Auf einen Blick
- Der Bundesrat will bei den Witwenrenten sparen
- Die Reform soll schon 2026 in Kraft treten
- Zwei Witwen erklären, welche Problem damit verbunden sind
Der Bundesrat will die lebenslangen Witwenrenten kappen. Künftig sollen Verwitwete maximal nur noch bis zum 25. Geburtstag des jüngsten Kindes eine Hinterlassenenrente erhalten. Bereits laufende Renten von über 55-Jährigen werden zwar weiterhin ausgerichtet, doch für Jüngere soll ab 2026 das neue Regime gelten. Mit der Reform spart die AHV im Jahr 2030 350 Millionen Franken, längerfristig gar gegen eine Milliarde Franken.
Bei den Betroffenen sorgt der Entscheid für Unmut. «Das ist eine Sparübung auf dem Buckel der Witwen», ärgert sich die Luzernerin Andrea Huber (56). «Anstatt Witwer besserzustellen, werden Witwen nun schlechtergestellt.» Dabei hätten Witwen schon heute ein höheres Risiko für Altersarmut.
Erspartes schrumpft
Sie weiss, wovon sie spricht. Vor drei Jahren starb ihr Mann mit 48 Jahren an den Folgen einer Corona-Erkrankung. Der Argentinier kam erst mit 35 Jahren in die Schweiz, weshalb er auch keine grosse Altersvorsorge aufbauen konnte. Das wirkt sich nun auf Hubers Budget aus: «Meine Witwenrente sowie die Waisenrente für unsere 13-jährige Tochter betragen zusammen nur 1049 Franken monatlich.»
Huber betont, dass die AHV-Witwenrente nicht losgelöst von der beruflichen Vorsorge betrachtet werden dürfe. «Gerade, wer jung verstirbt, aus dem Ausland hergezogen ist oder kein BVG hatte, hinterlässt nichts oder nur ganz wenig aus der zweiten Säule.»
Seit dem Tod ihres Mannes legt die selbständige Politikberaterin finanziell drauf. «Anfangs konnte ich kaum arbeiten, heute sind es 50 Prozent – früher war ich vollzeitbeschäftigt.» Das hinterlässt finanziell eine Lücke, auch in der Altersvorsorge. «Aktuell geht jeden Monat ein grosser Betrag von meinem Ersparten weg, das mir im Alter fehlen wird.»
Physische und psychische Belastung
Verstirbt ein Elternteil, sei es nicht nur finanziell, sondern auch physisch und psychisch eine massive Belastung. «Von einem Tag auf den andern ist man alleine für alles verantwortlich – für die Kinderbetreuung, die Hausarbeit, das Einkommen», so Huber. «Pausen gibt es nie und wir sind mit der Bewältigung unserer eigenen Trauer sowie jener unserer Kinder belastet.»
Zwar trifft Huber die Sparübung aufgrund ihres Alters nicht direkt, trotzdem seien viele Witwen schon im jetzigen System armutsgefährdet. «Der Bundesrat verkennt die Realität der Betroffenen», sagt sie. «Einfach, weil den Verwitweten eine gewichtige Stimme in Bundesbern fehlt.»
Vorsorgelücke bleibt
Eine solche, kleine Stimme ist der Verein Aurora, in welchem sich Verwitwete mit minderjährigen Kindern zusammengeschlossen haben. Die Zürcherin Sandra Nussbaum (45) präsidiert den Verein. Als ihr Mann an Krebs verstarb, war sie 29 Jahre alt – ihr Sohn gerade erst 4 Monate.
Von der Reform wäre sie direkt betroffen: «Wenn mein Sohn 25 wird, bin ich 54 – dann fällt meine Witwenrente ersatzlos weg.» Sie hat insofern Glück, dass sie als Kaufmännische Angestellte mit einem städtischen Betreuungsmodell Teilzeit arbeiten kann und dank der Pensionskasse ihres Mannes finanziell gut abgesichert ist.
«Nicht alle haben diese Voraussetzungen», macht sie deutlich. Von der AHV-Hinterbliebenenrente alleine könne niemand leben. Da falle es ins Gewicht, ob und wie stark man auf die Pensionskasse des Verstorbenen zählen könne. Ebenso, ob man durch die Erwerbstätigkeit selber eine gute berufliche Vorsorge aufbauen könne. «Sind die Kinder aus dem Haus, ist es unmöglich, die Vorsorgelücken zu schliessen», sagt Nussbaum.
Verwitweten-Verein fordert Verbesserungen
Ihr Verein fordert darum vom Parlament deutliche Verbesserungen in der Vorlage. Grundsätzlich begrüssen sie zwar, dass die Rente künftig unabhängig vom Geschlecht und vom Zivilstand fliessen soll. «Bereits gesprochene Renten dürfen aber nicht gestrichen werden, da geht es um Rechtssicherheit», so Nussbaum. Ebenso müssten die Übergangsfristen deutlich verlängert werden, damit die Betroffenen genügend Zeit hätten, sich auf den neuen Lebensentwurf einzustellen.
Dass die Reform bereits 2026 in Kraft treten soll, hält Nussbaum für verfrüht. «Eine solche Gesetzesanpassung darf erst gemacht werden, wenn es flächendeckend gesellschaftliche Rahmenbedingungen für Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt.»
Klar ist, dass die Reform viel politischen Zündstoff birgt und im Parlament für heisse Debatten sorgen wird. So hat etwa die SP bereits Widerstand gegen den «sozialpolitischen Kahlschlag» angekündigt. Anfang November beugt sich die zuständige Sozialkommission des Nationalrats über das Geschäft. Hubers Appell: «Ich hoffe, dass auch unsere Stimmen endlich gehört werden.»