Durchzogene Bilanz für SP-Bundesrätin
Wo Baume-Schneider glänzt – und wo sie stolpert

Gesundheitspolitik und Altersvorsorge – zwei happige Brocken fordern SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider in ihrem ersten Jahr als Innenministerin alles ab. Blick zieht Bilanz.
Publiziert: 19:35 Uhr
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Aktualisiert: 19:37 Uhr
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Im Innendepartement knallten am Sonntag die Korken: Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider brachte die Gesundheitsreform ins Ziel.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • In der Gesundheitspolitik kann Baume-Schneider punkten
  • Bei den Renten rumpelt es
  • Der Bundesrat stellt Baume-Schneider immer wieder ein Bein
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Im Innendepartement von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (60) knallten am Sonntagnachmittag die Korken! Die SP-Magistratin hat die grosse Gesundheitsreform über die einheitliche Finanzierung der ambulanten und stationären Leistungen (Efas) über die Ziellinie gebracht – mit 53,3 Prozent Ja. «Es ist ein wichtiger Reformschritt», zeigte sie sich vor den Medien zufrieden. «Aber es braucht weitere Reformen.»

Für Baume-Schneider ist es ein versöhnlicher Abschluss nach einem durchzogenen Jahr als neue Sozial- und Gesundheitsministerin. Dieses war von harten Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften unter Pierre-Yves Maillard (56) geprägt. Die beiden sind privat befreundet.

Viermal standen sich die beiden SP-Schwergewichte im Abstimmungskampf gegenüber. Das Resultat: ein 2:2. Die Jurassierin setzte sich in der Gesundheitspolitik durch, der Waadtländer in der Rentenfrage.

Im Gesundheitsdossier markiert sie Stärke

Es sind die beiden grossen Brocken im Innendepartement. Doch Baume-Schneider geht beide unbekümmert an. Gerade im heiss umstrittenen Gesundheitsdossier, wo die gegensätzlichen Interessen von Patienten, Ärztinnen, Krankenkassen, Spitälern oder Pharmaindustrie aufeinanderprallen, markiert die SP-Frau Stärke. 

Etwa bei der neuen Tarifstruktur Tardoc, über die ambulante Einzelleistungen abgerechnet werden. Damit sollen ab 2026 insbesondere Haus- und Kinderärzte gestärkt werden. Während Jahren haben die Tarifpartner über die Preisgestaltung gestritten. Mit ihrer «zugänglichen und lösungsorientierten Art» habe Baume-Schneider die Fronten aufgeweicht, erzählt eine involvierte Person. Und den Tarifpartnern gleichzeitig die Pistole auf die Brust gesetzt – mit der Warnung, dass sonst der Bund die Zahlen diktiert. 

Ähnliches droht am runden Tisch zur Kostendämpfung, der ab 2026 jährlich für neue Einsparungen von 300 Millionen Franken sorgen soll. Einigen sich die Leistungserbringer nicht selber auf Massnahmen, will die Gesundheitsministerin einseitig durchgreifen. 

Wermutstropfen bleibt

Und eben: An der Urne hat sie sämtliche Gesundheitsvorlagen gewonnen. Sie hat nicht nur die Efas-Reform durchgebracht, sondern auch Maillards Prämienentlastungs-Initiative und Mitte-Chef Gerhard Pfisters (62) Kostenbremse-Initiative gebodigt.

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Zudem stehen die Chancen gut, dass sie im Parlament mit neuen Kostendämpfungsmassnahmen einen Coup landet. So könnte ein Mengenrabatt auf besonders umsatzstarke Medikamente jährlich Einsparungen von 300 bis 400 Millionen Franken bringen. 

Trotz allem werden die Gesundheitskosten weiter steigen – und so wird Baume-Schneider im Herbst wieder einen Prämienanstieg verkünden müssen. Ein weiterer Wermutstropfen bleibt: Die bürgerliche Bundesratsmehrheit hat ihr eine Strafaufgabe aufs Auge gedrückt. Gegen ihren Willen muss sie sich für eine höhere Mindestfranchise engagieren. 

Wirren um AHV

Auch in der Rentenpolitik grätscht ihr die rechte Bundesratsmehrheit in die Beine. Das zeigt sich bei der Finanzierung der 13. AHV-Rente. Die SP-Frau hätte die benötigten 4 bis 5 Milliarden Franken jährlich am liebsten nur über zusätzliche Lohnprozente finanziert. Eine soziale Lösung, da Reiche deutlich mehr zur AHV beitragen als Geringverdienende.

Doch nicht nur damit lief sie auf, sondern auch mit ihrem Kompromissvorschlag für eine gemischte Finanzierung über etwas mehr Lohnprozente und einer höheren Mehrwertsteuer. Stattdessen zwangen ihr ihre Gspänli eine reine Mehrwertsteuererhöhung auf. 

Übel spielt ihr die FDP/SVP-Viererbande auch bei der Mitte-Initiative für höhere Ehepaarrenten mit. Baume-Schneider plädierte für einen Gegenvorschlag, wurde aber abgeblockt. Für Wirrwarr sorgt zudem die geplante Abschaffung der lebenslangen Witwenrenten.

Die grösste Herausforderung steht noch bevor: Bis 2026 muss Baume-Schneider die nächste grosse AHV-Reform vorlegen. Wegen der demografischen Entwicklung muss sie neue Einnahmequellen erschliessen. Die Bürgerlichen hingegen pochen auch auf strukturelle Sparmassnahmen wie ein höheres Rentenalter oder ein Lebensarbeitszeit-Modell.

Kleine Schritte in der zweiten Säule

Kleinere Brötchen backt die SP-Frau in der zweiten Säule. Das massive Nein zu Pensionskassen-Vorlage kann sie verschmerzen. Reformen will sie nur in kleinen Schritten angehen, um für Mehrfachbeschäftigte, Teilzeitlerinnen und Geringverdienende bessere Lösungen zu finden. Doch auch hier soll zuerst ein runder Tisch frische Ansätze skizzieren. 

Fazit: In Baume-Schneiders Rentenpolitik rumpelt es gewaltig, dafür glänzt sie in der Gesundheitspolitik.

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