Als Vater der Abzocker-Initiative ist der parteilose Ständerat Thomas Minder (62, SH) ein harter Kritiker der Grossbanken. Gerade erst in der Frühlingssession hat er einen Vorstoss eingereicht, in dem er verlangt, dass Bund und Nationalbank kein privates Finanzinstitut mehr mit ausserordentlichen Sondermassnahmen vor dem Konkurs retten dürfen. Umso grösser ist nun sein Ärger über den am Sonntag präsentierten Unterstützungsplan für die Credit Suisse.
BLICK: Herr Minder, das Swissair-Grounding 2001 war der Auslöser für Ihre Abzocker-Initiative. Wie beurteilen Sie den Fall CS?
Thomas Minder: Wir erleben gerade ein CS-Grounding. Und das ärgert mich gewaltig, denn in den vergangenen Jahrzehnten hat es genügend Warner gegeben. Es kann nicht sein, dass der Verwaltungsrat ungeschoren davonkommt. Bisher wurde kein einziger zur Rechenschaft gezogen – bei der Swissair nicht, bei der UBS nicht und jetzt bei der CS nicht. Dabei müsste man den CS-Verwaltungsrat anklagen. Leider ist das in der Schweiz nicht möglich. Das müsste man ändern.
Wie?
Es braucht eine Organhaftung bis hin zum Privatvermögen. Das fordere ich schon lange. Es kann doch nicht sein, dass diese Personen bei solchen Verwerfungen und Fehlern nicht belangt werden. Da steckt nicht einfach Dummheit dahinter, sondern kriminelle Energie. Wenn ich genügend Geld hätte, würde ich eine neue Volksinitiative starten.
Sie orten den Fehler beim Verwaltungsrat. Hätte nicht auch die Finma oder die Nationalbank früher eingreifen müssen?
Die Hauptverantwortung liegt beim Verwaltungsrat. Er hat die Oberaufsicht und muss für die Kontrolle sorgen. Aber auch die Finma kann man einstampfen, wenn sie nicht besser hinschaut. Ebenso die Revisionsstelle oder die Ratingagenturen, die alle nichts sehen wollten. Aber die Grossbanken sind derart intransparent mit hochgefährlichen Produkten, dass diese niemand mehr versteht. Der Verwaltungsrat muss dafür gerade stehen.
Die UBS übernimmt die CS. Ist das die richtige Lösung?
Nein, sicher nicht! Statt die Too-big-to-fail-Problematik zu lösen, ermöglicht der Bund eine noch grössere Elefantenhochzeit. Es entsteht eine neue Mammutorganisation. Dabei sind es immer wieder riesige Banken, die die Weltwirtschaft ins Wanken bringen.
Der Bund schiesst notfalls Milliardensummen ein.
Das ist ein riesiger Fehler. Der Bund darf doch eine solche Idiotenfirma nicht retten! Eine Bank muss Konkurs gehen können – wie alle anderen Unternehmen. Die CS mit Steuergeldern zu retten, ist ein falsches Signal. Mir tut jeder Franken weh, den der Bund hier investiert.
Der Bund muss an die volkswirtschaftlichen Folgen denken. Er kann die CS nicht fallen lassen.
Man hätte schon 2008 die UBS nicht retten dürfen und Konkurs gehen lassen sollen. Und bisher hat die Massnahme ja nichts genützt. Es gibt keine Stabilisierung. Es besteht weltweit Panik, wenn man sich die Aktienkurse der Bankentitel ansieht.
Nun müssen die Aktionäre bluten. Sie haben zum Deal nichts zu sagen.
Das ist schon fast eine Enteignung via Notrecht. Das finde ich unglaublich. Es trifft alle, weil unser Geld auch über den AHV-Fonds und Pensionskassen in der CS investiert ist. Ich selber halte auch einige CS-Aktien, damit ich jeweils an der Generalversammlung mitreden kann.
Die Aktionäre sind an der Misere doch mitschuldig, weil sie die CS-Oberen haben gewähren lassen.
Natürlich tragen die Aktionäre eine Mitschuld. Sie haben die falschen Leute gewählt und während Jahren überzogene Vergütungen durchgewunken.
Dann war Ihre Abzocker-Initiative ein Schuss in den Ofen?
Dass die CS-Aktionäre dem Verwaltungsrat immer wieder die Decharge erteilt und selbst bei grösstem Missmanagement hohe Vergütungen durchgewunken haben, da verstehe ich die Welt nicht mehr. Offenbar muss man auch die Aktionäre bevormunden. Als Eigner stehen die Aktionäre tatsächlich in der Mitverantwortung. Aber ich betone nochmals: Der Verwaltungsrat trägt die Hauptverantwortung für das Desaster.
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Die CS-Aktionäre erhalten etwa 76 Rappen pro Aktie. Finden Sie das okay?
Nein, man sollte den Preis dem Markt überlassen. Es ist unglaublich, dass der Staat diese kaputte Bank am Leben erhält. Da wird Bundesbern noch gewaltig aktiv werden.
Was muss geschehen? Eine Forderung sind etwa höhere Eigenmittel.
Höhere Eigenmittel oder risikogewichtetes Eigenkapital bringen nichts. Das ist völliger Blödsinn. Wir müssen das Too-big-to-fail-Problem lösen, indem wir die Grossbanken zerschlagen. Das heisst: Auch die UBS muss zerschlagen werden. Eine Möglichkeit ist ein Trennbankensystem. Es darf keine grössere Bank mehr geben. Stellen Sie sich vor: Was passiert, wenn auch die UBS ins Strudeln gerät? Wir müssen verhindern, dass je wieder eine Bank vom Staat gerettet wird. Es braucht ein Rettungsverbot.
Braucht es auch eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK)?
Da bin ich etwas hin- und hergerissen. Wohl eher nicht. Was wir aber anschauen müssen, ist die Anwendung von Notrecht. Das stammt eigentlich aus Kriegszeiten. Doch in jüngster Zeit haben wir es bei der Swissair, der UBS, der Corona-Pandemie und nun bei der CS angewendet. Wir müssen das Notrecht genauer regeln. Es geht nicht, dass der Bundesrat darauf zurückgreift, nur weil die CS einen Vertrauensbruch erlitten hat.