Auf einen Blick
- Baume-Schneider sieht Spielraum bei der Kürzung der Witwenrente
- Efas-Reform soll Gesundheitskosten langfristig senken
- Kinder-Permanence: Bundesrätin nimmt Krankenkassen und Kantone in die Pflicht
Der Besuch der Bundesrätin im Blick-Newsroom war schon lange geplant. Aber der Zeitpunkt am Freitagnachmittag hätte kaum besser sein können. Denn Gesundheits- und Sozialthemen, für die das Innendepartement von Elisabeth Baume-Schneider zuständig ist, beherrschen gerade die Schlagzeilen. Am grossen Newsroom-Screen mit den aktuellen Statistiken konnte die SP-Magistratin sehen, was die Leserschaft besonders bewegt: zuletzt allen voran die Kürzung der Witwenrente.
Der Bundesrat will die lebenslange Witwenrente abschaffen. Die Nachricht ist bei vielen Lesern und Leserinnen auf massive Kritik gestossen. Überrascht Sie das?
Elisabeth Baume-Schneider: Ich verstehe, dass dieser Entscheid von manchen als unfair empfunden wird. Man wird ja nicht freiwillig Witwe oder Witwer. Aber man muss das ganze Dossier anschauen: Ein Gerichtsurteil verpflichtet uns, die Ungleichbehandlung von Witwen und Witwern zu beseitigen. Nun hat der Bundesrat einen Weg vorgeschlagen.
Elisabeth Baume-Schneider (60) schaffte mit ihrer Überraschungswahl in den Bundesrat eine Premiere: Zum ersten Mal ist der Kanton Jura in der Landesregierung vertreten. Seit Anfang 2024 steht sie dem Innendepartement vor. Zuvor amtete sie ein Jahr lang als Justiz- und Polizeiministerin. Von 1995 bis 2002 war sie Grossrätin, von 2003 bis 2015 gehörte sie als Bildungsdirektorin der jurassischen Kantonsregierung an. 2019 wurde sie zur Ständerätin gewählt. Aufgewachsen auf einem Bauernhof in Les Bois JU, lebt sie heute in Les Breuleux JU. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.
Elisabeth Baume-Schneider (60) schaffte mit ihrer Überraschungswahl in den Bundesrat eine Premiere: Zum ersten Mal ist der Kanton Jura in der Landesregierung vertreten. Seit Anfang 2024 steht sie dem Innendepartement vor. Zuvor amtete sie ein Jahr lang als Justiz- und Polizeiministerin. Von 1995 bis 2002 war sie Grossrätin, von 2003 bis 2015 gehörte sie als Bildungsdirektorin der jurassischen Kantonsregierung an. 2019 wurde sie zur Ständerätin gewählt. Aufgewachsen auf einem Bauernhof in Les Bois JU, lebt sie heute in Les Breuleux JU. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.
Ein Leser schrieb, der Bundesrat soll bei sich anfangen und seine lebenslange Rente von 200’000 Franken streichen. Verstehen Sie diese Reaktion?
Emotional ja. Aber es hilft einer Witwe nicht, wenn Bundesräte keine Rente bekommen. Wichtig ist, dass das Parlament das neue Gesetz jetzt genau anschaut und die Details diskutiert.
Wo sehen Sie Spielraum?
Man könnte zum Beispiel die Übergangsperiode verlängern oder die Besitzstandsgarantie ausweiten. Aber das ist jetzt in der Kompetenz des Parlaments. (Anm. d. Red.: Neu sollen Witwen nicht mehr in jedem Fall eine lebenslange Rente erhalten.)
Sparen bei den Schwachen – blutet Ihnen als Sozialdemokratin nicht das Herz?
Mein Herz interessiert die Leute nicht. Wenn ich alleine entscheiden könnte, sähen manche Gesetze vielleicht anders aus. Aber so funktioniert unsere Demokratie nicht.
Witwenrente und Gesundheitsreform
13. AHV, Prämieninitiative, BVG-Reform – Sie haben bei drei Abstimmungen die Position des Bundesrates contre cœur vertreten. Sind Sie froh, jetzt mit der Gesundheitsreform Efas endlich auch persönlich 100 Prozent hinter einer Vorlage stehen zu können?
Ich vertrete eine Vorlage nicht mit 80, 90 oder 100 Prozent. Ich bringe alle Argumente für jedes Dossier, das wir als Bundesrat verabschieden. Was stimmt: Ich freue mich, die Vorteile für die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen aufzuzeigen. Es ist eine wichtige und sinnvolle Reform.
Gewerkschaftschef Pierre-Yves Maillard sagte im Blick das Gegenteil. Es würden einfach 13 Milliarden Franken Steuergelder von den Kantonen zu den Krankenkassen verlagert. Die Vorlage sei eine Idee der Krankenkassenlobby.
Das ist die Rhetorik von Herrn Maillard. Aber es waren alle Parteien, auch meine, von Anfang an dafür, die Finanzierung der Gesundheitsleistungen zu vereinheitlichen. Auch die Ärzteschaft, die Spitex und die Spitäler unterstützen die Reform. An der Verantwortung von Krankenkassen, Kantonen und Bund ändert sich überhaupt nichts. Was sich ändert, ist einzig das Volumen der Abrechnungen. Die Krankenkassen werden aber weiterhin vom Staat kontrolliert.
Maillard verweist auf Zahlen aus Ihrem Departement, wonach Efas zu höheren Prämien führt: in Basel um 3 Prozent, in Bern um 1,9 Prozent und in Zürich um 1,6 Prozent.
Das ist falsch. Diese Zahlen beschreiben die theoretische Wirkung der Reform im Jahr 2019 und nicht zum Zeitpunkt ihrer Einführung ab 2028. Seit 2019 hat durch die Ambulantisierung eine deutliche Kostenverlagerung zulasten der Prämienzahler stattgefunden. Die einheitliche Finanzierung würde diese Entwicklung rückgängig machen. Die Folge: Mit der Reform wird die Prämienbelastung in der grossen Mehrheit der Kantone sinken.
Die Befürworter argumentieren mit einem allgemeinen Sparpotenzial von jährlich bis zu 440 Millionen Franken. Die Gegner werden konkret: Die Blinddarm-Operation im Spital werde für den Patienten bei einem Ja um 371 Franken teurer.
Ich verstehe die Sorge, dass einzelne Leistungen in bestimmten Situationen zu Mehrkosten bei der Kostenbeteiligung führen können. Aber das sind seltene Fälle, nur bei einer günstigen Spitalbehandlung, und wenn man sonst im ganzen Jahr kaum mehr zur Ärztin geht oder Medikamente braucht. Weil die Prämienzahlenden aber deutlich entlastet werden, profitieren insgesamt alle von dieser Reform.
Die Gesundheitsreform Efas (Einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen) zielt darauf ab, die Finanzierung im Schweizer Gesundheitssystem neu zu gestalten und dieses effizienter zu machen. Derzeit tragen Kantone und Krankenkassen je nach Art der Behandlung unterschiedlich viel der Kosten: Krankenkassen übernehmen die ambulanten Leistungen zu 100 Prozent, stationäre Leistungen, also mit mindestens einer Übernachtung, werden durch Kantone (55 Prozent) und Krankenkassen (45 Prozent) gemeinsam finanziert.
Efas soll diese Trennung aufheben und für eine einheitliche Finanzierung sorgen. Unabhängig davon, ob die Behandlung ambulant oder stationär erfolgt. Die Kantone sollen neu für mindestens 26,9 Prozent und die Kassen über die Prämien für höchstens für 73,1 Prozent der Kosten aufkommen.
Die Gesundheitsreform Efas (Einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen) zielt darauf ab, die Finanzierung im Schweizer Gesundheitssystem neu zu gestalten und dieses effizienter zu machen. Derzeit tragen Kantone und Krankenkassen je nach Art der Behandlung unterschiedlich viel der Kosten: Krankenkassen übernehmen die ambulanten Leistungen zu 100 Prozent, stationäre Leistungen, also mit mindestens einer Übernachtung, werden durch Kantone (55 Prozent) und Krankenkassen (45 Prozent) gemeinsam finanziert.
Efas soll diese Trennung aufheben und für eine einheitliche Finanzierung sorgen. Unabhängig davon, ob die Behandlung ambulant oder stationär erfolgt. Die Kantone sollen neu für mindestens 26,9 Prozent und die Kassen über die Prämien für höchstens für 73,1 Prozent der Kosten aufkommen.
Die BVG-Vorlage hat gezeigt: Wenn es zu kompliziert wird und ein Zahlenstreit entsteht, stimmt das Volk im Zweifelsfall Nein.
Diese Reform ist eigentlich nicht so kompliziert: Ihr Ziel ist es, durch mehr ambulante Behandlungen langfristig die Kosten zu senken – ein Vorteil, der allen zugutekommt. Leider setzen die Gegner auf Angst, indem sie mit seltenen Eingriffen wie Blinddarm-Entfernungen argumentieren, die – wenn überhaupt – einmal im Leben durchgeführt werden. Während die Vorteile der Reform langfristig Jahr für Jahr zugunsten der Versicherten wirken werden.
Auch die Pflege soll mit Efas künftig einheitlich finanziert werden. Kritiker fürchten einen Prämienschub und warnen vor höheren Kostenbeteiligungen der Pflegebedürftigen.
Im Gegenteil. Der Bundesrat könnte die Kostenbeteiligung schon heute erhöhen. Mit Efas wird der Selbstbehalt bei der Pflege erstmals für vier Jahre fixiert. Bis 2036 sind keine Erhöhungen erlaubt. Das ist ein Fortschritt für die Patientinnen und Patienten. Das Argument, dass die Pflege bald die ambulanten Kosten übersteigen könnte, ist unbegründet. Selbst wenn die Pflegekosten steigen, fallen sie nicht so stark ins Gewicht, weil die ambulanten Kosten schon heute viermal höher sind.
Wie schlimm wäre ein Scheitern der Vorlage?
Ein Nein zur Reform würde nicht nur die positiven Anreize für ambulante Behandlungen blockieren, sondern auch das Signal senden, dass Reformen im Gesundheitssystem kaum möglich sind. Wer Ja sagt zu Efas, sagt Nein zur Blockade.
Wir haben im Blick über die grösste Kinder-Permanence der Schweiz berichtet, die ums Überleben kämpft. Krankenkassen wollen nach einem Gerichtsurteil die Notfallpauschale nicht mehr zahlen – obwohl Swiss Medi Kids viel günstiger ist als der Gang ins Spital. Ist das nicht absurd?
Das Bundesgericht hat im Sommer die bisherigen Tarife als unkorrekt bewertet. Die Tarifpartner müssen nach einer neuen Lösung suchen. Zwei Krankenkassen haben sich offen gezeigt, um eine neue Tariflösung zu finden. Das finde ich gut. Es ist wichtig, dass diese Gespräche fortgesetzt werden, um Klarheit zu schaffen.
Ihre Parteikollegin, Ständerätin Flavia Wasserfallen, sagt, der Fall sei typisch für unser Gesundheitssystem: «Alle wollen mitreden, niemand will Verantwortung übernehmen.»
Die Tarife werden von den Tarifpartnern ausgehandelt. Das ist auch gut so. Niemand will von oben verordnete Tarife. Die Kantone tragen zusätzlich Verantwortung, insbesondere bei der Planung der Versorgung. Angebote wie die Kinder-Permanencen sind wichtig, denn ohne sie landen viele Fälle in teureren Spitälern.
Die Versorgungskrise in der Kindermedizin ist akut. Können Sie ein Machtwort sprechen?
Als Bundesrätin kann ich mich nicht einmischen, bevor nicht alle ihre Hausaufgaben gemacht haben. Aber ich verfolge die Situation natürlich sehr genau. Ich bin daher auch sehr froh, dass sich Ärzte, Spitäler und Versicherer auf ein neues Tarifsystem geeinigt haben. Das ist gerade für die Kindermedizin ein wichtiger Schritt.
Sehen Sie eine Chance, dass die Prämien irgendwann nicht weiter steigen?
Auf jeden Fall weniger stark als heute. Im Parlament ist ein grosses Kostendämpfungspaket unterwegs. Es gibt Sparpotenzial bei den Medikamentenpreisen. Zudem technologische Fortschritte, die helfen können, Operationen günstiger zu machen. Ich glaube also, es wird die Zeit kommen, in der wir die Prämien besser im Griff haben werden.
Bis Ende November kann man noch die Krankenkasse wechseln. Ich könnte Prämien sparen mit einem Wechsel zu einer günstigeren Kasse, aber wenn zu viele wechseln, wird das ganze System teurer. Ein Dilemma. Was raten Sie mir?
Sie müssen auf sich selber und Ihr Haushaltsbudget schauen. Machen Sie das, was für Sie und Ihre Familie das Beste ist.