Der Amerikaner Fred Ott hält in der rechten Hand ein Taschentuch, reibt sich mit der linken die Nase und niest direkt gegen den Betrachter – ohne sich etwas vor den Mund zu halten.
«Fred Ott’s Sneeze» ist ton- und tröpfchenlos, denn der Film aus dem Jahr 1894 ist das älteste Dokument einer niesenden Person. Demgegenüber sind die Live-Hatschis, die zurzeit wieder vermehrt im ÖV und auf öffentlichen Plätzen dargeboten werden, schall- und schleimreich.
Ein Nieser kann locker mit 80 Dezibel knallen, was einem lauten Schrei entspricht. Die Luft entweicht dabei explosionsartig mit bis zu 160 Stundenkilometern. «Im Umkreis von anderthalb bis drei Metern können sich bis zu 40'000 Tröpfchen pro Niesreiz verteilen», sagt Simona Negoias, Oberärztin an der Hals-Nasen-Ohren-Klinik des Inselspitals Bern.
Eine feucht-verdriessliche Angelegenheit also, denn mit dem heftigen Ausstossen von Luft durch Nase und Mund führt der Körper Erreger ab, die sich auf dem Schleim abgesetzt haben. Damit man nicht zur Virenschleuder wird, rät die Fachfrau, sich den Ellenbogen vor Mund und Nase zu halten und nicht die Hand. Sonst verteilt man Schleimspuren – etwa beim Anfassen von Türklinken oder Umarmen von Mitmenschen.
Photischer Niesreflex kann für Autofahrer gefährlich sein
Reizen in dieser Jahreszeit vornehmlich kalte Luft oder Mikroorganismen wie Viren sowie Bakterien die Nasenschleimhäute und lösen so den Niesreiz aus, sind es im Frühling hauptsächlich Allergene wie Pollen. Das ganze Jahr über können Reizstoffe wie Staub, Pfeffer oder Fremdkörper in der Nase ein «Hatschi!» verursachen. Manchmal sind es auch bewusst zugeführte Stoffe wie Niespulver.
Kuriosere Auslöser sind ein voller Magen (Sättigungs-Niesreflex), sexuelle Erregung und helles Licht (photischer Niesreflex). «Vom photischen Niesreflex sind circa 17 bis 35 Prozent der Menschen betroffen», sagt Negoias. «Die Ursache ist nicht ganz geklärt, doch spielt die Nähe zwischen den Verläufen des Sehnervs und des Nasenempfindlichkeitsnervs eine Rolle.»
Der Neuropsychologe Nicolas Langer von der Universität Zürich veröffentlichte 2010 eine Studie mit dem Titel «Wenn die Sonne die Nase kribbelig macht». Dabei verglich er zehn «Sonnen-Nieser» mit einer zehnköpfigen Kontrollgruppe. Erkenntnis: Licht wirkt bei manchen nicht bloss auf den Sehnerv, sondern auch auf einen Ast des Trigeminus-Nervs, der den Niesreiz an die Schaltzentrale im verlängerten Hirnstamm weiterleitet.
Das kann zu gefährlichen Situationen führen: Wenn ein Autofahrer nach einer Tunneldurchfahrt beim Erblicken des Tageslichts niesen muss, ist er für einen Moment abgelenkt, zumal man beim Niesen automatisch die Augen schliessen muss – vermutlich ein Schutzmechanismus gegen herumfliegende Keime in der herausgeprusteten Atemluft.
Was auch immer die Attacke auslöst, der körperliche Reflex ist bei allen Tetrapoden (Landwirbeltieren) und Menschen weltweit der gleiche: Zunächst befördern die Flimmerhärchen in der Nase, die sich bis zu 900-mal pro Minute bewegen, den Eindringling mit dem Schleim in den Rachen; wird es zu viel, zieht man Luft in die Lunge ein und hält den Atem kurz an; die Stimmlippen verschliessen den Kehlkopf, die Atemmuskulatur zieht sich zusammen und befördert schliesslich die Luft mit aller Wucht durch Nase und Mund.
«Entschuldigung!» statt «Gesundheit!»
Manche versuchen mit Tricks wie dem Zwicken der Nasenspitze, dem Kitzeln des Gaumens mit der Zunge oder dem Drücken der Unterlippe den Nieser zu unterdrücken – meist vergeblich.
«Hatschi!» erklingt es dann bei uns, «Achoo!» im englischsprachigen Raum, «Atchoum!» bei den Franzosen, in der Türkei macht man «Hapschoo!», und die niesenden Japaner tönen «Hakushon!». Diese Unterschiede kommen einerseits daher, dass man im jeweiligen Sprachraum bei der Verschriftlichung des Niesgeräusches eines für alle nimmt. Bei uns klingt ein «Hatschi!» manchmal auch wie ein «Hapschoo!», obwohl es nicht von einem Türken kommt.
Andererseits färbt die je eigene Sprachmelodie durchaus den Klang. Das hat folgenden Grund: Beim Entweichen der Luft öffnet sich die Stimmritze, die Bänder kommen in Schwingung und geben die sprachliche Färbung wider.
Was die Lautstärke angeht, so vermutet der US-Psychiater Alan Hirsch den Unterschied im Charakter: Der NBC sagte er 2013, dass lautes, explosives Niesen wohl eher von einer ausdrucksstarken und geselligen Person komme, während Schüchterne versuchen, nicht aufzufallen und einen leiseren «Minnie-Mouse-Nieser» von sich geben.
Den Nieser zu unterdrücken, um gar nicht erst aufzufallen, davon rät HNO-Ärztin Simona Negoias ab: «Obwohl selten, gibt es beschriebene Fälle von Trommelfellrissen oder – auch wenn nicht häufig – Gefässschädigungen im Auge oder Gehirn.» Also immer schön raus damit.
So vielfältig die Geräusche sind, so abwechslungsreich sind die sozialen Reaktionen auf den Nieser. Weist der Chinese den Niesenden darauf hin, «jemand denkt an dich», wünscht der Albaner «Platze!». In Frankreich entschuldigt sich der Niesende und sagt: «Pardon», während sich in der Romandie durch den Einfluss der Deutschschweiz «Santé» durchgesetzt hat.
Allerdings ist das «Gesundheit»-Sagen gemäss Deutschem Knigge-Rat auch bei uns nicht mehr angebracht. Die Formel stamme aus der Pestzeit. Und der Wunsch galt nicht dem Niesenden, sondern sich selber – nicht sehr nett. Der Knigge rät deshalb: Der Niesende soll sich für das laute Geräusch entschuldigen, während das Umfeld nur freundlich nicken muss.
In Australien hatte das Thema während der Grippephase wieder einmal Hochkonjunktur: Wie niest man richtig? Die Antwort der Experten rund um den Globus lautet: möglichst nicht in die Hände, sondern in den Ellbogen. Der Grund ist logisch. Die Hand landet wenige Minuten später am Halteknopf des Trams oder gar in der Hand einer anderen Person. Mit all diesen unsichtbaren Viren, die sich auf ihr befinden. Der US-TV-Sender ABC testete während einer Grippe-Epidemie im Jahr 2014 indes verschiedene «Nies-Arten». Das Fazit: Wer ins Taschentuch prustet, versprüht am wenigsten Partikel. Beim Niesen in den Ellbogen geht dagegen immer etwas «Material» neben das Ziel.
In Australien hatte das Thema während der Grippephase wieder einmal Hochkonjunktur: Wie niest man richtig? Die Antwort der Experten rund um den Globus lautet: möglichst nicht in die Hände, sondern in den Ellbogen. Der Grund ist logisch. Die Hand landet wenige Minuten später am Halteknopf des Trams oder gar in der Hand einer anderen Person. Mit all diesen unsichtbaren Viren, die sich auf ihr befinden. Der US-TV-Sender ABC testete während einer Grippe-Epidemie im Jahr 2014 indes verschiedene «Nies-Arten». Das Fazit: Wer ins Taschentuch prustet, versprüht am wenigsten Partikel. Beim Niesen in den Ellbogen geht dagegen immer etwas «Material» neben das Ziel.