Durfte das Spital sie rausschmeissen?
FaGe-Lehrtochter verliert Job wegen Impfverweigerung

Eine St. Gallerin verliert nach zwei Monaten ihre Lehrstelle im Spital. Grund: Sie ist ungeimpft und lehnt eine Nachimpfung innert acht Monaten ab.
Publiziert: 07.11.2017 um 20:16 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:10 Uhr
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Eine Lehrtochter verlor ihre Stelle in einer St. Galler Privatklinik, weil sie nicht geimpft war. (Symbolbild)
Foto: Keystone

Wer in einer St. Galler Privatklinik arbeiten möchte, sollte gegen bestimmte Krankheiten geimpft sein. Eine junge Frau beginnt dort ihre Lehre, als FaGe – Fachfrau Gesundheit –, ohne überhaupt jemals in ihrem Leben eine Impfspritze gesehen zu haben.

Kurz nach Antritt der Stelle muss sie routinemässig zum Vertrauensarzt der Klinik, wo rauskommt, dass sie gar keinen Impfausweis besitzt. Obwohl das Spital gegenüber der «Ostschweiz am Sonntag» beteuert, die Mitarbeiter nicht zu Impfungen zu zwingen, befolgt es die Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG).

Dort heisst es, Mitarbeiter des Gesundheitswesens sollten gegen Hepatitis A und B, Masern, Mumps, Röteln, Varizellen, Starrkrampf, Kinderlähmung und Meningokokken geimpft sein. «Die Empfehlungen des BAG sind zum Schutz unserer Patientinnen und Patienten und somit der Patientensicherheit obligatorisch durchzuführen. Ein Obligatorium ist aus unserer Sicht nicht einem Impfzwang gleichzusetzen», teilt die Klinik schriftlich der Zeitung mit. Heisst also: Wer nicht will, muss nicht – riskiert aber unter Umständen seinen Job.

32 Impfungen in acht Monaten

Die Klinik bietet der Lehrtochter an, innerhalb von acht Monaten die empfohlenen Nachimpfungen durchzuführen. Doch acht Monate erscheinen der jungen Frau und ihren Eltern als eine zu kurze Zeit für 32 Einzeldosen verschiedener Impfstoffe. Die Menge der teils gleichzeitig durchgeführten Impfungen würde das Immunsystem überfordern, so das Argument der Impfgegner.

Dürfte die Tochter die Impfungen über einen längeren Zeitraum verteilt vornehmen, wäre die Familie mit der Forderung einverstanden. Dieses Angebot lehnt das Spital wiederum ab und kündigt der Stiftin nach zwei Monaten Probezeit.

Der «Ostschweiz am Sonntag» erklärt das Spital: «Der Vertrag wurde nach Rücksprache mit dem Amt für Berufsbildung innerhalb der Probezeit aufgelöst. Den Schutz von Patienten und Pflegenden gewichten wir höher als das individuelle Verhalten und die Ansichten jedes Mitarbeitenden.»

Impfen für sich und nicht für andere

Ist dieser Entscheid diskriminierend? «Jein», sagt Pierre-André Wagner, Leiter Rechtsdienst beim Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und -männer, zu BLICK. «Wenn der Arbeitgeber vom Angestellten die vom BAG empfohlenen Impfungen verlangt, dann darf er das tun und mit seiner Vorsorgepflicht begründen. Würde sich die ungeimpfte Mitarbeiterin verletzen und anstecken, müsste das Spital haften.»

Handle es sich bei der Forderung hingegen um Impfungen wie Grippeimpfung, die primär zum Schutz des Patienten und nicht des Mitarbeiters dienen, sehe die Begründungspflicht anders aus. «Dann hat der Arbeitgeber keine angemessene Rechtfertigung, wieso er den Vertrag auflöst.»

Hätte die Klinik ihren Entscheid also damit begründet, die Lehrtochter vor Ansteckung schützen zu wollen, wäre dies laut Wagner nicht diskriminierend gewesen. «Ich bin positiv beeindruckt, dass die Klinik der Frau entgegenkam und angeboten hatte, die Nachimpfungen durchzuführen. Ihre Kündigungsbegründung ist allerdings fragwürdig.» Schliesslich würden OP-Komplikationen oder Krankenhausinfektionen ein viel grösseres Risiko für den Patienten darstellen als ungeimpftes Personal.

Beim Unispital Zürich besteht hingegen kein Impfobligatorium, weil dafür keine rechtliche Handhabe bestehe, wie die Mediensprechende Barbara Beccaro BLICK bestätigt. «Das USZ empfiehlt aber den Mitarbeitenden mit Patientenkontakt dringend, die erforderlichen Impfungen durchführen zu lassen. Einerseits ist dies der sicherste Weg, sich selbst vor berufsbedingten Infekten zu schützen, andererseits sind dadurch auch die Patienten vor einer möglichen Krankheitsübertragungen sicher.» Die Angestellten würden beim Eintrittsgespräch darauf hingewiesen werden. Lehne der Mitarbeiter die Impfung ab, bespreche man mit ihm die Risiken und mögliches Vorgehen. «Wir setzen auf Eigenverantwortung und Information unserer Mitarbeitenden.»

(man)

Die wichtigsten Impfungen der Schweiz für Kinder

Das sind die wichtigsten Impfungen, die das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt.

  • Diphtherie, Tetanus (Starrkrampf), Pertussis (Keuchhusten):
    5 Impfungen im Alter von 2 Monaten bis 7 Jahren.
  • Poliomyelitis (Kinderlähmung):
    5 Impfungen im Alter von 2 Monaten bis 7 Jahren.
  • Masern, Mumps und Röteln:
    2 Impfungen im Alter von 1 bis 2 Jahren.
  • Pneumokokken (Lungen- und Hirnhautentzündung):
    3 Impfungen im Alter von 2 Monaten bis 1 Jahr.
  • Haemophilus influenzae (bakterielle Infektion):
    4 Impfungen im Alter von 2 Monaten bis 2 Jahren.
  • Meningokokken (Hirnhautentzündung):
    2 Impfungen im Alter von 1 bis 15 Jahren.
  • Varizellen (Windpocken, Wilde Blattern):
    1 Impfung im Alter von 11 bis 15 Jahren.
  • Humane Papilloma-Viren (Gebärmutterhalskrebs):
    1 Impfung im Alter von 11 bis 15 Jahren.

Das sind die wichtigsten Impfungen, die das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt.

  • Diphtherie, Tetanus (Starrkrampf), Pertussis (Keuchhusten):
    5 Impfungen im Alter von 2 Monaten bis 7 Jahren.
  • Poliomyelitis (Kinderlähmung):
    5 Impfungen im Alter von 2 Monaten bis 7 Jahren.
  • Masern, Mumps und Röteln:
    2 Impfungen im Alter von 1 bis 2 Jahren.
  • Pneumokokken (Lungen- und Hirnhautentzündung):
    3 Impfungen im Alter von 2 Monaten bis 1 Jahr.
  • Haemophilus influenzae (bakterielle Infektion):
    4 Impfungen im Alter von 2 Monaten bis 2 Jahren.
  • Meningokokken (Hirnhautentzündung):
    2 Impfungen im Alter von 1 bis 15 Jahren.
  • Varizellen (Windpocken, Wilde Blattern):
    1 Impfung im Alter von 11 bis 15 Jahren.
  • Humane Papilloma-Viren (Gebärmutterhalskrebs):
    1 Impfung im Alter von 11 bis 15 Jahren.
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