Innovationswettlauf autonomes Fahren
So könnte die Zukunft der Mobilität aussehen

Entspannen, Mails checken oder sogar schlafen – und das alles während der Fahrt. Das autonome Fahren solls möglich machen. Doch bevor die Technik breit eingesetzt werden kann, müssen einige Hürden überwunden werden. Wir zeigen die spannendsten Zukunftskonzepte.
Publiziert: 19.10.2023 um 06:46 Uhr
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Aktualisiert: 23.11.2023 um 14:45 Uhr
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Zurücklehnen, Mails checken oder sogar schlafen – und das während der Fahrt durch autonomes Fahren. (Im Bild: Mercedes ESF 2019)
Foto: Daimler AG - Global Communications Mercedes-Benz Cars
Kim Hüppin

Zeitung lesen statt selber lenken: Für viele Autofahrer wäre das ein Segen im hektischen Berufsverkehr. Das autonome Fahren soll aber nicht nur Entspannung an Bord bringen, sondern den Verkehr obendrein auch flüssiger und sicherer machen – selbst steuernde Autos fahren vorausschauender und reagieren schneller als menschliche Fahrerinnen und Fahrer. Das zumindest die Theorie.

Seit Jahren kündigt die Autoindustrie diese neue Form der Mobilität an. Doch Tatsache ist: Vom flächendeckenden automatisierten Fahren sind wir noch weit entfernt. Offenbar haben viele Hersteller den Aufwand an Geld und Zeit zum Training der dazu nötigen künstlichen Intelligenz unterschätzt. Und bis es so weit ist, steht uns zuerst eine mühsame Übergangsphase mit gemischtem Verkehr von selbstfahrenden, pilotierten und von Menschen gelenkten Fahrzeugen bevor. Zudem müssen innovative Lösungen für grundlegende Probleme wie Gewährleistung der Sicherheit, in jeder Situation funktionierende Sensorsysteme und rechtliche Grundlagen gefunden werden. Aber wo stehen wir in Europa im Bereich des autonomen Fahrens und was könnte uns in naher Zukunft erwarten? Wir geben einen Überblick über Innovationen und Pläne europäischer Hersteller.

Mercedes ESF

90 Prozent der Verkehrsunfälle werden durch menschliches Versagen verursacht. Bei automatisierten Fahrzeugen fällt dieser Aspekt grundsätzlich weg. Trotzdem wird es so lange Unfälle geben, bis es keinen Mischverkehr mehr gibt und alle Fahrzeuge autonom unterwegs sind. Nebst pilotiertem Fahren in der S-Klasse stellt Mercedes mögliche Lösungen für die sich wandelnden Sicherheitsanforderungen bei autonom fahrenden Autos in seinem experimentellen Sicherheitsfahrzeug – kurz ESF – vor. Basierend auf dem neuen Mercedes GLE mit Plug-in-Hybrid-Antrieb fährt das ESF in vielen Situationen voll automatisiert auf Level 4 des autonomen Fahrens.

Fahrerinnen und Fahrer werden so zu Passagieren und können bequeme Sitz- und sogar Liegepositionen einnehmen. Um dabei die Sicherheit der Insassen stets zu gewährleisten, sind Gurt und Seitenairbags im ESF direkt in die Sitze integriert. Der Front-Airbag befindet sich im Armaturenbrett und nicht im Lenkrad: Bei einem Aufprall spielt die Position des Lenkrads keine Rolle mehr und der Airbag deckt so einen grösseren Bereich ab.

Mercedes denkt im ESF auch an die Kommunikation im Verkehrsalltag. Wenn etwa eine Fussgängerin den Zebrastreifen überqueren möchte, nimmt sie zuvor meist Augenkontakt mit dem Fahrer auf, bevor sie losläuft. Doch wie soll das funktionieren, wenn der Autofahrer schläft und sein Auto automatisiert gesteuert wird? «Kooperative Fahrzeugumfeld-Kommunikation» – was sperrig klingt, ist von Mercedes clever durchdacht: Per Projektion kommuniziert das ESF mit Fussgängern, aber auch anderen Fahrzeugen. Beispiel: Stoppt das ESF am Fussgängerstreifen, projiziert die Frontkamera ihr Bild in die Heckscheibe – und der nachfolgende Verkehr weiss, warum angehalten wurde.

Die fünf Level der Automatisierung

Was bedeutet autonomes Fahren und was können Fahrerassistenzsysteme auf Level 2? Grundsätzlich unterscheiden wir fünf Level der Automatisierung, wobei nur die fünfte Stufe wirklich «autonomes Fahren» bedeutet. Die Level zuvor gelten als «automatisiertes Fahren».

Level 1: Assistiertes Fahren

Bei Level 1 spricht man von «assistiertem Fahren» – also Systeme wie zum Beispiel der Abstandstempomat, der den Fahrer oder die Fahrerin unterstützen, das Fahrzeug aber nicht selbständig kontrollieren.

Level 2: Teilautomatisiertes Fahren

Anders bei Level 2: Hier können Kameras oder weitere Sensoren den Verkehr analysieren und das Fahrzeug so selbständig beschleunigen, bremsen und lenken. Entsprechende Stauassistenten sind seit Jahren in Neuwagen erhältlich. Wer am Steuer sitzt, muss aber jederzeit das Verkehrsgeschehen im Blick haben und eingreifen können, um zum Beispiel Lenkbewegungen des Autos zu korrigieren. Das gilt auch, wenn das Auto technisch bestimmte Situationen bereits alleine meistern könnte.

Level 3: Hochautomatisiertes Fahren

Kürzlich erteilte das deutsche Kraftfahrtbundesamt Mercedes die Systemgenehmigung für Fahren auf Level 3. Wer in einem solchen Auto am Steuer sitzt, darf sich vorübergehend vom Verkehrsgeschehen abwenden und die Hände vom Lenkrad nehmen. Das Auto steuert unter gewissen Voraussetzungen autonom. Erkennt das System ein Problem, signalisiert es dem Fahrer, wieder das Lenkrad zu übernehmen. Das System Drive Pilot in der Mercedes-S-Klasse ist bislang aber nur für einen Einsatz auf der Autobahn bis zu Tempo 60 km/h vorgesehen.

Level 4: Vollautomatisiertes Fahren

Heute weiterhin Zukunftsmusik sind Level 4 und 5. Wer in einem «vollautomatisierten» Fahrzeug unterwegs ist, darf sich während der Fahrt ein Schläfchen gönnen. Das Auto fährt autonom und kann bei einem Problem sicher einen Parkplatz ansteuern. Immerhin kann ein solches Fahrzeug noch von einem Menschen gesteuert werden.

Level 5: Autonomes Fahren

Erst in dieser höchsten Stufe spricht man vom «autonomen Fahren». Dann gibts im Auto nur noch Passagiere und keine Fahrer mehr. Bis diese Technik aber zugelassen wird, sind noch einige Hürden zu meistern – nicht nur technische. Es muss überall schnelles Internet geben und die Haftung bei einem Unfall mit einem solchen Roboterauto muss juristisch geklärt sein.

Noch ist in Europa völlig autonomes Fahren ohne Hände am Steuer über längere Strecken und schneller als 60 km/h nicht erlaubt.
zvg,

Was bedeutet autonomes Fahren und was können Fahrerassistenzsysteme auf Level 2? Grundsätzlich unterscheiden wir fünf Level der Automatisierung, wobei nur die fünfte Stufe wirklich «autonomes Fahren» bedeutet. Die Level zuvor gelten als «automatisiertes Fahren».

Level 1: Assistiertes Fahren

Bei Level 1 spricht man von «assistiertem Fahren» – also Systeme wie zum Beispiel der Abstandstempomat, der den Fahrer oder die Fahrerin unterstützen, das Fahrzeug aber nicht selbständig kontrollieren.

Level 2: Teilautomatisiertes Fahren

Anders bei Level 2: Hier können Kameras oder weitere Sensoren den Verkehr analysieren und das Fahrzeug so selbständig beschleunigen, bremsen und lenken. Entsprechende Stauassistenten sind seit Jahren in Neuwagen erhältlich. Wer am Steuer sitzt, muss aber jederzeit das Verkehrsgeschehen im Blick haben und eingreifen können, um zum Beispiel Lenkbewegungen des Autos zu korrigieren. Das gilt auch, wenn das Auto technisch bestimmte Situationen bereits alleine meistern könnte.

Level 3: Hochautomatisiertes Fahren

Kürzlich erteilte das deutsche Kraftfahrtbundesamt Mercedes die Systemgenehmigung für Fahren auf Level 3. Wer in einem solchen Auto am Steuer sitzt, darf sich vorübergehend vom Verkehrsgeschehen abwenden und die Hände vom Lenkrad nehmen. Das Auto steuert unter gewissen Voraussetzungen autonom. Erkennt das System ein Problem, signalisiert es dem Fahrer, wieder das Lenkrad zu übernehmen. Das System Drive Pilot in der Mercedes-S-Klasse ist bislang aber nur für einen Einsatz auf der Autobahn bis zu Tempo 60 km/h vorgesehen.

Level 4: Vollautomatisiertes Fahren

Heute weiterhin Zukunftsmusik sind Level 4 und 5. Wer in einem «vollautomatisierten» Fahrzeug unterwegs ist, darf sich während der Fahrt ein Schläfchen gönnen. Das Auto fährt autonom und kann bei einem Problem sicher einen Parkplatz ansteuern. Immerhin kann ein solches Fahrzeug noch von einem Menschen gesteuert werden.

Level 5: Autonomes Fahren

Erst in dieser höchsten Stufe spricht man vom «autonomen Fahren». Dann gibts im Auto nur noch Passagiere und keine Fahrer mehr. Bis diese Technik aber zugelassen wird, sind noch einige Hürden zu meistern – nicht nur technische. Es muss überall schnelles Internet geben und die Haftung bei einem Unfall mit einem solchen Roboterauto muss juristisch geklärt sein.

VW ID. Buzz AD

Zusammen mit der Tochter Moia plant VW autonome Ridepooling-Angebote mit auf Level 4 fahrenden ID. Buzz. Die Robo-Taxis sollen ab 2025 zunächst in Hamburg und München (D) für die Öffentlichkeit nutzbar sein. Aktuell laufen Testfahrten, um vor dem regulären Fahrbetrieb genug Umgebungsdaten zu sammeln, anhand derer sich die Fahrzeuge künftig orientieren können. VW will mit dieser Mobilitätslösung den innerstädtischen Verkehr durch Sammelfahrten entlasten. Ebenso soll Stadtverkehr durch die Automatisierung sicherer werden.

Der elektrische ID. Buzz AD (Autonomous Driving) sieht seinem manuell steuerbaren Bruder sehr ähnlich. Grösster Unterschied ist die Sensorik, bestehend aus 6 Lidar-, 11 Radar- und 14 Kamerasystemen an der Karosserie, die eine 360-Grad-Erkennung der Fahrzeugumgebung ermöglichen und so ein genaues Verkehrsbild zusammensetzen. Das Lidarsystem, ein Laserscanner auf dem Dach des selbstfahrenden Bulli-Prototypen, kann Objekte aus einer Distanz von bis zu 400 Metern erfassen. Nach zahlreichen komplett reibungslosen Testfahrten in Freising bei München (D) diesen Sommer steht der ersten autonomen Taxiflotte in Europa nicht viel im Wege.

Prototyp BMW i5

Technisch und rechtlich bedingt ist Europa beim autonomen Fahren noch höchstens mit Level 3 unterwegs. Das System ist aktuell aber nur in Deutschland für gewisse Mercedes-Modelle bis Tempo 60 im Kolonnenverkehr und nur auf Autobahnen und Schnellstrassen zugelassen. Modelle wie Audi A8 oder BMW iX wurden zwar einst mit Level-3-Technologie angekündigt, haben aber das System, bei dem der Autohersteller die Haftung für etwaige Unfälle übernimmt, noch nicht an Bord. Gleiches gilt für den neuen BMW 5er, der ab Herbst als Verbrenner und Elektroversion i5 startet. Mit dem sogenannten Autobahnassistenten beherrscht er immerhin den Level 2+.

Kameras, Ultraschall- und Radarsensoren liefern die nötigen Informationen zur Umgebung und zum Verhalten des Menschen am Steuer. Eine Echtzeit-Navigationskarte mit exakten Streckenverläufen sorgt nebst GPS-Ortung und 5G-Verbindung zur Datencloud für präzise Positionsbestimmung. Ein Spurwechsel mit Überholmanöver lässt sich ohne Taste oder Sprachbefehl einleiten: Als Startsignal reicht ein Blick nach links in den Spiegel und dann über die Schulter – der i5 setzt vollautomatisch den Blinker, zieht vorbei und schert wieder auf die Fahrspur ein. Dieses System funktioniert bis maximal 180 km/h und guckt der Fahrende mal zu lange weg von der Strasse, hält das Auto selbständig an.

Und andere Hersteller?

Europäische Autohersteller fahren beim Innovationswettlauf rund ums autonome Fahren vorne mit. Trotzdem sind Autobauer in anderen Ländern teils schon weiter: Der Honda Legend Hybrid EX ist in Japan seit 2021 mit der Level-3-Technologie unterwegs. Auch wenn der amerikanische Autobauer Tesla bei seinem Assistenzsystem von einem Autopiloten spricht. Mit autonomem Fahren haben sie noch nichts zu tun; per Update könnte er aber seine Modelle fit fürs Fahren nach Level 3 machen. Ebenso hat Mercedes für seinen automatisierten Drive-Pilot in den USA grünes Licht erhalten.

Die amerikanische Google-Tochter Waymo steht ausserdem kurz vor dem Start eines autonomen Taxidienstes in San Francisco (USA). Die Stadt erteilte als erste Metropole der Welt im August dieses Jahres dem Fahrdienst die nötige Freigabe. Sobald die technischen und rechtlichen Grundlagen für automatisiertes Fahren gegeben sind, fahren wir vielleicht alle irgendwann autonom zur Arbeit.

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