Im Dezember geht es in den meisten Kantonen ans Eingemachte: Dann befinden die kantonalen Parlamente über das Budget für das nächste Jahr. Die meisten Kantonsregierungen erwarten für 2024 ein Defizit und knausern daher bei der Verbilligungen der Krankenkassenprämien.
Das zeigen Berechnungen des Gewerkschaftsbundes zu den Kantonsfinanzen, welche die individuelle Prämienverbilligung als auch jene bei Ergänzungsleistungen und Sozialhilfe berücksichtigt. Während der Bund deutlich mehr Geld einschiesst, steigen die kantonalen Gelder für die Prämienverbilligung schweizweit nur um 2,8 Prozent. Die Prämien legen 2024 aber um durchschnittlich 8,7 Prozent zu! Das heisst: Die Prämienverbilligung hinkt dem Prämienanstieg deutlich hinterher.
Nur zwei Kantone stocken genügend auf
Berücksichtigt man zudem den prognostizierten Bevölkerungsanstieg von 0,8 Prozent, müsste die Prämienverbilligung nächstes Jahr insgesamt um 9,5 Prozent steigen, um nur schon das aktuelle Niveau zu halten, kommt die SGB-Analyse zum Schluss. Und: «In dieser Betrachtung werden in 24 von 26 Kantonen die Mittel im nächsten Jahr gekürzt.»
In den Kantonen Appenzell Innerrhoden, Zug, Glarus, Nidwalden, Neuenburg, Basel-Landschaft, Bern und Waadt ist demnach selbst absolut gesehen weniger Geld budgetiert als dieses Jahr. Einzig die Kantone Freiburg und Schaffhausen stocken die Gelder genügend auf, um den Prämienschock auszugleichen, so die Analyse.
Maillard sieht Kantone in der Pflicht
«Die Lücke wird stets grösser, die Kopfprämien belasten das Haushaltsbudget immer stärker», ärgert sich SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard (55). Viele müssten schon einen Fünftel des Haushaltseinkommens für die Prämien aufwerfen. «Will die Politik wirklich, dass der Anteil auf 30 Prozent steigt?», fragt Maillard rhetorisch. Und betont: «Die Kantone schwimmen im Geld.» Gemäss SGB-Analyse machten die Kantone 2022 einen Gewinn von insgesamt 3,3 Milliarden Franken. Budgetiert war ein Minus von 1,2 Milliarden.
Maillard sieht die Kantone nun in der Pflicht: «Statt neuer Steuersenkungen braucht es deutlich mehr Geld für die Prämienverbilligung.» Die SGB-Analyse ortet nämlich in vielen Kantonen einen «Budgetierungsrückstand» bei den Prämienverbilligungen.
Zankapfel in Budgetdebatte
In den kantonalen Budgetdebatten wird die Prämienverbilligung zum Zankapfel, hitzige Diskussionen sind programmiert.
Zum Beispiel im Kanton Bern. Dieser sieht für 2024 weniger Geld für die Prämienverbilligung vor als dieses Jahr, obwohl in Bern die Krankenkassenprämien im Schnitt um 8,3 Prozent steigen. Überdurchschnittlich viele Personen hätten keinen Anspruch mehr, erklärt die Regierung den Minderbedarf.
Eine Argumentation, die Linken den Hut lupft. «Die Regierung muss die Anspruchskriterien ändern, damit mehr Menschen eine Entlastung erhalten», sagt die grüne Grossrätin Rahel Ruch (37). Sie beantragt im Kantonsparlament deshalb, dass der Verbilligungstopf um 8,3 Prozent erhöht wird.
Was sie besonders ärgert: In Bern sind gleichzeitig Steuersenkungen für Grossunternehmen geplant. «Wir sollten den finanziellen Spielraum besser für höhere Prämienverbilligungen und den Teuerungsausgleich für das Personal nutzen.»
In Solothurn werden die Mittel zwar leicht erhöht, trotzdem bleibt die vom Gewerkschaftsbund monierte Budgetierungslücke mit 9,1 Prozent hoch. Allerdings dürfte sich diese noch leicht schliessen. Im Gegensatz zur Regierung möchte die parlamentarische Gesundheitskommission den kantonalen Zustupf bei der individuellen Prämienverbilligung um rund 5 auf gut 90 Millionen erhöhen.
Besonders ist die Situation im Tessin. Der Staatsrat hat ein 134 Millionen Franken schweres Sparpaket geschnürt. Dabei werden auch die Zuschüsse an die Prämienverbilligungen reduziert. Dies ist besonders bitter. Denn: Der Kanton Tessin verzeichnet im kommenden Jahr mit 10,5 Prozent den höchsten Anstieg der Krankenkassenprämien in der Schweiz.
«Spiel mit dem Feuer»
«Die Kantone spielen mit dem Feuer, wenn sie bei der Prämienverbilligung sparen», warnt Maillard. Umso mehr hofft er auf das Stimmvolk. Voraussichtlich im Juni kommt die Prämienentlastungs-Initiative der Linken und Gewerkschaften an die Urne.
Diese verlangt, dass kein Haushalt mehr als 10 Prozent des verfügbaren Einkommens für die Krankenversicherung aufwenden muss. Das würde den Staat 4 Milliarden Franken kosten. Der vom Parlament beschlossene indirekte Gegenentwurf will den Kantonen nur rund 360 Millionen aufbürden.
«Das Stimmvolk kann dem Prämien-Horror mit unserer Initiative endlich ein Ende setzen», so Maillard. «Wenn nicht, werden die Bürgerlichen den Freipass nutzen und die Bevölkerung ohne Limite bezahlen lassen.»