Ausgerechnet in der Corona-Krise sind elektrische und elektrifizierte, also sogenannte «Steckerautos», die einzigen Fahrzeuge, die noch boomen. Letztes Jahr brach der Schweizer Neuwagen-Absatz auf den tiefsten Wert seit der Ölkrise der 1970er-Jahre ein. Im Vergleich zu 2019 um 24 Prozent. Doch gleichzeitig legten Elektroautos um 48 und Plug-in-Hybride (PHEVs) gar um 239 Prozent zu.
Jedes siebte neue Auto ist jetzt eins mit Stecker. Das liegt, logisch, auch ganz wesentlich an der Modellexplosion in jeder Klasse. Beispiel VW: Der ID.3 stiess zum Golf, die auslaufende E-Umbau-Variante E-Golf wurde günstig abverkauft, und wie von fast jedem neuen Modell gibts einen PHEV. Und jeder Hersteller pusht, um sich früh zu positionieren und CO2-Strafzahlungen zu vermeiden.
Widerspricht Krisenerfahrung
Nur: Dieses Käuferverhalten widerspricht allem, was man über Krisen weiss. Sichere Werte wie Immobilien und Gold werden da gekauft, Konsumgüter wie Neuwagen lieber auf bessere Zeiten verschoben. Aber Elektro- und Plug-in-Hybrid-Autos sind ja unverändert teurer als Autos mit Verbrennungsmotor.
Dennoch tritt der Effekt in fast allen Ländern auf. Beispiel Deutschland (Zahlen per Ende November 2020): 22 Prozent weniger Neuwagen, aber 383 Prozent mehr PHEV- und 523 Prozent mehr E-Autos. Als Grund gilt gemäss Experten vor allem die staatliche Kaufförderung, die zur Wirtschaftsbelebung in der Krise manchenorts noch ebenso angekurbelt wurde wie – Beispiel China – der Ausbau der Lade-Infrastruktur. Aber: Bei uns in der Schweiz fehlt eine ähnliche Förderung.
Elektrisch wird attraktiver
Woran also liegts noch? Die International Energy Agency (IEA) merkt an, dass «elektrische Autos sukzessive wettbewerbsfähiger» würden: Die Betriebskosten sind tief, die Kaufpreise sinken. Zudem hätten viele Länder der Versuchung widerstanden, zum Anschieben der Autoverkäufe Abgasgrenzen aufzuweichen: Der gesunkene Ölpreis führt dadurch nicht zu einer Rückkehr zu Verbrennern.
Das Mediennetzwerk «The Conversation» vermutet, die Lockdowns und Homeoffice hätten das Nutzerverhalten stark verändert. Sprich: Werden die Fahrten kürzer, ist Reichweite kein so brisantes Thema. Zudem seien E-Käufer wohl im Schnitt wohlhabender und daher von Corona finanziell weniger getroffen. «Der möglicherweise wichtigste Treiber» könne jedoch sein, dass Corona das Öko-Bewusstsein geschärft habe. Zwar fehlten noch Studien dazu, aber es gebe viele «Hinweise, dass Covid-19 unsere Sorge um die Umwelt verstärkt hat».
Mehr Luft und mehr Zeit
Noch sind das alles nur Vermutungen. Ebenso, dass in dieser Krise besonders sozial rücksichtsvolles Verhalten wie Maskentragen gefragt gewesen sei – und so sich das Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesellschaft mit verändert habe.
Der Chef der britischen Centrica zitiert eine Studie: 45 Prozent der Elektro-Käufer seien wegen spürbar saubererer Luft während des Lockdowns aufs E-Auto gekommen – und 17 Prozent habe dies in ihrer bereits für ein E-Auto gefällten Entscheidung bestätigt. Und vermuten darf man nicht zuletzt auch schlicht: Im Lockdown hatten wir viel Zeit. Die mag manch ein zuvor eher skeptischer Autokäufer lesend genutzt und so E-Vorurteile abgebaut haben.