden. «Da die chinesischen Chips ebenfalls leistungsfähig sind, ist es nun an der Schweizer Diplomatie, die Neutralität des Landes zu verteidigen», sagt Jean-Pierre Diserens, Generalsekretär der Convention of Independent Financial Advisors (CIFA).

3

Freihandelsabkommen unwahrscheinlich

Die Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit den USA werden mit der neuen US-Regierung beginnen, wie Bundesrat Guy Parmelin ankündigte. Er berichtet von einer «starken Nachfrage» auf Schweizer Seite. Denn «das Fehlen eines Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und den USA macht den Handel anfälliger für politische Entscheidungen der USA», hält John Plassard fest.

Aber wie sieht es auf US-Seite aus? «Ich glaube, dass die Schweiz für Donald Trump keine Priorität hat», sagt Stéphane Garelli. «Er ist ein Mann in Eile, der vier Jahre Amtszeit vor sich hat, vielleicht sogar eine halbe Amtszeit, wenn er 2026 den Kongress verliert», betont der Gründer des Zentrums, das jedes Jahr die Rangliste der weltweiten Wettbewerbsfähigkeit veröffentlicht. «Und das Letzte, was man tun will, wenn man es eilig hat, ist, mit der Schweiz zu diskutieren.» Daher hält es Garelli für unwahrscheinlich, dass ein Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und den USA zustande kommt.

4

Geopolitisches Gleichgewicht erforderlich

In welchem Sektor auch immer, die Schweiz wird sich bemühen müssen, gegenüber der US-Regierung einen geopolitischen Balanceakt zu vollführen. «Die Schweiz wird wahrscheinlich versuchen müssen, gute Beziehungen sowohl zu den USA als auch zu China aufrechtzuerhalten», erwartet Jean-Daniel Ruch, ehemaliger Botschafter, unter anderem in Serbien, der Türkei und Israel. «Es ist ein Spagat, der das Los der kleinen Länder ist, die dem Druck der grossen Länder ausgesetzt sind.»

«Bern wird wahrscheinlich die Gespräche mit China fortsetzen, insbesondere über die Aktualisierung des Freihandelsabkommens Schweiz-China, und sich gleichzeitig gegenüber den USA sehr transparent zeigen», ergänzt Ruch.

5

Wettbewerb auf dem Rüstungsmarkt

Für die Schweiz ist der europäische Markt der wichtigste Absatzmarkt für ihre Rüstungsindustrie. Trump übt jedoch Druck auf Europa aus, seine Verteidigungsausgaben zu erhöhen, was den Kauf von mehr US-Waffen beinhaltet. Als Reaktion darauf hat die EU ihre Bereitschaft bekundet, dies zu diskutieren, um drohende Zölle zu vermeiden und die transatlantischen Beziehungen zu stärken.

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Diese Entwicklung könnte auch die Schweiz dazu veranlassen, mehr US-Waffen zu kaufen. Gleichzeitig könnte die amerikanische Konkurrenz Schweizer Hersteller beeinträchtigen, die bereits von Deutschland gemieden werden, weil sich ihre Produkte nicht in die Ukraine exportieren lassen. «Die Schweiz müsste mehr in ihre industriellen Kapazitäten und in militärische Spitzentechnologien investieren, in denen sie bislang geglänzt hat», meint Ruch.

6

Risiko bei den Arzneimittelpreisen

Mehr als die Hälfte der Schweizer Exporte in die USA entfallen auf den Pharmasektor. «Für diesen Sektor ist ein möglicher Preisdruck seitens des neuen US-Gesundheitsministers zu befürchten», meint Anick Baud, «denn die Medikamentenpreise sind teurer als in Europa. Wir haben noch keine Details dazu, aber dieses Risiko ist für die Pharmaunternehmen unmittelbarer als die Zölle.»

Vor allem in Ermangelung eines Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und den USA ist der Schweizer Pharmasektor nicht immun gegen dieses Risiko einer strengeren Regulierung der Medikamentenpreise, betont auch John Plassard, ebenso wenig wie gegen das Risiko neuer Zölle.

Die Schweizer Pharmaunternehmen, insbesondere Roche und Novartis, erzielen einen wesentlichen Teil ihres Umsatzes in den USA. Stéphane Garelli glaubt jedoch nicht an ein Katastrophenszenario: «Wir müssen abwarten, ob Robert Kennedy Jr. in seinem Amt als Gesundheitsminister bestätigt wird oder nicht.» Der CEO von Novartis, Vas Narasimhan, hatte die Risiken der Ernennung von Robert Kennedy Jr. relativiert. Laut Bloomberg will die Pharmaindustrie sogar die Aufhebung von Regulierungen aus der Biden-Ära erreichen, darunter jene, die den Preis bestimmter Medikamente im Rahmen von Medicare gesenkt haben.

Fazit: Abhängigkeit muss begrenzt werden

Entscheidend ist die starke Abhängigkeit der grössten Schweizer Unternehmen, die auf dem amerikanischen Markt sehr präsent sind, wie Novartis, Roche, Nestlé, UBS oder Zürich Versicherungen, aber auch von mittelgrossen Akteuren wie Kudelski oder Sika. «Die USA sind die wichtigste Destination für Schweizer Exporte (15 Prozent) und haben seit einigen Jahren Deutschland überholt», erinnert Anick Baud.

Die USA sind auch der wichtigste Markt für die Schweizer Uhrenhersteller und machen 15 Prozent ihrer Verkäufe aus. Angesichts dieser Unsicherheiten «muss die Schweiz ihre Märkte diversifizieren und ihre Handelsallianzen stärken, um ihre Abhängigkeit von den USA zu verringern», empfiehlt John Plassard. Innovation bleibt ein wichtiger Hebel, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und auf neue Chancen aufzuspringen.

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