Auf einen Blick
- Lexus will technologischer Vorreiter bei elektrischen Antrieben werden
- Lexus setzt auf traditionelle Handwerkskunst und europäisches Design
- Künftige Modelle mit Reichweiten bis 1200 Kilometer
Geduld und Zuversicht. So titelte der «Spiegel» vor ziemlich genau 20 Jahren über den japanischen Autobauer Lexus. Im Jahr 2003 hatte die erst 1988 gegründete Marke weltweit gut 324'000 Autos abgesetzt und galt als wichtigste Nobel-Automarke in den USA. In Japan indes stand sie erst kurz vor dem Launch – und in Europa rollte sie noch durchs Nirgendwo der Verkaufsstatistiken.
Eine Verbesserung der Situation versprachen damals vor allem Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen. Und die zahlte sich tatsächlich aus. Zwei Jahrzehnte später hat sich der globale Absatz nahezu verdreifacht, gehört Lexus zu den 20 bekanntesten japanischen Marken und ist weiterhin eine grosse Nummer in den USA. Europaweit wurden 2023 immerhin 74'000 Einheiten abgesetzt; in der Schweiz legte Lexus von 2022 auf 2023 um 59 Prozent zu und Stand Ende September in diesem Jahr nochmals um 29 Prozent.
Ambitionierte Ziele
Mit 571 Neuwagen bisher in diesem Jahr liegt man zwar weit hinter der deutschen, aber hält die asiatische Konkurrenz locker auf Distanz: Hyundais Nobelmarke Genesis brach um über die Hälfte ein, die Nissan-Edeltochter Infiniti hat mangels Geduld und Zuversicht ihr Europa-Abenteuer längst beendet und Hondas Luxus-Abteilung Acura traute sich gar noch nie zu uns. Die Lexus-Bestseller? Der Mittelklasse-SUV NX, gefolgt vom zuletzt lancierten Kompaktmodell LBX. Vor allem beim Interieur legten die Lexus-Modelle zuletzt zu – dank der Rückbesinnung auf die traditionelle japanische Handwerkskunst der sogenannten Takumi-Meister und der Arbeit des europäischen Lexus-Designzentrums ED2 in Nizza (F).
Allein: Nur mit Geduld und Zuversicht kann und will die Edelmarke des Weltmarktführers Toyota nicht in die Zukunft rollen. Ajimigaki, japanisch «der Weg zu einem neuen Geschmack», heisst nun die neue Strategie. Lexus soll zum technologischen Vorreiter im Toyota-Konzern bei den rein elektrischen Antrieben und der Fahrdynamik avancieren. Die Ziele von Toyota bei den CO₂-Emissionen in Europa sind ambitioniert: CO₂-neutrale Produktion und eine elektrische Version in der jeder Modellreihe bis 2030, vollständig klimaneutrale Neuwagen bis 2035 und ab 2040 soll das gesamte Unternehmen CO₂-neutral wirtschaften. Da sind deutlich mehr als aktuell unter ein Prozent Stromer-Anteil an den Verkäufen konzernweit nötig.
Lexus als Speerspitze
Gleichzeitig steckt der Lexus-Mutterkonzern aber in einer Zwickmühle: Global gesehen, macht Europa mit seinem 2035 in Kraft tretenden Verbot von Verbrenner-Fahrzeugen nur rund 15 Prozent der Toyota-Verkäufe von 11,2 Mio. Einheiten im letzten Jahr aus. Den Löwenanteil setzt das Unternehmen in noch sehr Elektro-fernen Regionen ab: Süd- und Südostasien, Afrika und Südamerika, wo zudem völlig andere Modelle gefragt sind als in Europa. Dort bleiben Verbrennungsmotoren weiter das Mass aller Dinge – Toyota stellte zuletzt gar eine komplett neue Benziner-Generation vor, die gemeinsam mit den Partnern Mazda und Subaru genutzt werden soll. Ausserdem ist der Konzern in der Wasserstoff-Technologie als Teil einer nachhaltigen Energiewirtschaft engagiert und wird den Brennstoffzellenantrieb gemeinsam mit BMW weiter verfolgen.
Toyota als Konzern bleibt also technologieoffen – mit Lexus als elektrischer Speerspitze, die auf die Bedürfnisse von Schwellenmärkten keine Rücksicht nehmen muss. Und die sich deshalb neu aufstellt und mehr Eigenständigkeit im Konzern erhält. Im März wurde ein neues Hauptquartier mit Forschungszentrum in Toyota City nahe der japanischen Metropole Nagoya bezogen – räumliche Nähe soll dort die Entwicklungsprozesse deutlich beschleunigen. Eine neue Software-Architektur namens Alene soll nach Tesla-Vorbild die Fahrzeuge langfristig zukunftsfähig machen und auch bei der Karosserieproduktion lässt man sich vom Elektro-Marktführer aus den USA inspirieren: Das sogenannte Gigacasting, also der Guss einer kompletten Karosserie aus wenigen Einzelteilen statt dem Verschweissen aus zahllosen gepressten Blechteilen, könnte neue Freiheiten beim Design geben und die Fertigungskosten senken.
Bis zu 1200 Kilometer Stromer-Reichweite?
Der Architekt hinter dem Umbau ist der neue Toyota-Konzernchef Koji Sato (55), der im letzten Jahr Akio Toyoda (68) ablöste. Er leitete zuvor sieben Jahre lang Lexus und seit 2020 auch die Toyota-Motorsportabteilung Gazoo Racing– und sieht die Elektrifizierung als Schlüsselthema. Besonders wichtig dabei wird die Batterieentwicklung- und -fertigung: Beides sollte möglichst inhouse erfolgen, um von der ganzen Wertschöpfungskette von der Zelle bis zum kompletten Akku profitieren zu können. Dazu wird der Lexus-Mutterkonzern das gemeinsam mit dem Batteriespezialisten Panasonic gegründete Joint Venture Primearth vollständig übernehmen.
Priorität hat derzeit neben der Entwicklung günstiger Lithium-Eisenphosphat-Zellen eine dreistufige Batteriestrategie für die kommenden Lexus-Modelle. Den Anfang macht schon 2026 die Serienversion des Concept Car LF-ZC, die WLTP-Reichweiten von mehr als 800 Kilometer schaffen und sich innert 20 Minuten von zehn auf 80 Prozent aufladen lassen soll. Gegenüber aktuellen Akkus soll die Batterie zudem um bis zu 20 Prozent günstiger werden. Zweite Stufe wird eine Batterie mit flüssigem Elektrolyt für mehr als 1000 Kilometer Reichweite ab 2027 oder 2028, bevor danach das Zeitalter der Festkörperbatterien mit bis zu 1200 Kilometern Reichweite beginnen soll – wahrscheinlich mit einem Elektro-Sportwagen.
Design für Windschlüpfigkeit
Voraussetzung für den deutlichen Reichweitenzuwachs ist die neue Designlinie Ajimigaki: Künftige Lexus-Modelle werden ihre besonders flachen Batterien am tiefsten Punkt der Karosserie tragen – das hilft auch der Fahrdynamik auf die Sprünge – und sollen mit weniger als 0.2 Luftwiderstandsbeiwert Bestwerte bei der Aerodynamik setzen. Bei der zweiten Lexus-Studie namens LF-ZL – wohl der Elektro-Nachfolger des Luxusliners LS – erkennt man die strömungsgünstige Tropfenform beim Blick von oben. Lexus-Designchef Simon Humphries (57) verspricht zudem: Der Geschmack soll beim Design auch nicht zu kurz kommen.