Die Zeit der warmen, sonnigen Herbsttage ist endgültig vorbei: Die frostigen Wintermonate stehen bevor und damit auch die Zeit, in der Grippeviren die Runde machen. Dabei stellt sich Jahr um Jahr dieselbe Frage: Lass ich mich gegen die Grippe impfen oder nicht? Schweizerinnen und Schweizer beantworten diese Frage eindeutig: Nein. Gerade mal jeder Fünfte lässt sich gegen die Grippe mit der Nadel pieksen.
Mit der Grippe ist aber nicht zu spassen. Eine heute Mittwoch veröffentlichte Todesursachenstatistik belegt, dass während der Grippe-Welle im Frühjahr 2015 rund 2500 Menschen mehr gestorben sind als sonst. Und auch 2016 war die sogenannte Übersterblichkeit um etwa 1600 Todesfälle höher als im Durchschnitt. Betroffen waren vor allem ältere Leute.
Dass die Grippe allein für diese Todesfälle verantwortlich ist, könne man zwar nicht sagen, aber es sei davon auszugehen, dass sie eine Rolle spiele, sagt Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit (BAG).
«Wie die Grippe-Saison verlaufen wird, ist derzeit reine Spekulation»
Auch diesen Winter könnte die Grippe besonders heftig ausfallen. Das zeigen Entwicklungen auf der Südhalbkugel, wo der Winter schon vorbei ist. Insbesondere in Australien grassierte die Grippe schwer, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete. Davon auf Europa zu schliessen, ist für Koch aber trügerisch: «Wie die Grippe-Saison verlaufen wird, hängt von vielen Faktoren ab und ist derzeit reine Spekulation.»
Wie akut die Grippeviren zuschlagen werden, sei derzeit nicht abzuschätzen. «Wir können noch nicht wissen, welche Viren bei uns überhaupt zirkulieren werden», so Experte Koch, der die Abteilung Übertragbare Krankheiten beim BAG leitet.
Grosse Skepsis gegenüber der Wirksamkeit der Impfung
Diese Unsicherheit ist denn auch das grösste Problem der Impfstoff-Produzenten. Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestimmen die Impfstoff-Zusammensetzung für beide Erdhalbkugeln anhand der Viren, die am Ende der letzten Saison zirkulierten.
Weil die Viren aber häufig und schnell mutieren, können die Produzenten die Wirksamkeit nicht in jedem Fall garantieren. In den Wintermonaten 2014/15 lag sie bei tiefen 23 Prozent, ein Jahr später immerhin bei 65 Prozent, wie die «Aargauer Zeitung» schreibt. Den Impfstoff müsse man aber so früh in Auftrag geben, weil die Produktion eine Weile dauere, führt Koch aus. Bei diesem Vorgehen könne es natürlich vorkommen, dass die Zusammensetzung nicht immer die gleiche Wirksamkeit entfaltet.
Ohne die Überzeugung der Menschen gehe es nicht
Die Skepsis gegenüber der Wirksamkeit dürfte denn auch der Grund für die tiefe Impfrate in der Schweiz sein. «Diese liegt bei für das BAG unbefriedigenden 18 Prozent», bemängelt Koch. Das Bundesamt empfiehlt die Grippe-Impfung explizit älteren Menschen, schwangeren Frauen, Frühgeborenen, chronisch Kranken und Immunschwachen. Ausserdem wird die Impfung Menschen nahegelegt, welche im Rahmen ihrer privaten oder beruflichen Tätigkeit regelmässig in Kontakt mit anderen Menschen stehen (im Gesundheit- oder Erziehungswesen).
Die Einführung eines Impfzwangs lehnt Koch trotz der niedrigen Impfquote ab: «Es ist an uns, Aufklärungsarbeit zu leisten.» Ohne die Überzeugung der Menschen gehe es nicht. Für das Bundesamt gebe es aber keine Alternative: «Der wirksamste Schutz gegen die Grippe ist die Impfung.» Denn selbst wenn eine geimpfte Person von den Grippeviren befallen werde, verläuft der Krankheitsverlauf abgeschwächter als ohne Impfung.
Was gilt für Kritiker der Grippe-Impfung?
Der Masterplan des BAG gegen die Grippe ist also die Impfung. Aber was empfiehlt das Bundesamt denjenigen Personen, welche sich dagegen entscheiden? Daniel Koch: «Sie sollten primär darauf Acht geben, dass sie andere nicht anstecken.»
Wenn Nicht-Geimpfte Symptome einer Grippe aufweisen – also starkes Fieber, Kälteschauer, Hals- und Schluckweh, Schnupfen und Husten, Glieder- und Brustschmerzen –, sollten sie diese zu Hause auskurieren, nur bei einer schweren Erkrankung ins Spital gehen und den Kontakt mit älteren Leuten meiden.