Belgische Ermittler fanden in der Brüsseler Wohnung von Eva Kaili (44) 600'000 Euro in bar. Ein Teil der Scheine war unter dem Kinderbettchen ihrer zweijährigen Tochter versteckt.
Die Griechin ist eine von vielen Stellvertretern der Präsidentin des EU-Parlaments. Sie sei bestochen worden, glaubt die Staatsanwaltschaft, als Urheber wird ein Scheichtum vermutet. Vieles deutet auf Katar hin: Tatsächlich lobte Kaili den Ausrichterstaat der Fussball-WM auffällig überschwänglich und stimmte in einer Kommission, der sie gar nicht angehörte, gegen eine Katar-kritische Resolution.
Blick-Auslandsreporter Samuel Schumacher (35) kommentierte: «Die europäische Idee liegt am Boden, der moralische Mantel zerfressen von geldgierigen Blutsaugern.» Die EU werde künftig nie mehr einer Nation vorschreiben können, im Kampf gegen Korruption vorwärtszumachen – ein Betrunkener könne dem Säufer seinen Schnaps nicht verbieten.
Wer das 705-köpfige EU-Parlament nun etwas genauer unter die Lupe nimmt, stösst auf ein wahres Monster der Bürokratie, auf Spesenexzesse und abgehobene Politiker ohne erkennbaren Bezug zur Realität.
Nach dem Abbruch der Verhandlungen mit der EU über ein Rahmenabkommen hat die Schweiz noch immer keinen Ausweg. Der neuste Skandal hilft nicht gerade, eine Lösung in dem verfahrenen Dossier zu finden.
Dennoch bietet der Krimi um Kaili auch einen erfreulichen Aspekt: Belgiens Staatsanwaltschaft ist völlig unabhängig und ohne Rücksicht auf Verluste bei höchsten politischen Repräsentanten der Union eingefahren. Die Verdächtige wurde erwischt – und zwar in flagranti!
An vielen Orten der Welt wäre so etwas undenkbar: Im Iran, wo das Regime gerade protestierende Studenten hängt. In China, wo die digitale Überwachung total ist. In Russland, wo ohne Korruption kaum jemand Karriere macht. In Nordkorea, wo ein Diktator sein ganzes Volk versklavt …
Schlechte Menschen gibt es überall. Ebenso wie Gier und Bestechlichkeit. Doch nur im freiheitlichen Teil der Welt sind nicht einmal die mächtigsten Politiker vor der Justiz sicher.
Es ist die entscheidende Stärke der westlichen Demokratien, dass sie sogar ihren Ruf aufs Spiel setzen, um Missstände öffentlich zu machen und daraus zu lernen.
Ylva Johansson (58), EU-Kommissarin für Inneres, rief ihrer korrupten Kollegin Kaili zu: «Shame on you!» Schämen Sie sich!
Wenn den klaren Worten nun entschiedene Aufklärung und Reformen folgen, wenn der Skandal ein Weckruf war: Dann geht die EU gestärkt aus dem gegenwärtigen Chaos hervor.