Auf einen Blick
- Finanzierung der 13. AHV-Rente und Ehepaarrenten im Fokus
- Witwenrenten sollen gekürzt werden, SVP fordert Gegenleistung
- Bundesrätin Baume-Schneider gleist grosse AHV-Reform für 2030 auf
SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (61, SP) hat ein anspruchsvolles Jahr hinter sich. Geprägt von Auseinandersetzungen um die Altersvorsorge und die Gesundheitspolitik.
Zeit zum Ausruhen bleibt ihr aber nicht, denn das wichtigste Sozialwerk steht dieses Jahr noch stärker im Fokus. Die AHV wird zur Kampfzone!
Blick erklärt, welche Projekte anstehen und wie die Fronten dabei verlaufen.
Finanzierung der 13. AHV-Rente
Mit dem Ja des Stimmvolks zur 13. AHV-Rente feierten die Gewerkschaften um SP-Ständerat Pierre-Yves Maillard (56) einen historischen Erfolg. Im Dezember 2026 wird die «Dreizehnte» das erste Mal ausbezahlt. 4 bis 5 Milliarden Franken wird der Zustupf jährlich kosten. Ohne Zusatzeinnahmen schmelzen die Reserven im AHV-Fonds bald einmal dahin.
Der Streit um die Finanzierung ist längst entbrannt. Der Bundesrat will die 13. AHV-Rente mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte sichern. FDP und SVP hingegen wollen abwarten, bis die nächste grosse AHV-Reform vorliegt – bis dahin soll das Geld aus dem AHV-Fonds genommen werden.
Mitte-Links wälzt eine andere Idee: eine Mischvariante mit zusätzlichen Lohnprozenten und einer höheren Mehrwertsteuer. Die ständerätliche Sozialkommission lässt eine entsprechende Variante prüfen. Während die SP die Lohnprozente als sozialere Finanzierung anzapfen will, hat die Mitte dabei bereits die Finanzierung für ihre eigene Volksinitiative für bessere Ehepaarrenten im Blick. Deshalb lassen die Ständeräte auch prüfen, ob Lohnprozente von der gut dotierten Arbeitslosenversicherung in die AHV umgeleitet werden können.
In ihrer Sitzung Ende Januar dürfte sich die ständerätliche Sozialkommission mit den Berichten befassen, dann geht das Ringen um die Finanzierung weiter. Allenfalls schon in der Frühlingssession könnte die kleine Kammer Nägel mit Köpfen machen.
Entschieden wird dann auch, ob der Bundesbeitrag an die AHV von heute 20,2 Prozent auf neu 19,5 Prozent der Ausgaben der ersten Säule sinken soll, wie das der Bundesrat möchte. Statt rund 850 Millionen Franken müsste der Bund so noch rund 450 Millionen Franken für die 13. AHV-Rente auslegen.
Höhere Renten für Ehepaare
Der nächste AHV-Ausbau steht schon vor der Tür. Die Mitte will mit einer Volksinitiative die Deckelung der Ehepaarrenten bodigen. Das Problem: Ehepaare erhalten heute maximal 150 Prozent einer Altersrente – also höchstens 3780 Franken monatlich. Konkubinatspaare hingegen bekommen zwei separate Einzelrenten von bis zu 2520 Franken, zusammen also 5040 Franken. Macht ein Minus von 1260 Franken für Verheiratete. Die Mehrkosten belaufen sich auf gut 4 Milliarden Franken jährlich.
Das Anliegen geniesst durchaus Sympathien von links bis rechts. So passt die AHV-Heiratsstrafe auch der SVP nicht in die Tüte. Offen zeigt sich auch die SP für eine Anpassung. «Diese Initiative beseitigt eine Ungerechtigkeit – besonders, wenn der Bundesrat die Witwenrente infrage stellt», sagte SP-Ständerat Maillard im Blick-Interview. Selbst die FDP lässt einen Türspalt offen, wenn dafür im Gegenzug AHV-Privilegien für Verheiratete – wie etwa der Verwitwetenzuschlag – gestrichen werden.
Der Bundesrat lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Bis Ende März muss Baume-Schneider einen Botschaftsentwurf dazu vorlegen. Es ist gut möglich, dass das Parlament selber einen Gegenvorschlag zimmert und den Ehepaar-Plafonds beispielsweise auf 175 Prozent erhöht.
Witwenrenten kappen
Der Bundesrat wälzt auch Sparpläne in der AHV: Die Hinterlassenenrenten will er massiv beschränken und so bis 2030 jährlich bis zu 350 Millionen Franken bei der AHV sparen. Längerfristig werden die Einsparungen gar auf gegen eine Milliarde Franken steigen. Witwen und Witwer sollen künftig nämlich keine lebenslangen Hinterlassenenrenten mehr erhalten.
Eine Rente erhalten sie maximal nur noch bis zum 25. Geburtstag des jüngsten Kindes. Länger nur, wenn ein erwachsenes Kind mit Behinderung betreut wird. Laufende Renten für Witwen ab 55-jährig bleiben zwar bestehen. Jüngeren Verwitweten ohne unterhaltsberechtigte Kinder soll die heutige Rente aber nach einer Übergangsphase von zwei Jahren gestrichen werden.
Die Gesetzesanpassung steht auf wackligen Beinen. Die Linke läuft gegen die Abbaupläne Sturm, der Verwitweten-Verein Aurora übt ebenfalls Kritik.
Und die SVP hat eine imposante Kehrtwende hingelegt: Nachdem sie die Vorlage in der Vernehmlassung noch begrüsst hatte, gibt nun der neue SVP-Chef Marcel Dettling (43) den Takt vor. «Der Bund muss zuerst bei sich ansetzen, bevor er auf dem Buckel der Witwen spart», plädiert er für einen Deal. Den Witwenrenten-Abbau soll es nur geben, wenn im Gegenzug die Ehepaarrenten erhöht werden. Die Decklung soll von heute 150 auf mindestens 175 Prozent steigen.
Die nationalrätliche Sozialkommission hat das Geschäft vorerst sistiert. Sie will zuerst die Botschaft zur Mitte-Initiative abwarten und verschiedene Fragen zur Situation von Verwitweten geklärt haben.
AHV-Kinderrenten abschaffen
Rentner erhalten für Kinder bis maximal 25-jährig eine Alterskinderrente. Diese beträgt 20 Prozent der Altersrente. Über 230 Millionen Franken kostet dies die AHV jährlich. Der Nationalrat will diese Zusatzrenten abschaffen und stattdessen die Ergänzungsleistungen für Eltern mit Unterhaltspflichten erhöhen. Die grosse Kammer hat einer entsprechenden Motion letztes Jahr zugestimmt.
Nun ist der Ständerat an der Reihe. Dessen Sozialkommission hat den Vorstoss an seiner Sitzung Ende Februar traktandiert, sodass die kleine Kammer in der Frühlingsession einen Entscheid fällen kann. Dort dürfte das Anliegen gute Chancen haben. Damit könnte es in die nächste grosse AHV-Reform einfliessen.
Die grosse Reform für 2030
Das grosse Meisterinnenstück steht Baume-Schneider noch bevor: die nächste grosse AHV-Reform. Vom Parlament hat sie den Auftrag gefasst, bis spätestens Ende 2026 eine Vorlage auszuarbeiten, welche die AHV für die Zeit von 2030 bis 2040 stabilisieren soll.
Liefern soll sie einen grossen Wurf, der einerseits die Finanzierung sichert, aber auch strukturelle Sparmassnahmen bringt. Die Bürgerlichen liebäugeln weiterhin mit einem höheren Rentenalter. Auch neue Konzepte wie ein Lebensarbeitszeit-Modell könnten dabei aufs Tapet kommen. Zudem will der Bund auch zivilstandsunabhängige AHV-Renten prüfen.
Die AHV ist im Umbruch, daher drückt Baume-Schneider aufs Gas. Sie will nicht bis 2026 warten, sondern dem Bundesrat die Eckwerte für ihre AHV-Reform noch im ersten Halbjahr 2025 präsentieren. Dabei könnte auch die Idee für eine nationale Erbschaftssteuer zugunsten der AHV aufs Tapet kommen.