Erste Fahrt im Elektro-SUV BYD Tang
China baut jetzt auch Luxus-Träume

Der chinesische E-Auto-Riese BYD will endlich auch Europa erobern. Doch statt Günstig- sollen Premium-Modelle wie der umfangreich überarbeitete Elektro-SUV Tang den Erfolg bringen. Wir gingen auf Testfahrt im 517 PS starken Edelstromer – und sind überrascht.
Publiziert: 14.08.2024 um 13:30 Uhr
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Aktualisiert: 15.08.2024 um 15:51 Uhr
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BYD will endlich auch in Europa richtig Fuss fassen.
Foto: zVg
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Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

Die Fussball-EM 2024 in Deutschland ist Geschichte. Manche dürften noch dem bitteren Ausscheiden der Schweizer Nati gegen England nachtrauern. Andere nach wie vor über den Sieg der spanischen Equipe jubeln. Und wohl nicht wenigen dürfte der etwas kryptische Name BYD im Kopf herumschwirren. Kein Wunder: Der chinesische Autobauer war auf den Bandenwerbungen der Stadien omnipräsent. Dabei wussten viele Fans zu Beginn nicht einmal, wie das Unternehmen mit Sitz in der Tech-Metropole Shenzhen überhaupt richtig ausgesprochen wird. «Bid»? «Büt»? Da es sich bei BYD um die englische Abkürzung für «Build your dreams» (dt.: Baue deine Träume) handelt, werden die Buchstaben auch englisch ausgesprochen: Bi-wai-di.

Die Werbe-Offensive kommt nicht von ungefähr: Der mittlerweile grösste Elektro-Autobauer der Welt will endlich auch in Europa richtig Fuss fassen. Besonders auf dem grössten Markt Deutschland laufen die Verkäufe noch immer sehr schleppend: Die Statistiken verzeichnen weniger als 200 Neuzulassungen pro Monat! In der Schweiz wollten die Chinesen diesen Sommer starten – in den Verkaufsstatistiken tauchen sie bislang nicht auf. Umso erstaunlicher, dass BYD nicht mit weiterhin raren Günstig-Stromern bei der potenziellen Kundschaft punkten will, sondern sich bewusst als Premiummarke positioniert. Neuestes Beispiel: der für Europa fit gemachte Edel-SUV Tang.

Kann sich sehen lassen

Wir konnten das fast fünf Meter lange Elektro-Flaggschiff rund um Frankfurt am Main (D) ein erstes Mal unter die fetten 21-Zöller nehmen. Und müssen zugeben: Optisch macht der Tang was her! Das stark überarbeitete Frontlayout passt nun zur übrigen BYD-Designlinie, verzichtet auf übermässigen Schnickschnack und zieht sich gekonnt der Schulterlinie entlang zum wuchtig-eleganten Heck. LED-Leuchten vorn und hinten sind Serie, die Anhängelast liegt bei ordentlichen 1500 Kilo.

Auch innen lassen sich die Chinesen nicht lumpen und haben den Tang im Vergleich zum Vorgänger noch mal aufgewertet. Wir fassen an schöne Leder- und Alcantara-Oberflächen, staunen über dicke Lammfell-Fussmatten und stören uns einzig am nach wie vor leicht plastifizierten Geruch des Interieurs. Das 90 Grad drehbare 15,6-Zoll-Mitteldisplay kennen wir bereits aus dem kompakteren Seal U. Auch im Tang kann das Infotainmentsystem mit schöner Grafik und schneller Reaktionszeit punkten und lässt sich sowohl per Touch als auch über Sprachsteuerung gut bedienen. Die digitalen 12,3-Zoll-Instrumente und ein Head-up-Display sind serienmässig an Bord. Ebenso das grosse Panorama-Glasdach.

Viel Platz, viel Power

Gesessen wird im Tang ohnehin königlich: Vorn werden die Insassen mit beheiz- und belüftbaren Massagesitzen verwöhnt, hinten räkeln sich Gäste auf der jede Menge Platz bietenden Rückbank. Wird diese nicht ganz nach hinten geschoben, sitzen selbst grössere Passagiere in der dritten Reihe anständig – zumindest auf kürzeren Strecken. Wenn nicht gerade sieben Leute im Edel-SUV Platz nehmen, werden aus 235 Liter Ladevolumen 940 (mit 5 Plätzen) beziehungsweise 1655 Liter. Und damit fast eine halbe Junioren-Mannschaft in den Tang passt, hat BYD gleich fünf Isofix-Halterungen verbaut.

Die Ausstattung des Mega-Stromers ist üppig – und auch sein Gewicht: Über 2,6 Tonnen bringt der Edel-SUV auf die Waage. Umso erstaunlicher, wie leichtfüssig sich der Tang auf der Strasse bewegen lässt. Zwei E-Motoren mit zusammen 517 PS (380 kW) und maximal 700 Nm Drehmoment sorgen für Sportwagen-Feeling: Der Elektro-Koloss saust in unter fünf Sekunden bis zur 100er-Schwelle! Spitze: mehr als ausreichende 190 km/h. Und selbst bei Autobahntempo zieht der Tang noch straff vorwärts. Clever: Bei starker Beschleunigung oder ab 90 km/h werden offene Fenster automatisch geschlossen, um möglichst windschnittig unterwegs zu sein.

BYD Tang

Antrieb 2 Elektromotoren, 517 PS (380 kW), 700 Nm@1/min, 1-Gang-Automatikgetriebe, Batterie 108,8 kWh Kapazität, Ladeleistung AC/DC 11 kW/170 kW, Allrad
Fahrleistungen 0 bis 100 km/h in 4,9 s, Spitze 190 km/h, Reichweite WLTP 530 km
Masse L/B/H 4,97/1,96/1,75 m, Leergewicht 2630 kg, Laderaum 235–1655 l, Anhängelast 1500 kg
Verbrauch Werk 24 kWh/100 km, 0 g/km CO2 lokal, Energieklasse A
Preis noch nicht bekannt (Vorgänger ab 69'900 Euro)

Antrieb 2 Elektromotoren, 517 PS (380 kW), 700 Nm@1/min, 1-Gang-Automatikgetriebe, Batterie 108,8 kWh Kapazität, Ladeleistung AC/DC 11 kW/170 kW, Allrad
Fahrleistungen 0 bis 100 km/h in 4,9 s, Spitze 190 km/h, Reichweite WLTP 530 km
Masse L/B/H 4,97/1,96/1,75 m, Leergewicht 2630 kg, Laderaum 235–1655 l, Anhängelast 1500 kg
Verbrauch Werk 24 kWh/100 km, 0 g/km CO2 lokal, Energieklasse A
Preis noch nicht bekannt (Vorgänger ab 69'900 Euro)

Bei dem piepsts wohl

Doch der Tang macht nicht nur geradeaus eine gute Figur. Das neue Adaptiv-Fahrwerk ist zwar auf Komfort gebürstet, verrichtet aber auch in den schnell gefahrenen, engen Kurven des Taunus einen mehr als anständigen Job – kein übles Nachschaukeln oder übermässige Karosserieneigungen, wie wir das beim kompakteren Seal U bemängelten.

Einige Skurrilitäten fallen uns aber doch auf: Das Blinkergeräusch könnte auch ein Warnton für eine nicht ganz verschlossene Türe sein. Und das elektrische Zirpen des Elektroantriebs beim Gasgeben geht uns auf Dauer auf den Senkel – hier schafft nur die Soundanlage mit ihren zwölf Lautsprechern Abhilfe. Wären da nicht die permanenten Warntöne der serienmässigen 32 Assistenzsysteme: Irgendwas piepst im Tang immer.

Wie heiss wird der Preis?

Was eher selten piepst, ist die Warnung für geringe Reichweite. Die 108,8 Kilowattstunden fassende Lithium-Eisenphosphat-Batterie bringt den Elektro-Riesen theoretisch bis zu 530 Kilometer weit – knapp 500 dürften auch in der Praxis realistisch sein, auf der Autobahn wohl maximal 400. Und dort kommt die grösste Schwäche des Tang zum Vorschein: Die Riesen-Akkus können am DC-Schnelllader mit maximal 170 kW gefüllt werden, was für die Ladung von zehn auf 80 Prozent rund 45 Minuten in Anspruch nimmt. Das können andere Hersteller schon wesentlich schneller. Auch die AC-Ladeleistung von neu 11 kW (vorher 7,3 kW) ist nur Durchschnitt.

Unser Fazit: Der BYD Tang bietet jede Menge Luxusausstattung und Komfort, tolle Fahrleistungen und eine grosse Reichweite – echte Schwächen leistet sich der Mega-Stromer keine. Und so dürfte am Schluss auch der Preis entscheiden, ob die Schweizer Kundschaft beim baldigen Markteintritt den Tang der Konkurrenz vorzieht. Gemunkelt wird von mindestens 70'000 Franken. Ob BYD zu gross träumt? Wir werden es bald sehen.

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