Beim Thema Mobilität ist die Welt zweigeteilt. Hier die etablierten Industrienationen mit ihren klima- und umweltpolitischen Zielen, die auf Elektromobilität umstellen wollen. In der Europäischen Union (EU) hat man sich sogar schon festgelegt: Ab 2035 sollen auf den EU-Märkten keine Verbrenner-Autos mehr neu eingelöst werden dürfen.
Und auf der anderen Seite stehen die Staaten des globalen Südens, bei denen das Auto für jedermann und jede Frau noch längst nicht zum Alltag gehört. Und in denen oft noch unsere abgelegten Verbrenner-Modelle fahren, bis diese auseinanderfallen. Früher verschifften europäische Hersteller gleich komplette Fertigungsstrassen auslaufender Modelle gen Afrika oder Südamerika und bauten diese dort für den lokalen Markt oft noch Jahrzehnte weiter. Laxere Abgas- und Crashnormen machten es möglich. Elektroautos? Scheinen angesichts Strommangel in vielen Ländern und wegen der fehlenden Ladeinfrastruktur undenkbar.
Das Geld ist das Problem
Dennoch macht jetzt ein Staat in Ostafrika ernst mit der Mobilitätswende hin zum Elektroauto. Seit dem 30. Januar 2024 dürfen in Äthiopien, das über keine eigene Autoproduktion verfügt, keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr importiert werden. Faktisch bedeutet dies also ein Verbrennerverbot bei Neuwagen. «Wir lassen nur noch Elektroautos nach Äthiopien», sagt Verkehrsminister Alemu Sime gegenüber spiegel.de.
Der Grund: Dem Land fehlen die Devisen – also die nötigen Mittel in ausländischen Währungen –, um ausreichend Benzin und Diesel für die heimische Fahrzeugflotte importieren zu können. Mehr als sechs Milliarden US-Dollar gab das Land zuletzt im Jahr dafür aus – zu viel angesichts der aktuellen Finanzlage. Strom ist dank der Wasserkraftwerke im Flusslauf des Nils dagegen im Überfluss vorhanden. Ein weiterer kurz vor der Fertigstellung stehender Damm am Blauen Nil wird die Stromproduktion gar noch verdoppeln. Daran dürfte die Mobilitätswende also nicht scheitern.
China-Marken profitieren
Doch bisher rentierte eine flächendeckende Ladeinfrastruktur mangels E-Autos nicht. Und auch der generelle Ausbau des Leitungsnetzes harzte. Doch das will Sime schnell ändern. Mehr als 2000 E-Ladestationen sollen im ganzen Land errichtet werden; die Hälfte in der Hauptstadt Addis Abeba. Mit einem Aktionsplan will Sime zudem bis 2030 rund 500'000 E-Autos auf den Strassen haben. Das wären rund 40 Prozent des aktuellen Fahrzeugbestandes von 1,2 Mio. bei einer Bevölkerung von 126 Mio. Menschen. Aktuell sind 150'000 Stromer unterwegs – dank staatlicher Zuschüsse beim Kauf seit 2022.
Vom E-Auto-Boom profitieren europäische Hersteller, aber vor allem chinesische Marken, deren Preise eher ins schmale Budget äthiopischer Kundinnen und Kunden passen. Vor 14 Jahren wagte eine britische Fotovoltaik-Firma namens Freestyle sich sogar an den Bau eines einheimischen E-Autos namens Solaris Elettra, aber es blieb bei der Ankündigung. Weil Elektroautos einfacher zu bauen und zu konstruieren sind, sehen Experten heute aber eine Möglichkeit für eine Fertigung in Äthiopien. Teils werden bereits E-Autos als Bausätze importiert und dann im Land zusammengesetzt.
Töffs müssen umgerüstet werden
Alternativen zum Auto? Lange hat die Regierung den unteren Einkommensgruppen geraten, doch zu Fuss oder traditionell per Maultier unterwegs zu sein. Andererseits ist das Land fast 27-mal grösser als die Schweiz – zunehmend werden Langstrecken daher mit dem Flugzeug zurückgelegt. Und der ÖV? Immerhin gibt es in Addis Abeba schon eine Strassenbahn.
Eines aber dürfte besonders einschneidend sein: Motorräder sind viel erschwinglicher als Autos, dürfen aber ebenfalls nur noch elektrisch unterwegs sein. Altfahrzeuge müssen die Äthiopierinnen und Äthiopier sogar umrüsten lassen.