Billig-Wunder, Zensur und Börsenbeben
Darum zittern die USA vor der China-KI Deepseek

AI-Revolution oder böse Zensur-App? Die China-KI Deepseek bringt Börsenkurse zum Einstürzen und das Selbstvertrauen der US-Tech-Bros ins Wanken. Stimmt der Billig-Mythos? Blick liefert die wichtigsten Antworten.
Publiziert: 29.01.2025 um 10:36 Uhr
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Aktualisiert: 29.01.2025 um 14:59 Uhr
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Walfisch als Logo: Deepseek ist tatsächlich ein grosser Brocken im AI-Teich.
Foto: Anadolu via Getty Images

Auf einen Blick

  • Deepseek ist im Gegensatz zur Konkurrenz kostenlos
  • Die China-KI nutzt kreative Techniken, um trotz US-Sanktionen Effizienz zu steigern
  • Gerüchte von 50'000 heimlichen Highend-Chips machen die Runde
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Thomas BenköJournalist & AI Innovation Lead

Nach dem Tiktok-Puff stürzt die nächste App aus China die US-Techwelt in eine Krise. Wegen der Deepseek-KI verlor der Nasdaq am Montag bei Börsenschluss über drei Prozent. Insgesamt waren die Techfirmen am Abend über eine Billion Dollar weniger Wert – mit einem Minus von 17 Prozent verlor Nvidia alleine 600 Milliarden Dollar und sorgte damit für den grössten Einzelverlust aller Zeiten. Zudem musste der Chip-Hersteller die Krone als wertvollstes Unternehmen der Welt wieder an Apple zurückgeben.

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Wieso reden jetzt alle von Deepseek?

Über die Jahreswende sorgte die China-KI zum ersten Mal für Furore. Ende letzter Woche zeigten Leistungstests, dass das Reasoning-Modell R1 (Schlussfolgerungsmodell) vergleichbar ist mit OpenAI oder Llama – in einigen Disziplinen wie Mathematik und Programmierung zeigt Deepseek sogar überlegene Leistungen. Der Clou: im Gegensatz zu OpenAI ist die Nutzung von Deepseek kostenlos.

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Haben US-Sanktionen den Erfolg beflügelt?

Anscheinend ja. Weil Deepseek nicht die besten AI-Chips von Nvidia kaufen durfte, mussten die Macher kreativ werden. 

  • Reduzierte Präzision: Deepseek senkt die Datenpräzision von 32 auf 8 Dezimalstellen, was den Speicherbedarf um 75 Prozent reduziert, ohne die Genauigkeit erheblich zu beeinträchtigen.
  • Multi-Token-Verarbeitung: Anstatt Texte Wort für Wort zu analysieren, verarbeitet Deepseek ganze Phrasen gleichzeitig. Dies verdoppelt die Verarbeitungsgeschwindigkeit und hat immer noch 90 Prozent der Genauigkeit herkömmlicher Systeme.
  • Aktivierung nur benötigter Parameter: Von 671 Milliarden Parametern sind nur 37 Milliarden gleichzeitig aktiv, was die Effizienz weiter steigert.

Dies stellt die Wirksamkeit der Sanktionen infrage und könnte den Wettbewerb zwischen den USA und China nachhaltig beeinflussen.

 

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Wer hat Deepseek erfunden?

Im Jahr 2015 haben drei Ingenieure der Uni Zhejiang den Hedgefonds namens High-Flyer gegründet, der innert sechs Jahren die Marke von 100 Milliarden Renminbi knackte – rund 14 Milliarden Dollar. Gemäss der Firmenlegende hat Liang Wenfeng, einer der Gründer, im April 2023 das Unternehmen Deepseek quasi als Nebenprojekt gegründet – am Anfang hat man das Projekt als «exzentrisches Hobby» eines Milliardärs abgetan.

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Wie sieht der Gründer aus?

Im Gegensatz zu anderen KI-Bossen meidet Liang Wenfeng das Rampenlicht. Es gibt wenige Fotos von ihm im Netz. Das führt zum kuriosen Umstand, dass meistens ein Namensvetter von ihm in Google aufploppt. Der «richtige» Liang Wenfeng ist hier auf dem Bild rechts.

Genau! Rechts ist der «echte» Liang Wenfeng.
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Wurde Deepseek tatsächlich so günstig trainiert?

Die Trainingskosten für Deepseek belaufen sich laut Eigenaussage auf mickrige 5,6 Millionen Dollar, was im Vergleich zu den typischen Kosten anderer führender KI-Modelle, die oft zwischen 100 Millionen und 1 Milliarde Dollar liegen, äusserst günstig ist. Zum Training wurden nur 2048 abgespeckte H800-GPUs von Nvidia verwendet statt der üblichen 100’000 Chips, die in ähnlichen Modellen eingesetzt werden. 

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Stimmen die Gerüchte um die 50’000 High-end-GPUs?

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Nicht alle glauben ans Billigwunder. «Deepseek hat 50’000 Nvidia H100-GPUs im Einsatz», sagte etwa Alexandr Wang, CEO von Scale AI am WEF zum TV-Sender CNBC. Wegen der US-Sanktionen würde die chinesische Firma nicht zugeben, diese Highend-Chips im Einsatz zu haben. Hardwarekosten: rund zwei Milliarden Dollar! Elon Musk, reichster Mann der Welt und selber im AI-Business, glaubt auch an dieses Gerücht. Unter einen entsprechenden Tweet schrieb er: «Obviously» (Offensichtlich). Einen Beweis für die Vorwürfe gibt es allerdings nicht.

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Gibts bei Deepseek China-Zensur?

Ja, sie ist aber sehr launisch! Letzte Woche konnte Blick im Test mit Deepseek noch über das Tiananmen-Massaker von 1989 in Peking reden. Nun kommt die Meldung: «Tut mir leid, das geht über meinen derzeitigen Aufgabenbereich hinaus. Reden wir über etwas anderes.» Über das JFK-Attentat gibt die KI derweil fleissig Auskunft.

Tiananmen-Massaker Nein, JFK-Attentat Ja: Bei Deepseek gibts China-Zensur inklusive.
Foto: Screenshot Blick
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Ist Deepseek gut bei Schweizer Themen?

Theoretisch ja. Deepseek versteht Deutsch und kann sogar Gedichte in Züritüütsch verfassen (na ja, mehr oder weniger). Die Frage nach dem bei uns stets wechselnden Bundespräsidenten stellte aber auch das Reasoning-Modell R1 vor schier unlösbare Probleme: Erst kam Alain Berset als Antwort, der das Amt 2023 innehatte. Dann auf Nachfrage Viola Amherd, die letztjährige Präsidentin. Erst bei wiederholtem Nachfragen und manueller Einschaltung der Websuche kam die richtige Antwort: Karin Keller-Sutter.

Deepseek dichtet auf Züritüütsch

De Räge im Winter

Es rieslet, es plaschtet,
de Räge er naschtet,
de Winter isch chalt,
es tuet scho lang walt.

De Himmel isch grau,
es blibt nöd genau,
mal Schnee, mal es Tröpfle,
mer wüsse nöd, öbs no wird schöön.

D’Strossen si glatt,
me rutscht, me cha lad,
d’Chälte chunnt inne,
d’Socke si nöd dinn.

Doch hinder de Wolke,
do lueget mol cholte,
es Liechtli, es Schimmer,
de Frühling er glimmer.

Drum haltet druuf,
öb’s räget oder schniit,
de Winter, er goht,
und s’Läbe, es stoht.

Der Prompt war: «Bitte ein Gedicht auf Züritüütsch über Regen im Winter»

De Räge im Winter

Es rieslet, es plaschtet,
de Räge er naschtet,
de Winter isch chalt,
es tuet scho lang walt.

De Himmel isch grau,
es blibt nöd genau,
mal Schnee, mal es Tröpfle,
mer wüsse nöd, öbs no wird schöön.

D’Strossen si glatt,
me rutscht, me cha lad,
d’Chälte chunnt inne,
d’Socke si nöd dinn.

Doch hinder de Wolke,
do lueget mol cholte,
es Liechtli, es Schimmer,
de Frühling er glimmer.

Drum haltet druuf,
öb’s räget oder schniit,
de Winter, er goht,
und s’Läbe, es stoht.

Der Prompt war: «Bitte ein Gedicht auf Züritüütsch über Regen im Winter»

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Deepseek ist Open Source – was bedeutet das?

Open Source bei DeepSeek bedeutet, dass die KI-Modelle des Unternehmens öffentlich zugänglich sind und jeder sie nutzen, anpassen und weiterentwickeln kann. Es fallen für Entwickler keine Lizenzgebühren an. Das Sprachmodell lässt sich auch auf eigenen Computern betreiben – was die Datensicherheit erhöht.

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Was ist das Fazit aus den Deepseek-Verwerfungen?

Die Welt kann von Deepseek lernen, wie Kreativität und Effizienz technologische Hürden überwinden können. Trotz beschränkter Ressourcen zeigt das Modell, dass Innovation nicht zwingend an teure Hardware oder riesige Budgets gebunden ist. Reduzierte Präzision, optimierte Parameter-Nutzung und Multi-Token-Verarbeitung könnten den Weg für kosteneffizientere KI-Lösungen weltweit ebnen – und so auch weniger wohlhabenden Ländern Zugang zu Spitzentechnologie ermöglichen. 

Mal schauen, was die Schweiz und Europa daraus machen – sonst drohen uns auch weiterhin solche Memes.

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PS: Deepseek erreicht man über die URL chat.deepseek.com oder die gleichnamige App. Wegen des aktuellen Hypes ist Deepseek heute oft überlastet. Es braucht meistens mehrere Anläufe.
PPS: Der Artikel wurde am Montagabend mit neusten Börsenzahlen ergänzt.
 

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