Starökonom Kenneth Rogoff warnt am WEF
«Es wird wegen Trump eine sehr volatile Zeit an den Märkten geben»

Wirtschaftsprofessor Kenneth Rogoff zählt als Ex-Chefökonom des Internationalen Währungsfonds zählt zu den renommiertesten Vertretern seines Fachs. Am WEF in Davos spricht er über die Folgen der Trump-Wahl, Europa – und die Stärken der Schweiz.
Publiziert: 17:09 Uhr
|
Aktualisiert: 18:04 Uhr
1/6
Topökonom Rogoff am WEF: «Die Schweiz ist das einzige Land in Europa, das im Moment funktioniert.»
Foto: imago/Avalon.red

Auf einen Blick

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
markus_diem_meier_4.jpg
Markus Diem Meier
Handelszeitung

Viel ist hier in Davos die Rede von einem gefährlichen Zeitenwandel. Wie schätzen Sie das ein?
Kenneth Rogoff: Die Sorgen in Europa sind weitaus grösser als jene in den USA. In den USA herrscht eine Art «Die böse Hexe ist tot»-Euphorie nach dem Abgang von Joe Biden, der als Regulierer galt und als Präsident viele verschwenderische Dinge im Namen einer progressiven Politik tat. Ich halte die Euphorie aber für übertrieben.

Wie schätzen Sie die erneute Präsidentschaft von Donald Trump ein?
Der Markt ist glücklich. Auch Trumps Absicht, die Zuwanderung zu stoppen, kommt an. Wer die mexikanische Grenze überquert hat, bekam oft automatisch eine Greencard und ein Hotelzimmer. Die Einwanderung in die USA war viel grösser – auch in Prozent – als jene in Deutschland. Die Zuwanderung ging viel zu weit unter Biden. Aber Trump ist eine unberechenbare Persönlichkeit. Ich denke, er ist wahrscheinlich ungeeignet für das Amt, obwohl er auch gute Ideen hat. Die grösste Gefahr für die Trump-Präsidentschaft ist Trump. Es ist schwer, zu glauben, dass wir vier Jahre Stabilität sehen werden. Es wird seinetwegen eine sehr volatile Zeit an den Märkten geben.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

Die Schwäche Europas ist hier am WEF ein grosses Thema.
Ja, Europa hat Probleme mit seinem gesamten Modell. Das kennen Sie aus dem Draghi-Bericht, der unter anderem den «regulatorischen Overkill» beschrieben hat. Dazu kommen die hohen Energiekosten und der Krieg in der Ukraine. Deutschland befindet sich seit zwei Jahren in Folge in einer Rezession. Ich meine, Europa wird immer mehr marginalisiert, während die USA davonziehen. Es ist ein schmerzhafter Moment für Europa.

Was muss Ihrer Ansicht nach geschehen?
Es müssen viele grosse Entscheidungen getroffen werden, um die Dinge zu stabilisieren: Dazu, wie der Kontinent zu günstigerer Energie kommt, oder wie die Balance zwischen dem Netto-null-Ziel und der Fähigkeit, bei der künstlichen Intelligenz zu konkurrieren, gelingt. Es braucht Führung in Europa. Der Kontinent steht in Konkurrenz zu China und den Vereinigten Staaten. In Europa dreht sich alles darum, wie man schneller grün wird. Aber ich würde mir grosse Sorgen machen, hier schneller zu günstigerer Energie zu kommen, und nicht erst in 25 Jahren. Dann wird es zu spät sein. Und Europa muss aufrüsten, damit es nicht von Trumps Launen abhängig ist.

Donald Trump fordert deutlich höhere Ausgaben von den Europäern.
Dass die Europäer hier mehr tun müssen, war schon vor Trumps Wahl klar, doch jetzt wird das tatsächlich noch dringender. Und Europa sollte seinen Umgang mit Grossbritannien überdenken.

Experte für Folgen von Staatsschulden

Kenneth Rogoff ist Wirtschaftsprofessor an der Harvard-Universität in den USA. Der ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds zählt zu den renommiertesten Vertretern seines Fachs. Besondere Beachtung hat er sich als Experte für die Folgen von Staatsschulden erworben.

Kenneth Rogoff ist Wirtschaftsprofessor an der Harvard-Universität in den USA. Der ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds zählt zu den renommiertesten Vertretern seines Fachs. Besondere Beachtung hat er sich als Experte für die Folgen von Staatsschulden erworben.

Inwiefern?
Im Moment versucht die Europäische Union, das Vereinigte Königreich dafür zu bestrafen, dass es ausgetreten ist. In diesem Moment erscheint das ziemlich dumm. Das Vereinigte Königreich braucht Europa, und Europa braucht das Vereinigte Königreich. Die beiden sollten ein viel besseres Handelsabkommen ausarbeiten. Vor allem die Franzosen waren sehr daran interessiert, das Vereinigte Königreich zu bestrafen. Europa leidet und muss sich vereinen. Der Umgang mit Trump wird schwierig sein. Er mag Konfrontation. Ich denke nicht, dass Europa einfach die andere Wange hinhalten kann. Ich meine, es muss kraftvoll auf die Zölle, Grönland und viele andere Themen reagieren.

Die Schweiz steht auch in Verhandlungen mit Europa, um das Verhältnis zur EU zu bereinigen. Der Vergleich mit Grossbritannien ist dabei ebenfalls Thema. Hier dreht sich die Debatte unter anderem darum, ob die Schweiz die Regeln der EU übernehmen soll.
Das würde ich nicht tun. Ich kann verstehen, dass die EU die Schweiz dazu drängt. Das Letzte, was ich als Schweiz tun würde, wäre, der EU beizutreten. Die EU hat viele Probleme. Die Schweiz ist die Schweiz. Ihr Land hat eine ausgezeichnete Position. Mit einem unglaublich starken Geschäftsmodell. Es ist das einzige Land in Europa, das im Moment funktioniert. Warum sollten Sie das ändern wollen?

Was spricht Ihrer Meinung nach für Europa?
Ich bin in einem sehr engen Rahmen optimistisch für europäische Aktien. Ich denke, sie sind unterbewertet. Langfristig wird Europa zurückkommen. Nehmen Sie Deutschland: Das Land leidet nicht wegen äusseren Drucks. Die Deutschen haben Deutschland unten gehalten. Es kam da zu einer enormen politischen Verschiebung nach links, was für das Land katastrophal war. Aber die Europäer werden wieder zurückfinden. Ich denke, die Beziehung zwischen Europa und den USA erreicht jetzt ihren Tiefpunkt.

Sie haben wie wohl kein anderer Ökonom zu den Folgen der Staatsverschuldung geforscht. Das ist auch ein Problem für Europa, aktuell vor allem für Frankreich. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Hohe Staatsschulden werden zu einem immer grösseren Problem. Lange war ich in der Ökonomenzunft ein einsamer Warner. Die Lage verschärft sich jetzt wegen der Zinskosten. Ich denke, dass die Zinsen weiter steigen werden. Die Menschen lebten in einer Traumwelt, als sie glaubten, die Zinsen würden niedrig bleiben.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

Wie hat sich denn hier die Wahrnehmung verändert?
Alle in der Wissenschaft, selbst die Zentralbanken und ein Grossteil der Wall Street, haben mit tief bleibenden Zinsen argumentiert. Und viele tun es immer noch. Das liegt auch daran, dass Schulden für einige Länder kein Problem waren. Das wird sich ändern.

Gleichzeitig unterstützen Sie die Forderung, dass die Europäer mehr Geld für Verteidigung ausgeben.
Die europäischen Länder werden mehr Geld für Verteidigung ausgeben müssen. Und sie können kaum mehr die Steuern erhöhen. Das heisst, die Länder müssen in ihrem Budget Anpassungen vornehmen. Trump wird Europa nicht verteidigen.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.