CVP-Bundesrat brachte die Idee einst ins Parlament
Prämiendeckel stammt aus bürgerlicher Küche

Die SP verlangt mit ihrer Volksinitiative eine 10-Prozent-Prämiendeckel bei den Krankenkassen-Kosten. Die Idee einer Obergrenze reicht weit zurück. Der frühere CVP-Bundesrat Flavio Cotti brachte den Vorschlag einst ins Parlament – mit 8 Prozent als Zielgrösse.
Publiziert: 28.05.2024 um 00:04 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2024 um 07:35 Uhr
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Am 9. Juni entscheidet das Stimmvolk über die Prämienentlastungs-Initiative.
Foto: Keystone
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Am Anfang stand ein Versprechen: Mehr Solidarität sollte das neue Krankenversicherungsgesetz ab 1996 bringen. Mehr Solidarität zwischen den Versicherten – durch ein Obligatorium für alle. Mehr Solidarität zwischen den Geschlechtern, den Generationen sowie Kranken und Gesunden – durch eine für alle gleich hohe Kopfprämie. Und mehr Solidarität zwischen Arm und Reich – durch individuelle Prämienverbilligungen für Einkommensschwächere.

Gerade auf Letzteres fokussiert nun auch die Prämienentlastungs-Initiative der SP, die am 9. Juni an die Urne kommt. Mit einem Prämiendeckel von maximal 10 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens will sie die Bevölkerung von den steigenden Krankenkassen-Kosten entlasten. «Wenn man einfach nichts macht, steigen die Prämien immer weiter, ohne Ende», sagt SP-Co-Chefin Mattea Meyer (36). «Der breite Mittelstand kann diese Last nicht mehr tragen.» Und sie wird nicht müde zu betonen, dass der Bundesrat selbst einst einen Prämiendeckel von 8 Prozent einführen wollte.

CVP-Bundesrat brachte Prämiendeckel ein

Fakt ist: In seiner Botschaft von 1991 brachte der Bundesrat unter dem damals für das Dossier zuständigen CVP-Gesundheitsminister Flavio Cotti (1939–2020) tatsächlich einen Prämiendeckel ins Spiel. «Die Solidarität zwischen Personen mit unterschiedlichen Einkommen wird durch das vorgeschlagene Subventionierungssystem spürbar verbessert», schrieb die Landesregierung damals. «Alle Versicherten zahlen den Gesamtbetrag ihrer Prämie, doch wird denjenigen, bei denen die Prämie einen bestimmten Prozentsatz ihres Einkommens übersteigt, vom Staat die Differenz zwischen dieser Grenze und dem effektiven Prämienbetrag zurückerstattet.»

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Sämtliche Bundessubventionen würden, ergänzt durch einen kantonalen Anteil, für diesen sozialen Ausgleich aufgewendet. Der Bund sollte dafür rund 2 Milliarden, die Kantone 1 Milliarde Franken aufwerfen.

Grenzwert bei 8 Prozent

Allerdings sollten die Kantone jeweils selbst einen Prämiendeckel definieren, «ab welchem als Prozentsatz des steuerbaren Einkommens definiertem Grenzbetrag die Prämienverbilligung erfolgt». Der Bundesrat zielte dabei auf einen Grenzwert von 8 Prozent. «Danach würde also kein Haushalt mehr als 8 Prozent seines steuerbaren Einkommens für Prämien der obligatorischen Krankenpflegeversicherung aufzubringen haben», so die Botschaft. 61 Prozent der Versicherten und 53 Prozent der Haushalte hätten dabei von einer Prämienverbilligung profitiert.

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Allerdings verpasste es Cotti, ein verbindliches 8-Prozent-Ziel im Gesetz zu fixieren. Stattdessen relativierte er die Vorgabe. «Sollten auch in Zukunft die Prämien der Krankenpflegeversicherung stärker ansteigen als die Löhne, werden entweder mehr Mittel der öffentlichen Hand für die individuelle Prämienverbilligung aufzubringen sein, oder es wird der Prozentsatz des steuerbaren Einkommens sukzessive anzuheben sein», heisst es dazu. In seinen Szenarien rechnet der Bundesrat damit, dass der Prämiendeckel ohne zusätzliche Gelder innert weniger Jahre auf 10 Prozent oder gar noch höher angehoben werden müsste.

Nationalrat kippte Vorgabe

In der Parlamentsdebatte regte ein SP-Ständerat vergeblich an, die Limite für die Kantone verbindlich auf 7 bis 9 Prozent anzusetzen. Der Nationalrat – mittlerweile hatte Ruth Dreifuss (84) das Innendepartement von Cotti übernommen – strich den Prämiendeckel gleich ganz aus dem Gesetz, um den Kantonen bei der Umsetzung der Prämienverbilligung «freie Hand» zu lassen.

Diesen wurde nur noch vorgeschrieben, den Versicherten «in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen» Prämienverbilligungen zu gewähren. Dabei sollten sie selber entscheiden, «wie sie diesen Kuchen verteilen wollen», wie die Kommissionssprecherin ausführte. «Die Kantone sollen selber bestimmen können, ob sie vielen wenig oder wenigen viel geben wollen.»

Doch der Druck blieb bestehen. Anfang Jahrtausend brachte der Ständerat ein 8-Prozent-Sozialziel ein. Der Nationalrat setzte ein abgestuftes Modell durch, welches einen Rahmen von 2 bis 12 Prozent vorsah. Die KVG-Reform wurde schliesslich aus anderen Gründen im Parlament versenkt.

14 Prozent im Schnitt

Angesichts der steigenden Prämienlast flackert die Idee aber immer wieder auf. Das letzte Monitoring des Bundes für das Jahr 2020 zeigt, dass die Prämienzahlungen bei tieferen Einkommen im Schnitt immer noch 14 Prozent des Haushaltsbudgets wegfressen – notabene nach Abzug der Prämienverbilligung. Der Anteil dürfte nach dem massiven Prämienanstieg der letzten Jahre weiter gestiegen sein.

Mit der Prämienentlastungs-Initiative steht die Problematik wieder zuoberst auf die Agenda. Die Entscheidung, ob ein 10-Prozent-Deckel – wie ihn bereits die Kantone Graubünden und Waadt kennen – schweizweit eingeführt werden soll, liegt nun beim Volk. Gemäss jüngsten Umfragen ist der Ausgang offen.

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