Ein HIV-Selbsttest, der ähnlich wie ein Schwangerschaftstest zu Hause durchgeführt werden kann, wäre eine Möglichkeit, diese hohe Dunkelziffer zu verringern. Dafür spricht sich die Gesellschaft für Virologie (GfV) aus – weist aber auch auf die damit verbunden Risiken hin.
Warum brauchen wir einen HIV-Selbsttest?
In Deutschland werde seit Jahren bei über einem Viertel der HIV-Neudiagnosen die Infektion erst dann festgestellt, wenn sie bereits fortgeschritten sei. «Das bedeutet, dass wir trotz der vielen, auch anonymen und kostenlosen Angebote für einen HIV-Test, nicht alle Infizierten erreichen», sagt Professor Dr. med. Josef Eberle vom Max von Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München. Für diese Menschen könnte ein Selbsttest, wie er in mehreren Ländern bereits erhältlich ist, eine Chance sein.
In Deutschland darf ein solcher Test bislang nicht an Privatpersonen abgegeben werden. Derzeit wird jedoch geprüft, ob die Medizinprodukte-Abgabeverordnung entsprechend verändert werden sollte. Die GfV weist jedoch auf mögliche Probleme hin: «HIV-Schnelltests mit CE-Prüfzeichen, die Blut aus der Fingerkuppe verwenden, sind zwar mit HIV-Labortests der vierten Generation durchaus zu vergleichen», erklärt Eberle.
Erst zwölf Wochen nach der Ansteckung aussagekräftig
Werden die Tests in einer sehr frühen Phase der Infektion verwendet, seien sie Labortests jedoch unterlegen. «Ein Betroffener wiegt sich also womöglich in falscher Sicherheit, und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem das Übertragungsrisiko besonders hoch ist», sagt Eberle. Erst drei Monate nach einer möglichen Ansteckung liefere ein Selbsttest ein sicheres Ergebnis. Zudem weisen die Tests stets eine gewisse Fehlerquote auf – ein positives oder negatives Ergebnis kann falsch sein.
Trotz Bedenken befürworten die GfV-Experten die Selbsttests, um die weitere Ausbreitung der HIV-Infektion zu verhindern und Infizierten einen frühzeitigen Therapiebeginn zu ermöglichen. Es müsse jedoch gewährleistet sein, dass die Tests klare Informationen wie den Hinweis auf die Drei-Monats-Frist und die mögliche Fehlerquote enthalten. Zudem sollten Nutzer darüber informiert werden, dass 72 Stunden nach einer eventuellen Infektion die Möglichkeit einer Postexpositionsprophylaxe (PEP) durch HIV-Medikamente besteht.
Schweizer Experten bleiben skeptisch
Ob der Selbsttest auch eine Möglichkeit für die Schweiz ist, ist derzeit unklar. Nachdem der HIV-Heimtest 2012 in den USA als Erfindung des Jahres gefeiert wurde und ab Oktober desselben Jahres in Apotheken und Supermärkten erhältlich war, verweigerte die Eidgenössische Kommission für sexuelle Gesundheit die Freigabe, da keine qualitätsgesicherte Diagnose gewährleistet sei. Das Gesetz befand sich im Mai dieses Jahres in Revision und eine Zulassung wurde erneut geprüft (blick.ch hat berichtet). Experten in der Schweiz sind jedoch weiterhin skeptisch, obwohl verschiedene Studien aus anderen Ländern gezeigt haben, dass Selbsttestende Personen im Anschluss an den Test einen Arzt aufsuchten. (aponet)
Die Zahl der HIV-Neuinfektionen in der Schweiz ist seit 2000 weitgehend stabil. Über mehrere Jahre ist sogar ein leichter Abnahmetrend zu beobachten. Insgesamt leben hierzulande rund 20'000 Menschen mit HIV (Quelle: BAG, Stand November 2016). Rund ein Viertel der Neuinfizierten ist weiblich.
Seit etwa 20 Jahren ist die Diagnose kein Todesurteil mehr. Dank neuer Medikamente haben HIV-Patienten einer Studie zufolge inzwischen eine fast ebenso hohe Lebenserwartung wie gesunde Menschen. So kann ein 20-Jähriger, der nach 2008 mit einer HIV-Behandlung begonnen hat, statistisch gesehen 78 Jahre alt werden.
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