Die SP kommt aus dem Tränental. Nach ihrem historisch schlechtesten Ergebnis bei den Nationalratswahlen 2019 geht es wieder aufwärts. Mit 17,8 Prozent legt sie um 1 Prozentpunkt zu und festigt so den zweiten Platz hinter der SVP, wie das neuste SRG-Wahlbarometer zeigt.
Auch die SVP legt um 1 Prozentpunkt auf 26,6 Prozent zu und sichert sich den ersten Platz. Zu den Gewinnerinnen gehören auch die FDP mit neu 15,6 und die GLP mit 8,3 Prozent. Beide machen ein halbes Prozent vorwärts.
Auf der Verliererseite hingegen stehen die Mitte mit noch 13,3 Prozent (-0,5) und die Grünen. Letztere müssen mit einem satten Verlust von 2,5 Prozentpunkten rechnen – bleiben mit 10,7 Prozent aber über der magischen 10-Prozent-Hürde.
Bürgerliche nervös
Das Wahlbarometer hat einen Haken: Das CS-Beben findet in den Resultaten keinen Niederschlag, da die Umfrage schon am 5. März abgeschlossen wurde. Die jetzigen Umwälzungen waren da nicht absehbar.
Da fragt sich, welchen Einfluss das Debakel auf die Wahlen hat. Die Nervosität im Bundeshaus ist gross. Das zeigen die Attacken unter den bürgerlichen Parteien. Während die SVP den «FDP-Filz» kritisiert, schieben die Freisinnigen dem früheren SVP-Finanzminister Ueli Maurer (72) die Verantwortung zu, weil er zu wenig hingeschaut habe.
Steilpass für SP
Lachende Dritte ist die SP. Die CS-Misere sei für die Linke ein politischer Steilpass, urteilen bürgerliche Parlamentarier. Ein Steilpass, den die SP bereits zu nutzen versucht: So vertwittern die Genossinnen und Genossen derzeit genüsslich das Abstimmungsresultat zu einer linken Motion, die ein Boni-Verbot für systemrelevante Banken forderte. Alle bürgerlichen Parteien lehnten den Vorstoss 2018 praktisch geschlossen ab – auch die FDP, die nun im Fall CS vehement ein Boni-Verbot verlangt.
Vorteil SP – das sieht auch Sotomo-Politologe Michael Hermann (51) so, der für das SRG-Wahlbarometer verantwortlich ist. «Das CS-Versagen hat das Vertrauen in die Marktwirtschaft nicht gerade gestärkt», sagt er zu Blick. «Das sorgt bei der SP für Rückenwind, weil sie schon lange bankenkritische Positionen vertritt.»
Er geht aber davon aus, dass die SP auf Kosten der Grünen weiter zulegen könnte und sich die Lücke innerhalb des links-grünen Lagers weiter vergrössert. «Rücken Wirtschaftsthemen in den Fokus, hilft dies stärker der SP als den Grünen», so Hermann.
FDP im Fokus
Nicht nur die Grünen hält die SP auf Distanz, sondern auch die FDP. Die Freisinnigen dürften ihr Ziel, zweitstärkste Kraft zu werden, kaum noch erreichen. Im Bundeshaus rechnen bürgerliche Politiker damit, dass die FDP wegen der CS-Misere am meisten zittern muss.
«Nicht unbedingt», findet hingegen Politologe Hermann. «Die FDP ist nicht mehr die klassische Bankenpartei wie früher.» Bereits der einstige Parteichef Philipp Müller (70) habe für eine Distanzierung zum Finanzplatz gesorgt. «Und der jetzige Chef Thierry Burkart ist rasch mit harten Forderungen in die Offensive gegangen, um Schaden abzuwenden.» Trete die FDP nun als kompetente Wirtschaftspartei auf, könne sie die vermeintliche Schwäche gar in Stärke umwandeln. Eine Gratwanderung also.
Wie lange hallt das CS-Beben nach?
Offen ist, ob das CS-Beben bei den Wahlen im Herbst noch nachhallt und für Erschütterungen sorgt. «Wenn sich die Situation stabilisiert und keine Wirtschaftskrise folgt, ist der jetzige Ärger im Herbst wieder verraucht», so Hermann.
Und so könnten andere Themen an Gewicht gewinnen. Die Zuwanderung beispielsweise, die im Wahlbarometer bereits an Bedeutung zugenommen hat. Oder die Klima-Frage, sollte es wieder einen Hitzesommer geben.