Es ist ein heisser Sommer, doch das Zittern beginnt bereits wieder. Im Herbst wird Gesundheitsminister Alain Berset (51) verkünden, um wie viel die Krankenkassenprämien im nächsten Jahr steigen – mehr als sieben Prozent dürfte es sein. Für immer mehr Menschen werden die Gesundheitskosten zu einem grossen Problem.
Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt (55, ZG) will nun nicht weniger als einen Systemwechsel: In einem Vorstoss fordert sie den Bundesrat auf, die Krankenkassenprämien neu einkommens- und vermögensabhängig zu gestalten. Bedeutet: Wer mehr verdient, zahlt mehr Prämien – wer weniger verdient, dementsprechend weniger.
«Das ist doch absurd»
«Ein Milliardär zahlt heute für die Grundversicherung gleich viel wie eine Migros-Verkäuferin. Das ist doch absurd», sagt Weichelt. Sie verweist auf andere Länder wie Deutschland, wo die Prämien bereits jetzt vom Einkommen abhängen. «Auch in der Schweiz wäre dieses System nicht neu.» Wer arbeitet, bezahlt nämlich die Prämien für die Nichtbetriebsunfallversicherung je nach Lohn. «Warum sollen wir Krankheit nicht gleich finanzieren wie Unfall?»
Die Prämien seien für einen grossen Teil der Bevölkerung nicht mehr tragbar, so Weichelt. Auch das System der Prämienverbilligungen funktioniere nur ungenügend. Mit dem neuen System würde kein «Bürokratie-Monster» entstehen, ist sich die Nationalrätin sicher. «Im Gegenteil, damit würde der riesige administrative Aufwand für die Prämienverbilligung wegfallen.»
Silberschmidt warnt vor Überkonsum
Der Vorschlag kommt nicht überall gut an. «Beim Bäcker bekomme ich das Brot auch nicht günstiger, nur weil ich weniger verdiene», sagt FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt (29, ZH). Prämien künstlich zu vergünstigten, schaffe falsche Anreize. «Wer für sein Brot weniger bezahlt, kauft tendenziell mehr ein. Im Gesundheitswesen kann eine Gratismentalität zu Überkonsum führen. Das bezahlt dann die restliche Bevölkerung.»
Die Prämienverbilligungen würden funktionieren. «Unser System entlastet gezielt und in grossen Summen die tiefen Einkommen.» Jährlich gebe die Schweiz gleich viel für Prämienverbilligungen aus wie für die Armee.
In einem Punkt sind sich Silberschmidt und Weichelt einig: «Die steigenden Prämien sind ein Problem.» Für den FDP-Nationalrat stehen jedoch andere Lösungen im Vordergrund. «Die Politik müsste unwirksame Leistungen aus der Grundversicherung streichen, damit die Prämien abnehmen.» Auch bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen bestehe Sparpotenzial.