Es scheint kein Ende zu nehmen. Der nächste Prämienschock steht schon wieder bevor. Er dürfte per 2024 ähnlich hoch ausfallen wie dieses Jahr, wie frühere Berechnungen des Vergleichsdienstes Comparis zeigen. Im Schnitt um 6 Prozent, bei einigen Kassen gar um über 10 Prozent.
Nun schlägt der Westschweizer Konsumentenschutz Alarm. Die Fédération romande des consommateurs fordert, dass die Krankenkassenprämien eingefroren werden. Der Bundesrat soll dazu Notrecht anwenden.
Generalsekretärin und Grünen-Nationalrätin Sophie Michaud Gigon (48) nennt zwei Hauptgründe für die drastische Forderung: So steige die Belastung kleiner und mittlerer Einkommensklassen bereits wegen höherer Mieten, höherer Energie-, ÖV- und Lebensmittelpreise stark an. Und nun zeichne sich auch noch ab, dass die Krankenkassenprämien erneut viel teurer werden. «So kann es nicht weitergehen», sagt Michaud Gigon gegenüber den Zeitungen von CH Media.
Parlament zu Gesundheitsreformen zwingen
Und zweitens: In der ablaufenden Legislaturperiode seien einmal mehr sämtliche Reformversuche gescheitert. «Immer, wenn es darum geht, im Gesundheitswesen kostendämpfende Massnahmen zu beschliessen, stellt sich eine Interessengruppe quer», so Michaud Gigon. «Einmal die Pharmaindustrie, dann die Krankenkassen und die Spezialärzte. Sie schaffen es, eine Mehrheit des Parlamentes für sich zu gewinnen.»
Doch: Nur weil die Prämien eingefroren würden, würden deswegen die Gesundheitskosten nicht weiter ansteigen. Das ist auch Michaud Gigon klar. Die Differenz müsse aber gerechter aufgeteilt werden, findet sie. Die Prämienzahlenenden trügen bereits zwei Drittel der Kosten.
Die nächsten Schritte würden bereits diskutiert. Die Einfrierung der Prämien soll aufgehoben werden, wenn das Parlament es geschafft habe, die Kosten im Gesundheitswesen zu reduzieren.
Unterstützung findet Michaud Gigon bei SP-Nationalrat und Gewerkschaftsbund-Präsident Pierre-Yves Maillard (55): Die bürgerliche Mehrheit im Parlament habe in der Gesundheitspolitik versagt. Nun sei entscheidend, dass ein griffiger Gegenvorschlag zur Initiative der SP beschlossen werde. Diese will, dass niemand mehr als zehn Prozent des verfügbaren Einkommens für die Krankenversicherung ausgeben muss.
Maillard betont, dass er die Schwelle von zehn Prozent als früherer Gesundheitsdirektor im Kanton Waadt eingeführt habe. Jetzt gebe der Kanton mehr Geld für Prämienverbilligungen aus.
Widerstand von bürgerlicher Seite
Gleichzeitig berät das Parlament eine Initiative der Mitte, wonach Bund und Kantone Massnahmen zur Kostensenkung ergreifen sollen, sobald die Kosten in der obligatorischen Krankenversicherung um einen Fünftel mehr ansteigen als die Nominallöhne.
Mitte-Präsident Gerhard Pfister (60) ist denn auch einverstanden, dass das Parlament bei Gesundheitsreformen nicht vorangekommen sei. Aber ein Einfrieren der Prämien bringe nichts: «Die Initiative der Mitte zwingt den Bund einzugreifen, wenn die Gesundheitskosten stark ansteigen. Darum ist sie ein wirksames Instrument.»
Für «sinnlos» hält denn auch FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt (29) die Forderung nach dem Einfrieren der Krankenkassenprämien: «Will der Konsumentenschutz auch einen Behandlungsstopp? Kosten werden ja weiterhin verursacht.»
Für Silberschmidt sollten mehr ambulante statt stationäre Behandlungen durchgeführt werden. Alternative Versicherungsmodelle seien zu erweitern und attraktiver zu gestalten. «Und den Vertragszwang zwischen Krankenkassen und Ärzten kann man aufheben», sagt der Freisinnige – wohl wissend, dass das Parlament diese Forderung mehrmals abgelehnt hat.
SVP-Nationalrat Thomas de Courten (57) aber sieht das ähnlich: Den Vertragszwang könne man lockern. «Die Prämien einzufrieren, würde aber bedeuten, den Kopf in den Sand zu stecken», wird er zitiert.
Als sinnvoller erachtet er, die Mehrfachrolle der Kantone im Gesundheitswesen aufzuheben. Zudem brauche es eine einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Behandlungen.
An Vorschlägen zur Senkung der Gesundheitskosten mangle es also nicht, folgert CH Media. Nur: Das Parlament müsste sich auch einmal auf einen Ansatz einigen. (dba)