Richtig ist: Die Nachfrage nach Elektroautos ist in den meisten Ländern Europas nicht so gross, wie von den Herstellern erhofft. Besonders in der Autonation Deutschland sind die Verkaufszahlen in den letzten Monaten massiv eingebrochen. Das hat einen simplen Grund: Die bisher gewährte Kaufprämie auf Stromer fällt seit Anfang Jahr weg. Wurden im Dezember 2023 noch knapp 55'000 E-Autos neu in Verkehr gesetzt, waren es im Februar 2024 nur rund 27'500.
Die Ziele der deutschen Regierung, bis 2030 15 Millionen E-Autos auf die Strasse zu bringen, halten Industrie und Branchenexperten schon seit längerem für unrealistisch. Laut Stefan Bratzel, Leiter des renommierten Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach (D), wird das Ziel «bei weitem verfehlt». Realistisch dürften es 7 bis 8 Millionen Stromer bis 2030 werden – also halb so viele wie geplant.
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EU-weit mehr E-Autos
Während in Deutschland die Verkaufszahlen von E-Autos zurückgehen, stiegen sie EU-weit im Januar allerdings um satte 30 Prozent; im Februar betrug das Plus immerhin noch neun Prozent. Damit machen Elektroautos mittlerweile zwölf Prozent des gesamten PW-Bestands in der EU aus. Auch in der Schweiz ziehen die E-Auto-Verkäufe nach einem verhaltenen Start ins 2024 wieder an: Im Februar betrug der Marktanteil reiner Stromer fast 17 Prozent; weitere zehn Prozent machen wiederaufladbare Plug-in-Hybride aus.
Opel rudert zurück
Trotzdem scheint die Stimmung auf dem E-Automarkt getrübt. Und erste Hersteller reagieren nervös: Noch vor einem Jahr verkündete Opel-Chef Florian Huettl (47), dass der deutsche Autobauer im Stellantis-Konzern ab 2028 in Europa «ausschliesslich elektrische Fahrzeuge» anbieten wolle. Daran bestehen allerdings Zweifel, wie die deutsche Fachzeitung Automobilwoche analysiert: Wolle Opel am Ziel festhalten, müssten die Rüsselsheimer bis 2028 selbst in diesem Jahr neu eingeführten Modellen den Mild- oder Plug-in-Hybridantrieb wieder entziehen. Nicht nur finanziell wäre das eine fragwürdige Entscheidung.
Gerade erst wurde bekannt, dass die Neuauflage des Opel-Familien-SUVs Grandland dieses Jahr nicht wie ursprünglich angekündigt als reiner Stromer startet, sondern parallel weiterhin – analog zum Schwestermodell Peugeot 3008 – mit Hybridantrieb angeboten wird. Auch die später folgenden Opel-Neuheiten – der Newcomer Frontera Ende 2024 und der überarbeitete Kompakt-SUV Mokka 2025 – sollen weiter auch als Mildhybride im Showroom stehen.
Maserati geht elektrisch voraus
Dass die E-Auto-Euphorie aber keinesfalls überall verflogen ist, zeigt ausgerechnet Maserati. Der italienische Sportwagenbauer, bekannt für seine bollernden V6- und V8-Verbrenner, hat soeben verkündet, bereits ab 2028 nur noch rein elektrische Boliden anbieten zu wollen – zwei Jahre früher als ursprünglich geplant. Dies ist umso erstaunlicher, da Maserati bis heute noch keinen einzigen Folgore – diesen Zusatz (ital. für Blitz) werden alle reinen Stromer tragen – auf der Strasse hat. Der bereits für letztes Jahr angekündigte Gran Turismo Folgore (hier gehts zum Fahrbericht) soll in den kommenden Wochen endlich zu den Händlern rollen, im Sommer das Cabrio folgen.
Viel wichtiger mit Blick auf die Absatzzahlen dürfte aber die rein elektrische Version des Kompakt-SUVs Grecale werden – Maseratis absoluter Bestseller. Er soll ebenfalls noch vor dem Sommer starten. Gleichzeitig stellt Maserati dieses Jahr sowohl die beiden Limousinen Ghibli und Quattroporte als auch den Oberklasse-SUV Levante ein. Bis für die Flaggschiffe elektrischer Ersatz parat steht, wird es allerdings dauern. Frühestens 2027 soll der Levante-Nachfolger mit dem Zusatz Folgore auf die Strasse rollen. Die neue Generation der Luxuslimousine Quattroporte gar erst 2028. Zwischendurch erweitert Maserati sein Stromerangebot mit den beiden Supersportlern MC20 und MC20 Cielo, die bereits im nächsten Jahr aus den Produktionshallen in Modena (I) rollen sollen.
Die Budgetstromer kommen
Dass sich die E-Mobilität aber nicht nur bei Topverdienern, sondern auch bei Otto-Normal-Autofahrern durchsetzt, dafür dürften die immer günstiger und zahlreicher werdenden Budgetstromer sorgen. So steht bei Citroën der Elektro-Kleinwagen ë-C3 in den Startlöchern, der ähnlich wie der legendäre Döschwo die Massen mobilisieren soll – diesmal halt elektrisch. Möglich machen solls ein Startpreis von unter 25'000 Franken bei einer Reichweite von mehr als 300 Kilometern. 2025 soll eine noch günstigere Einstiegsversion folgen.
Noch in diesem Jahr wird der kürzlich am Mini-Autosalon in Genf vorgestellte Renault R5 auf den Markt kommen. Auch er soll wie sein legendärer Urahn ein Auto für die breite Masse werden. Der coole Retro-Stromer soll je nach Batterie 300 bis 400 Kilometer Reichweite schaffen und zu Preisen ab deutlich unter 30'000 Franken zu haben sein. Das Trio der europäischen Budgetstromer komplettieren soll dann ab Ende 2025 der elektrische VW ID.2 in Polo-Grösse, der bei 450 Kilometern Reichweite für unter 25'000 Franken starten soll.
Unnötiges Verbrenner-Verbot
Fazit: Die E-Auto-Euphorie scheint in der Branche zwar etwas verflogen. Aber eine Abkehr vom Elektroantrieb wird Europa ganz bestimmt nicht erleben. Dafür haben die Hersteller schon zu viele Milliarden investiert und die Preis-Parität – der Punkt, an dem vergleichbare Verbrenner und Stromer gleich teuer sind – rückt selbst im Kleinwagen-Segment immer näher.
Letztlich sei ein Verbrenner-Verbot ab 2035, wie vor zwei Jahren vom EU-Parlament beschlossen, gar nicht nötig gewesen, urteilten jüngst Wissenschaftlerinnen vom Forschungszentrum Jülich (NL): Das E-Auto werde sich schon aus ökonomischen Gründen durchsetzen. «Unsere Analysen zeigen, dass schon in den nächsten Jahren die Elektromobilität in den allermeisten Fällen die preisgünstigere Alternative und sich dieser Trend langfristig weiter verstärken wird», erklärte Detlef Stolten (66), Direktor des Jülicher Instituts für Techno-ökonomische Systemanalyse, dem Nachrichtenmagazin Focus.