Auf einen Blick
- Chinesische Elektro-Supersportwagen erobern die Nordschleife des Nürburgrings
- Neuer GAC Hyptec SSR: Flügeltürer mit 1224 PS und irrer Beschleunigung
- Preis ab 160'000 Franken, Reichweite von 415 Kilometern nach WLTP-Messverfahren
Auf der Nordschleife des Nürburgrings tobt seit jeher ein erbitterter Kampf – jeder Hersteller möchte die Bestzeit auf Deutschlands legendärster Rennstrecke in den Asphalt brennen. Längst kämpfen auch Elektroboliden um Rekorde, wobei sich vor allem Tesla mit dem Model S Plaid (mit Track Package 750 kW/1020 PS) und der Porsche Taycan (als Turbo GT mit Weissach-Paket bis 815 kW/1108 PS) lange Zeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die neue Bestmarke in der Eifel lieferten.
Doch mittlerweile haben auch die chinesischen Hersteller die legendäre Strecke und Industrie-Messlatte entdeckt und liefern mit Hyperstromern wie dem Zeekr 001 FR (930 kW/1265 PS) oder dem BYD Yangwang U9 (956 kW/1300 PS) beeindruckende Leistungen ab. Zwei chinesische Newcomer belegen gar die Plätze 2 und 3 auf der Nordschleife: Der viertürige Xiaomi SU7 Ultra mit seinen über 1500 PS (1138 kW) raste Ende Oktober 2024 mit einer Zeit von 6:46,874 Minuten aufs Podest und blieb nur knapp eine Sekunde hinter dem Zweitplatzierten – dem Nio EP9 mit 1360 PS (1000 kW). Nur die absolute Bestzeit des VW ID.R Concept von 6:05,336 Minuten ist bislang unerreicht.
Schneller als ein F1-Bolide
Nun gesellt sich mit dem Hyptec SSR der in Europa bislang unbekannten China-Marke GAC ein weiterer Hyperstromer dazu. Das Kürzel SSR steht für Super, Sport, Race – der Name ist Programm. Denn der Hyptec SSR wird von gleich drei E-Motoren – einer an der Vorder-, zwei an der Hinterachse – angetrieben, die zusammen auf eine Systemleistung von gewaltigen 1224 PS (900 kW) kommen. Damit beschleunigt der Elektro-Sportler in irren 1,9 Sekunden auf Tempo 100 und lässt theoretisch einen F1-Boliden stehen.
Wir machen die Probe aufs Exempel und schwingen uns hinters Steuer des spektakulär auftretenden Flügeltürers. Das durchgetretene Bremspedal schaltet die E-Flunder scharf: Wir treten aufs Gas, und sofort geht das Spektakel los. Kurz ringen die mächtigen 305er-20-Zöller an der Hinterachse um Grip, das Heck zuckt, und schon stürmt die E-Flunder mit der brachialen Urgewalt los. Die Wucht der Beschleunigung presst uns in die Schalensitze – Wahnsinn! Das Zweiganggetriebe sorgt dabei nicht nur für mehr Effizienz, sondern auch für einen brachialen Antritt selbst bei hohen Geschwindigkeiten. Die Spitze des E-Boliden liegt bei 300 km/h. Lediglich das künstlich generierte und ebenso klingende Motorengeräusch hätte sich der chinesische Hersteller schenken können.
Auch in Kurven schnell
So schnell der Hyptec SSR nach vorn schiesst, so schnell verzögert er auch: Nach der langen Geraden folgt eine Linkskurve – und die Hightech-Sportbremsanlage mit Langfaser-Keramik-Technologie aus der Luft- und Raumfahrt hält die fast zwei Tonnen unerbittlich im Zaum. Wir lenken ein: Das sechseckige Lenkrad ist mit Alcantara bezogen und liegt erstaunlich gut in der Hand. Beim Durcheilen der Kurve ist ein sensibler Gasfuss gefragt. Denn wer die Leistung zu radikal abruft, wird durch die Regelsysteme eingefangen. Also progressiv aus dem Scheitelpunkt herausbeschleunigen, und schon zieht der SSR sauber seine Bahn. Adaptive Dämpfer helfen für optimale Traktion.
Die Karosseriehülle besteht aus Karbon, beim Rohbau des Rennwagens setzen die Techniker auf Alu und hochfeste Stähle. Klingt nach konsequentem Leichtbau. Dennoch wiegt der Hyptec SSR 1,9 Tonnen – ziemlich stattlich für einen Supersportler. Die Chinesen können eben nicht aus ihrer Haut: Lederbezüge und Komfortausstattung bringen Gewicht ins Auto. Rund 500 Kilogramm gehen aufs Konto der Hochvolt-Batterie, die eine Kapazität von 75 kWh aufweist. Damit kommt der Hyptec SSR umgerechnet aufs europäische WLTP-Messverfahren auf rund 415 Kilometer Reichweite. Dass ein solcher Übersportler kein Reichweitenjäger ist, liegt auf der Hand.
Hyptec ist kein Schnäppchen
Damit der Hyptec SSR auch im Alltag glänzt, haben die Ingenieure einiges an Technik und Assistenzsystemen ins Auto gepackt. Im Cockpit blicken wir auf einen zentralen 14,6-Zoll-Touchscreen und 8,9-Zoll-Digitalinstrumente. Auch eine Bedienung per Sprache ist möglich. Und das ist auch nötig, schliesslich sollte man bei diesem Gerät stets die Hände am Lenkrad lassen. Die Bedienung erfolgt sonst über Drehknöpfe. In den Lenkradspeichen aktiviert man Helfer wie den Tempomaten, beim Rangieren hilft eine Rückfahrkamera. Der Rückspiegel ist ebenfalls digital, aber den braucht man in einem solchen Auto sowieso selten. Ob GAC den Hyptec SSR in die Schweiz bringt, ist nicht bekannt. Ein Schnäppchen ist er mit einem Preis ab umgerechnet rund 160'000 Franken jedenfalls nicht.