Die Corona-Krise hat uns wieder mal ins Bewusstsein gerückt, was Föderalismus heisst. Der Flickenteppich des Kantönligeists sorgt dafür, dass man oft schon im Nachbardorf darf, was daheim verboten ist. Dass dem auch bei Motorfahrzeug-Steuern (auch Verkehrssteuern oder Strassenverkehrs-Abgaben genannt) so ist, ist nicht neu. Doch die Ungerechtigkeiten sind noch heftiger, als man oft denkt.
Wieso etwa kostet ein Audi Q7 im Kanton Genf fast schon das Sechsfache als im Kanton Schaffhausen? Und wieso bestrafen beide Appenzell Elektroautos, die in sieben anderen Kantonen im ersten Jahr gar nichts zahlen? Dies ist die wichtigste Erkenntnis einer neuen Analyse des Online-Vergleichsportals Comparis.ch. Der Boom der Elektroautos und Plug-in-Hybride verschärft die Ungleichheit noch.
Beide Appenzell bestrafen Stromer
Der Hintergrund sind völlig verschiedene Berechnungsgrundlagen (siehe Kasten). Das Gros der Kantone vergibt etwa Boni für geringe oder keine Abgase – laut Comparis schwanken sie zwischen 25 und 75 Prozent – und befreit einige Stromer von den Steuern. Andere Kantone (AI, AR, LU, SZ) kennen nicht nur keinen Ökobonus, sondern bestrafen Elektriker sogar. Appenzell Ausserrhoden etwa berechnet für den elektrischen VW ID.3 684 Franken im Jahr. Ein vergleichbarer VW Golf als 1.5-TSI-Benziner kostet dort gemäss Comparis dagegen nur 538 Franken – 146 Franken weniger.
Berechnet wird die Motorfahrzeug-Steuer kantonal wie folgt:
Hubraum oder Steuer-PS: AG, FR, GL, GR, LU, NW, OW, SH, SO, TG, VS, ZG.
Gesamtgewicht: AI, AR, BE, BL, JU, SG, UR.
Leistung und Gesamtgewicht: SZ, TI, VD.
Hubraum und Gesamtgewicht: ZH.
Leergewicht und CO2-Ausstoss: BS.
Leistung: GE.
CO2-Ausstoss: NE.
Kantonal kommt Förderung emissionsarmer oder -freier Autos hinzu.
Quelle: TCS.
Genutzt werden Verkehrssteuern kantonal verschieden: Manche Kantone weisen einen bestimmten Verwendungszweck zu, andere teilen die Einnahmen anhand eines Schlüssels mit ihren Gemeinden. Einige schränken die Verwendung ein, so dass die Motorfahrzeug-Steuern nur Strassenbau/-unterhalt dienen, und hier und da dienen sie Massnahmen zu Verkehrssicherheit und Umweltschutz.
Quelle: Comparis.
Berechnet wird die Motorfahrzeug-Steuer kantonal wie folgt:
Hubraum oder Steuer-PS: AG, FR, GL, GR, LU, NW, OW, SH, SO, TG, VS, ZG.
Gesamtgewicht: AI, AR, BE, BL, JU, SG, UR.
Leistung und Gesamtgewicht: SZ, TI, VD.
Hubraum und Gesamtgewicht: ZH.
Leergewicht und CO2-Ausstoss: BS.
Leistung: GE.
CO2-Ausstoss: NE.
Kantonal kommt Förderung emissionsarmer oder -freier Autos hinzu.
Quelle: TCS.
Genutzt werden Verkehrssteuern kantonal verschieden: Manche Kantone weisen einen bestimmten Verwendungszweck zu, andere teilen die Einnahmen anhand eines Schlüssels mit ihren Gemeinden. Einige schränken die Verwendung ein, so dass die Motorfahrzeug-Steuern nur Strassenbau/-unterhalt dienen, und hier und da dienen sie Massnahmen zu Verkehrssicherheit und Umweltschutz.
Quelle: Comparis.
Die Liste (siehe Comparis-Tabelle in der Bildergalerie) lässt sich beliebig fortführen. Dass ein Audi Q7 55 TFSI Quattro in Genf mit 2130 Franken extrem viel mehr Steuern kostet als in Schaffhausen mit nur384 Franken, mag bei 85'200 Franken Neupreis ja noch angehen. Aber dass ein Renault Twingo TCe 95 für günstige 16'900 Franken zwar in Freiburg, Glarus, Nidwalden und St. Gallen bei null, in Zürich bei 28, im Aargau schon bei 180 und im Jura bei 468 Franken pro Jahr liegt? Der E-Bruder Twingo Electric wird dafür fast überall gefördert. Fast: Im Aargau ist er «nur» gleich teuer, in Schaffhausen sechs Franken, aber in beiden Appenzell viel teurer (AI um 36, AR um 95 Fr.).
Auch fette Stromer bevorzugen?
Umgekehrt stolpert man über Elektro-Eigenartigkeiten. Wieder das Beispiel Genf: Der Kanton bestraft fette SUVs, indem etwa der Q7 über zehnmal mehr kostet als ein Renault Twingo. In Jura, Baselland oder Luzern ist es lediglich das Doppelte. Aber machts Sinn, dass ein elektrischer Audi E-Tron 55 Quattro gegenüber dem Q7 trotz höherem Gewicht (2,6 statt 2,4 Tonnen) und Power (408 statt 340 PS) statt 2130 Franken keinen Rappen kostet – nur weil er Strom statt Sprit verbraucht?
«Die hohe Besteuerung der grossen und leistungsstarken Benziner im Kanton Genf zeugt von einer radikalen Gesinnung, ist aber nicht konsequent», kritisiert Comparis-Gebührenexperte Leo Hug. Der Grund: Genf befreie auch die schweren Stromer in den ersten Jahren von Abgaben: «Auch E-Fahrzeuge belasten Strassen und schaden durch den Pneuabrieb und die Batterieherstellung der Umwelt», erklärt Hug.