Auf einen Blick
- Der Schweizer Geheimdienst sucht eine neue Leitung für die Russland-Sektion
- Laut NDB geht die grösste Spionagegefahr in der Schweiz von Russland aus
- Bewerbungen werden nur in Papierform entgegengenommen
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) steckt in der Krise, die Stimmung ist angespannt. Direktor Christian Dussey (59) hat seinen Rücktritt eingereicht. Zuletzt gab es viel Kritik an ihm, auch aus dem eigenen Haus.
Doch der NDB wird nicht nur bald einen neuen Chef brauchen. Noch ein anderer Posten mit politischer Sprengkraft ist frei – vielleicht sogar der explosivste Job in Bundesbern: Der Geheimdienst sucht eine Chefin oder einen Chef für seine Russland-Sektion.
Die Stelle ist öffentlich ausgeschrieben – das ist ungewöhnlich. Oft gehen solche Spitzenposten diskret an erfahrene Geheimdienstler aus den eigenen Reihen.
Grösste Spionagegefahr geht von Russen aus
Die Fakten sind ungemütlich: Laut dem NDB geht die grösste nachrichtendienstliche Bedrohung hierzulande von Russland aus. Seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine sind Spionage und Desinformation allgegenwärtig. «Russen sorgen für grösste Spionagegefahr in der Schweiz», schrieb Blick schon im letzten Herbst.
Die Schweiz ist laut NDB für Russland «ein bevorzugter Aktionsraum». Als Ziel genannt werden unter anderem Rüstungsgüter wie Kampfjets, deren Funktionsweise auch anderswo interessieren könnten. Und laut dem Geheimdienst will das Regime von Wladimir Putin (72) die Schweiz durch Desinformation destabilisieren. Schon 2023 schätzte der NDB, dass rund ein Drittel des Personals in den diplomatischen Vertretungen Russlands für den Geheimdienst tätig sei – das entsprach damals etwa 70 Personen.
In diesem heiklen Umfeld soll die neue Führungsperson die Sektion «Russland-Bearbeitung» übernehmen. Dass der Schweizer Geheimdienst überhaupt eine solche Sektion führt, war bisher nicht öffentlich dokumentiert worden – wird es nun aber indirekt mit der Stellenanzeige. Das genaue Organigramm des NDB ist geheim.
Im Visier von Moskau
Weitere Informationen zur Russland-Arbeit sind nur wenige erhältlich, Details bleiben unter Verschluss. Der NDB macht auf Anfrage auch keine Angaben dazu, wie die «Russland-Bearbeitung» bisher aufgestellt war und geführt worden ist. «Über die bereits publizierte Grobstruktur des Dienstes hinaus gibt der NDB keine Informationen zur Organisation bekannt», lässt eine Sprecherin ausrichten.
Wohl aus guten Gründen: Moskau nimmt ausländische Geheimdienste offensiv ins Visier – das dürfte erst recht für die Spitze der zuständigen Sektion gelten.
Wer die Russland-Sektion führt, übernimmt laut NDB einen «komplexen Tätigkeitsbereich». Das Umfeld sei «dynamisch und volatil», was eine hohe Belastbarkeit erfordere. Verlangt wird ein «ausgewiesenes Interesse an globaler und europäischer Sicherheit, Grossmächten, bewaffneten Konflikten und hybriden Bedrohungen». Kein Job für alle also!
Bewerbungen nur auf Papier
Die Spitze der Sektion brauche «die Fähigkeit, mutige Entscheidungen zu treffen, einschliesslich des Eingehens kalkulierter Risiken». Russisch-Kenntnisse sind für den Posten von Vorteil. Bewerberinnen und Bewerber sollten ein Masterstudium abgeschlossen haben, vorzugsweise in einem Fach wie Slawistik, Politikwissenschaft oder internationale Beziehungen.
Was die «nachrichtendienstliche Arbeit» bei diesem Posten genau umfasst, dazu hüllt man sich beim NDB ebenfalls in Schweigen. Es ist die Rede von «Sensorsteuerung, Auswertung, Leistungserbringung». Und davon, dass man «Ereignisse und Vorgänge beurteilen und die daraus resultierenden potenziellen Herausforderungen und Bedrohungen identifizieren» müsse. So weit, so vage.
Aus Sicherheitsgründen akzeptiert der NDB Bewerbungsunterlagen nur in Papierform. Interessenten wird zudem nahegelegt, selbst im eigenen Umfeld nicht über die Bewerbung zu sprechen.