Manchmal steckt der Teufel im Detail. Nur zwei der zahlreichen IT-Funktionen des neuen ID.3 funktionieren noch nicht. Das betont der neue VW-CEO Ralf Brandstätter und konkretisiert damit, wie gross – oder klein? – das Ausmass der kolportierten Software-Probleme mit dem neuen VW-Volksstromer ist. Das bedeutet: Das 4,26 Meter lange Elektroauto kann ab kommender Woche von den vorregistrierten Kunden offiziell bestellt werden.
VW ist zuversichtlich, dass aus den über 35'000 Vorbestellungen mindestens 30'000 fixe werden. Die Fahrzeuge werden seit Monaten im Werk Zwickau (D) in der sogenannten First Edition vorproduziert. Wer sich bislang nicht vormerken liess, kann seinen ID.3 ab Mitte Juli bestellen – und erhält das Fahrzeug dann im vierten Quartal 2020 geliefert. Die First Edition gibts ab ca. 52'000 Franken (noch immer steht der definitive Schweizer Preis nicht fest, das Einstiegsmodell soll aber ab rund 32'000 Franken kosten) nur mit 204 PS, dem mittleren 58-kWh-Akku mit bis zu 420 km Reichweite, in vier Farben und drei fixen Ausstattungspaketen. Nur durch die vorkonfigurierten Ausstattungspakete ist es überhaupt möglich, dass die ersten ID.3 nun ab Anfang September mit lediglich dreimonatiger Verspätung ausgeliefert werden können.
Software-Nachlieferung per Funk
Sonst hätte die Corona-Krise die Planungen noch mehr durchkreuzt, als dies sowieso schon der Fall war. «Unsere grossangelegte Elektro-Offensive wird mit dem VW ID.3 nun auf der Strasse sichtbar. Das Auto unterstreicht unseren Anspruch, alltagstaugliche und bezahlbare lokale, emissionsfreie Mobilität für alle anzubieten», sagt der eben vom COO zum CEO aufgestiegene Brandstätter.
Seit Wochen sorgten Entwicklungsprobleme der komplexen Elektronikarchitektur beim ID.3 für Schlagzeilen. Und als auch der Golf 8 mit einem Elektronikproblem beim Notrufsystem einen Produktionsstopp verursachte, befürchtete man das Schlimmste. Doch jetzt gibt der neue VW-Boss Brandstätter Entwarnung. Der ID.3 kommt – und die noch zickenden Funktionen Augmented Head-up-Display und Connect-App fürs iPhone werden per Software-Update nachgeliefert. Denn der ID.3 ist der erste VW, der wie bei Tesla per Funk – over the air – aufgefrischt werden kann. Nur noch für grössere technische Änderungen muss er zum Service.
Fahrwerk und Lenkung passen nun
Dass der ID.3 so gut wie fertig entwickelt ist, merken wir schon nach ein paar Kilometern auf dem Testgelände und öffentlichen Strassen. Kraftvoll war er dank seiner 204 PS und 310 Nm bereits in der Erprobung; doch nun passen auch die Abstimmung von Fahrwerk und Lenkung des über 1,7 Tonnen schweren Elektromodells mit Hinterradantrieb. Dazu sind die nervenden Geräusche der Aussenspiegel und aus den vorderen Radhäusern verschwunden. Überhaupt glänzt der neue Elektro-VW mit einem sehr niedrigen Geräuschniveau und ausgewogenem Fahrverhalten.
Der Fahrer hat die Wahl, den ID.3 wie einen Verbrenner im D-Fahrprogramm oder im B-Modus mit maximaler Rekuperation und nur mit dem Fahrpedal zu bewegen – nimmt man den Fuss weg, bremst und rekuperiert der ID.3, ohne dass man mit den mechanischen Bremsen Energie verschwenden müsste. Was gefällt, sind der niedrige Schwerpunkt und die gute Rückmeldung der allerdings sehr leichtgängigen Lenkung. Wer über den Taster unter dem Navi-Display das Fahrprogramm auf sportlich wechselt, erhält mehr Rückmeldung und ein strafferes Gesamtpaket. Aber kaum anzunehmen, dass dies im Alltag jemand bei einem Elektro-Kompaktwagen ohne sportlichen Anspruch nutzt.
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Karger Innenraum mit viel Platz
Überzeugen Fahrverhalten und Platzangebot, muss man sich ans allzu nüchtern geratene Interieur erst gewöhnen. Die Plastikoberflächen wirken nicht so wertig wie bei einem VW Golf, und das Instrumentendisplay hinter dem Steuer ist klein. Daran ändern auch das optional verbaute Head-up-Display oder die gute Sprachbedienung nichts.
Generell werden wir den Verdacht nicht los, dass bei verschiedenen Details im ID.3-Cockpit der mehr als sieben Jahre alte BMW i3 als Vorbild genommen wurde. Das gilt nicht nur für den wenig gemütlichen Innenraum, sondern auch für die Anordnung der beiden Displays oder die gewöhnungsbedürftige Bedienung der Gangwahl via Bediensatellit rechts hinter dem Lenkrad.
Doch den ersten ID.3-Kunden wird dies ebenso egal sein wie der VW-Führung. Zu gross ist die Freude und der Stolz, dass der ID.3 trotz Corona-Krise und Elektronikproblemen nun doch fast pünktlich auf unsere Strassen rollt.