Das ist deftig: Nachdem die Krankenkassenprämien schon dieses Jahr massiv gestiegen sind, trifft der Prämienhammer die Versicherten 2024 noch stärker. Die mittlere Prämie für die obligatorische Grundversicherung steigt im Schnitt um satte 8,7 Prozent. «Das sind schlechte Nachrichten für die bereits teuerungsgeplagten Haushalte», sagte der abtretende SP-Gesundheitsminister Alain Berset (51) vor den Medien, als er zum letzten Mal die Prämien verkündete.
Neben allgemeiner Teuerung, höheren Energiekosten und steigenden Mietkosten schenkt nun auch der Prämienschub nochmals tüchtig ein. Die mittlere Monatsprämie beträgt durchschnittlich 359.50 Franken – fast 29 Franken mehr als jetzt. Für Erwachsene sind es 426.70 Franken, für jugendliche Erwachsene von 19 bis 25 Jahre 300.60 Franken und für Kinder 111.80 Franken.
Für eine Familie mit zwei Kindern steigen die Kosten also locker auf über 1000 Franken monatlich. Das sind jeden Monat über 80 Franken mehr als 2023.
Zwischen den Kantonen gibt es allerdings grosse Unterschiede. Am stärksten fällt der Anstieg mit 10,5 Prozent im Kanton Tessin aus, am wenigsten in Basel-Stadt und Appenzell Innerrhoden mit 6,5 Prozent. Die höchsten Prämien aber zahlen die Genfer mit durchschnittlich 454.40 Franken im Monat. Am günstigsten kommt man in Appenzell Innerrhoden weg mit 246.10 Franken. Auf der Website www.priminfo.ch kann man die eigene Prämie individuell berechnen.
Stark gestiegene Gesundheitskosten
Den starken Anstieg der Durchschnittsprämien erklärt sich der Bund mit unerwartet stark gestiegenen Gesundheitskosten. «Mehr Arztbesuche, mehr ambulante Spitalleistungen, mehr und teurere Medikamente haben zu diesen hohen Kosten geführt», schreibt der Bund in seiner Mitteilung. Auch Berset zählte eine ganze Liste von Bereichen auf, in welchen die Kosten einmal mehr gestiegen sind.
Und er machte seinem Ärger Luft, dass viele der vom Bundesrat vorgeschlagenen Kostendämpfungsmassnahmen vom Parlament verhindert oder verwässert worden seien. «Überall, wo es wirksam gewesen wäre, nahm das Parlament die wirksamen Elemente weg», bilanzierte Berset.
Das Gesundheitssystem brauche keine Revolution, aber Fortschritte, denen sich viele Kräfte entgegenstemmen würden. So hätten sich auch die Ärzte wenig kompromissbereit gezeigt, wetterte Berset. Und er mahnte auch die Patienten, dass sie sich überlegen sollten, wann ein Arztbesuch wirklich nötig sei.
Es brauche nun ein Kraftakt aller Akteure im Gesundheitswesen, um Lösungen zu finden, so Bersets Appell. Es brauche keine Revolution, aber: «Wir müssen viel dezidierter versuchen, die Kosten im Griff zu haben.» Ins gleiche Horn stiess Anne Lévy (52), die Direktorin des Bundesamts für Gesundheit: «Der jetzige Kostenanstieg ist ein Warnsignal!» Nun müsse gehandelt werden, damit das Gesundheitswesen für alle bezahlbar bleibe. So brauche es etwa eine bessere Koordination und Prävention.
Nicht an Leistungen rütteln
Berset machte aber auch gleich klar, wo ein Abbau für ihn nicht in Frage kommt: «Es war mir immer ein Anliegen, den Leistungskatalog nicht anzutasten», betonte er im Rückblick auf seine 12 Jahre im Innendepartement. Das wäre zwar eine einfache Massnahme gewesen, aber «sehr schlecht für die Bevölkerung». Ein Teil der Bevölkerung würde sich gewisse Leistungen dann einfach nicht mehr leisten können. Das habe er nicht gewollt.
Seine Bilanz als Gesundheitsminister sei gemischt, räumte er ein. «Es gab schon Rückschläge, aber auch Erfolge.» Zu den Erfolgen zählt er die Tarmed-Revision von 2017, womit eine halbe Milliarde eingespart worden sei. Auch bei den Medikamenten sei 1 Milliarde eingespart worden. «Es ist nicht alles schiefgelaufen.» Das Ziel seines Nachfolgers müsse sein, alle Akteure an einen Tisch zu bringen.
Die grosse Kantons-Übersicht
Die Prämien steigen massiv!
Nachdem die Krankenkassenprämien schon dieses Jahr massiv gestiegen sind,trifft der Prämienhammer die Versicherten 2024 noch stärker. Das Wichtigste dazu in Kürze:
- 2024 steigt die mittlere Prämie für die obligatorische Grundversicherung im Schnitt um 8,7 Prozent.
- Die mittlere Monatsprämie beträgt durchschnittlich 359.50 Franken – fast 29 Franken mehr als jetzt. Für Erwachsene sind es 426.70 Franken, für jugendliche Erwachsene von 19 bis 25 Jahre 300.60 Franken und für Kinder 111.80 Franken. – Auf der Website www.priminfo.ch kann man die eigene Prämie individuell berechnen.
- Die Prämien steigen in allen Kantonen. Am stärksten mit 10,5 Prozent im Kanton Tessin, am wenigsten in Basel-Stadt und Appenzell Innerrhoden mit 6,5 Prozent.
- Die höchsten Prämien zahlen die Genfer mit durchschnittlich 454.40 Franken im Monat, dahinter folgen Basel-Stadt mit 451.10 Franken und das Tessin mit 430.10 Franken.
- Am günstigsten kommt man in Appenzell Innerrhoden weg mit 246.10 Franken, Dahinter folgt Uri mit 271.90 Franken. Den dritten Platz schnappt sich Obwalden mit 288.50 Franken.
- Den starken Anstieg der Durchschnittsprämien erklärt sich der Bund mit unerwartet stark gestiegenen Gesundheitskosten, insbesondere auch in diesem Jahr. Im ersten Halbjahr 2023 sind die Kosten im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 um 6,4 Prozent gestiegen. «Mehr Arztbesuche, mehr ambulante Spitalleistungen, mehr und teurere Medikamente haben zu diesen hohen Kosten geführt», schreibt der Bund. Für das ganze Jahr rechnen die Versicherer mit einem Kostenwachstum von 5,3 Prozent.
- Schuld ist zudem ein gewisser Nachholbedarf. Da letztes Jahr viele Versicherte die Krankenkasse gewechselt haben, um Prämien zu sparen, stiegen diese 2023 durchschnittlich tatsächlich nur um 5,4 Prozent statt der angekündigten 6,6 Prozent. Das führt zu tieferen Prämieneinnahmen, was nun ausgeglichen werden muss.
Braucht es eine Einheitskasse?
Braucht es eine Einheitskasse? Der Bundesrat lehne eine Einheitskasse ab, sagt Berset. Es sei aber erstaunlich, welche neuen Stimmen mit dieser Idee spielen würden. «Ich kann mir vorstellen, dass es in Zukunft ein Thema sein wird.»
Auch bei der Frage von einkommensabhängigen Prämien könne es künftig eine Dynamik geben, vermutet er. Darauf wird Berset zumindest als Gesundheitsminister keinen Einfluss mehr haben, da er Ende Jahr zurücktritt.
Die Medienkonferenz ist damit beendet. Hier kannst du demnächst eine Zusammenfassung lesen.
Hat sich Berset zu wenig engagiert?
Hat sich Berset zu wenig engagiert – etwa bei der Prävention oder der Digitalisierung? Nein, findet Berset. So sei das Präventionsbudget verdoppelt worden. Eine Niederlage sei aber das elektronische Patienendossier gewesen, räumt er ein.
Allerdings habe die Pandemie alles über den Haufen geworfen. Da habe man aber bei der Digitalsierung rascher vorwärts machen müssen und schnell ein Covid-Dashboard aufgebaut. Nun nehme man für das elektronische Patientendossier einen neuen Anlauf.
Und: «Ich bin seit 12 Jahren hier und übernehme Verantwortung», sagt Berset. Deshalb stehe er ja auch bei der Prämienverkündigung hin.
Aber nicht alles liege in seiner Verantwortung – etwa bei den Spitälern, für welche die Kantone zuständig seien.
«Es ist nicht alles schiefgelaufen»
«Ich habe alles gemacht, was ich tun konnte in den letzten zwölf Jahren», blickt Berset zurück. Er habe immer versucht, die Dinge voranzubringen. Aber es gebe viele Akteuere mit viel Gewicht.
Er erinnert aber auch daran, dass es in den Vorjahren teils auch recht ruhig gewesen sei rund um die Prämien. Doch in der jetzigen Situation sei das Ziel, alle Akteure an einen Tisch zu bringen.
Ob er gescheitert sei? Das sei schwierig zu beantworten, findet Berset. «Es gab schon Rückschläge, aber auch Erfolge.» Zu den Erfolgen zählt er die Tarmed-Revision von 2017, womit eine halbe Milliarde eingespart worden sei. Auch bei den Medikamenten sei 1 Milliarde eingespart worden. «Es ist nicht alles schiefgelaufen.»
Es sei eine gemischte Bilanz, die er ziehen könne.
«Bitte keine Revolution»
Es brauche nun eine starke Erhöhung der Transparenz, so Berset. Man müsse nachvollziehen können, was wo geschehe. Aber leider seien die Kosten- und Qualitätsziele im Parlament einmal mehr verwässert worden.
Auch in anderen Bereichen seien die Vorschläge nicht umgesetzt worden. Damit das Sytsem nachhaltig bleibe, brauche es nun Massnahmen, mahnt er die Akteure.
Es brauche keine Revolution, denn die Schweiz habe «ein sehr gutes Gesundheitssystem». Dieses dürfe man nicht demontieren. «Bitte keine Revolution», betont Berset nochmals. Aber man müsse dafür sorgen, dass der Zugang gewährt bleibe. «Wir müssen viel dezidierter versuchen, die Kosten im Griff zu haben.»
Leistungskatalog nicht antasten!
Nun steht die Fragerunde an. Mit den generellen Preissteigerungen werde es für viele «sehr schwierig», betont Berset. Seit Jahren bringe der Bundesrat Kostendämpfungsmassnahmen, von denen im Parlament dann nicht mehr viel übrig bleibe, ärgert er sich. Bei den Prämienverbilligungen gebe es zudem grosse Unterschiede. Manche Kantone hätte diese erhöht, andere gekürzt.
«Es war mir immer ein Anliegen, den Leistungskatalog nicht anzutasten», betont Berset. Das wäre zwar eine einfache Massnahme gewesen, aber «sehr schlecht für die Bevölkerung.» Ein Teil der Bevölkerung könne sich dann geiwsse Leistungen einfach nicht mehr leisten. Da habe er nicht gewollt.
«Der Kostenanstieg ist ein Warnsignal!»
Die Prämien steigen zwar überall, aber nicht in allen Kantonen gleich stark. Ein Teil des Anstiegs sei erklärbar. So verweist auch Lévy auf die alternde Bevölkerung. Ebenso, dass dank des Fortschritts mehr Krankheiten behandelt werden könnten.
Die kantonalen Unterschieden hätten teils mit der Bevölkerungszusammensetzung zu tun, aber auch mit der Angebotsdichte.
Es brauche eine bessere Koordination und Prävention, so Lévy. So könne man die Kosten gezielt senken. «Der jetzige Kostenanstieg ist ein Warnsignal!»
Lévy mahnt zum Sparen
Das Gesundheitswesen müsse bezahlbar bleiben, mahnt BAG-Direktorin Anne Lévy. Deshalb seien nun alle Akteure gefordert, bei Sparmassnahmen mitzuhelfen.
Das Reservepolster der Krankenkassen sei zudem weg. Damit könne der Prämienanstieg nicht mehr abgefedert werden.
Appell von Berset
Berset appelliert an alle Akteure im Gesundheitswesen, bei den Kostendämpfungsmassnahmen mitzuhelfen.
Bund zahlt 3,3 Milliarden für Prämienverbilligungen
Berset geht auch auf die Prämienverbilligungen ein. Alleine der Bund setzte nächstes Jahr 3,3 Milliarden Franken dafür ein – etwa 300 Millionen mehr als bisher.
«Ärzte haben sich wenig kompromissbereit gezeigt»
«Die Ärzte haben sich wenig kompromissbereit gezeigt», liest Berset den Ärzteverbänden die Leviten. Aber auch die Patienten müssten sich selber an der Nase nehmen und schauen, wann ein Arztbesuch wirklich nötig sei. Oder man zuerst zum Hausarzt statt zum Spezialisten gehe.