Schon vor zwei Jahren fing es an, dass der VW Golf langsam in Vergessenheit geriet. Damals stiess ihn der Skoda Octavia nach 41 Jahren vom Thron der Schweizer Verkaufscharts. Der seit 1974 den Ton in der Kompaktklasse angebende Golf war plötzlich nicht mehr das Lieblingsauto der Schweizer.
Doch eigentlich will er vergessen werden, und das macht ihn unvergesslich: Ein Golf mag langweilig wirken, aber ist eben ein so gutes Auto, dass er als Vorbild der ganzen Kompaktliga dient – der «Golf-Klasse» eben. An ihm misst sich die Konkurrenz von Ford Focus über Hyundai i30, Opel Astra, Peugeot 308 bis Toyota Corolla. Meist beissen sie sich am Golf die Zähne aus, und wenn dem Klassenprimus doch mal einer ganz nahekommt, rollt bestimmt schon bald die nächste Golf-Generation an. Kann die achte Auflage die Konkurrenz wieder distanzieren, auch wenn der Golf den E-Antrieb dem ID.3 überlassen muss?
Das ist neu
Für den sich behutsam verändernden Golf ist das Cockpit der Neuauflage nicht nur neu, sondern eine Revolution. Ausser am Lenkrad können wir keine echten Knöpfe mehr drücken. Was sich nicht über Touchscreen bedienen lässt, wird über Touch-Schaltflächen angesteuert. Etwa Temperatur oder Lautstärke. Das Multimediasystem erinnert mit seinen Kacheln und dem Homebutton (den wir erst mal finden mussten ...) stark ans iPad, lässt sich auch entsprechend intuitiv bedienen und bleibt mit einfacher Darstellung voll seniorentauglich.
Die Instrumente sind digital und lassen sich über die Lenkradtasten individuell zusammenstellen. Dazu weicht beim Automat der klobige Wählhebel einem coolen Joystick.
Das gefällt uns
Der Golf bleibt handlich: Er wird nur zwei Zentimeter länger (4,26 m), drei Zentimeter flacher (1,45 m) und bleibt 1,80 Meter breit. Auch sieht er fast gleich aus – und das ist auch gut so. Nicht das gewisse Extra, aber eben auch keine übermütigen Ecken und Kanten. Am besten erkennt man den Neuen von hinten: Die LED-Rückleuchten sehen cool aus, der Golf-Schriftzug unter dem VW-Logo verleiht ihm Selbstbewusstsein. Das hatte VW beim Arteon begonnen.
Dazu hilft uns der Golf beim vorausschauenden Fahren. Er weiss, dass wir auf einen Ort zufahren und rät, den Fuss vom Gas zu nehmen. Folgen wir dem Rat, passieren wir die Ortstafel mit ziemlich genau 50 km/h – er rollt zielgenau aus. Reicht es mit schlichtem Ausrollen nicht oder ist ein langsameres Fahrzeug vor uns, bremst er sogar aktiv selber – solange wir nicht wieder Gas geben.
Das gefällt uns weniger
Beim Blick aufs Preisschild müssen wir schlucken. Fast 44'000 Franken kostet unser Testwagen und hat noch längst nicht alle Extras drin. Rückfahrkamera (340 Fr., mit Selbst-Park-Assistent 630 Fr.) und schlüsselloser Zugang (830 Fr.) fehlen. Beides ist bei der Konkurrenz in der höchsten Ausstattung meist selbstverständlich. Noch selten in der Kompaktklasse ist das Head-up-Display (740 Fr.). Aber eben: Den Mazda 3 zum Beispiel gibts mit allen diesen Extras sowie schönem Leder-Interieur schon für 40'000 Franken. Für 55'000 Franken lockt schon eine gut ausgestattete Mercedes A-Klasse mit 70 PS mehr.
Doch dafür spürt man im Golf umgekehrt, wie viel Feinschliff in ihm steckt – und der kostet eben. Auch wenn die Schalter etwa am Lenkrad schon solider waren, spüren wir, wie viel Arbeit in die achten Generation investiert wurde. Viel Aufwand dafür, dass er bleibt, wie er immer war. Und es gibt ja weiterhin den «Volks-Golf» ab 29'450 Franken bei ordentlicher Ausstattung.
Und so fährt er sich
Souverän unauffällig fährt sich unser Testwagen mit 150-PS-Turbobenziner. Damit ist der Golf für den Alltag ausreichend motorisiert. Die elektrische Unterstützung des Mildhybrid-Systems stopft das Turboloch und macht Anfahrschwächen vergessen. Die Doppelkuppler-Automatik legt jederzeit den richtigen Gang ein, sodass wir die Hände von den Schaltwippen lassen. Die Lenkung ist präzise und gehorcht aufs Wort, ohne hypersensibel zu sein. Auch das ausgewogene Fahrwerk federt exzellent, kann trotzdem auch kurven und fällt im besten Sinne nie auf. Hinzu kommt, dass es innen sehr leise ist. Motor, Reifen oder Fahrtwind hören wir kaum. Sobald wir aussteigen, vergessen wir den Golf wieder – im positiven Sinne, weil er einfach alles souverän kann.
Dabei ruft er sich auch nicht an der Tankstelle unangenehm in Erinnerung. 6,2 Liter im Schnitt gönnt sich der Golf im BLICK-Test. Ein solider Wert nahe der Werksangabe und viel sparsamer sind Mildhybride heute eben noch nicht.
BLICK-Fazit
Golf bleibt Golf: Auch die Nummer acht ist das Mass der Dinge in ihrer Liga und gerade deshalb das ideale Alltagsauto, weil sie völlig unaufgeregt bleibt. Umso mehr bedauern wir, dass es keine Elektroversion geben wird. Das muss der Golf dem ID.3 überlassen, weshalb der achte der letzte Golf sein könnte. Aber ob der VW-Stromer ein so souveränes Auto ist wie sein konventioneller Bruder, muss er erst noch unter Beweis stellen: Ein totgesagter Golf lebt länger.
Antrieb 1.5-R4-Mildhybrid-Turbobenziner, 150 PS (110 kW), 250 Nm@1500–3500/min, 7-Stufen-Doppelkupplungs-Automat, Frontantrieb
Fahrleistungen 0–100 km/h in 8,5 s, Spitze 224 km/h
Masse L/B/H = 4,26/1,80/1,45 m, 1531 kg, Ladevolumen 381–1237 l
Verbrauch Werk/Test 6,0/6,2 l/100 km, 137/144 g/km CO2, Energie A
Preis ab 38'900 Fr. (Basis: 1.0 TSI, 110 PS, ab 29'450 Fr.)
Testwagen 43'615 Fr. inkl. Optionen: Delfingrau-Metallic 860 Fr., VW Garantie +4 Jahre/100'000 km 850 Fr., Noral-Finish 100 Fr., u.a.
Plus smartes Cockpit, intelligente Rekuperation, bleibt ein Golf, cooles Licht
Minus keine Rückfahrkamera, kein schlüsselloser Zugang
Antrieb 1.5-R4-Mildhybrid-Turbobenziner, 150 PS (110 kW), 250 Nm@1500–3500/min, 7-Stufen-Doppelkupplungs-Automat, Frontantrieb
Fahrleistungen 0–100 km/h in 8,5 s, Spitze 224 km/h
Masse L/B/H = 4,26/1,80/1,45 m, 1531 kg, Ladevolumen 381–1237 l
Verbrauch Werk/Test 6,0/6,2 l/100 km, 137/144 g/km CO2, Energie A
Preis ab 38'900 Fr. (Basis: 1.0 TSI, 110 PS, ab 29'450 Fr.)
Testwagen 43'615 Fr. inkl. Optionen: Delfingrau-Metallic 860 Fr., VW Garantie +4 Jahre/100'000 km 850 Fr., Noral-Finish 100 Fr., u.a.
Plus smartes Cockpit, intelligente Rekuperation, bleibt ein Golf, cooles Licht
Minus keine Rückfahrkamera, kein schlüsselloser Zugang