Upgrade fürs Multimediasystem
Mercedes holt Google an Bord

In der neuen E-Klasse verbaut Mercedes erstmals einen Supercomputer. Damit schafft der Autobauer die Basis für ein neues Betriebssystem – und öffnet die IT-Tür für Partner wie Google.
Publiziert: 27.02.2023 um 11:05 Uhr
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Mit der neuen E-Klasse lanciert Mercedes im Sommer sein neues Betriebssystem MB.OS.
Foto: Mercedes-Benz AG
Wolfgang Gomoll

Mercedes wird zum Vermieter. Der deutsche Autobauer hat sein neues Betriebssystem vorgestellt, das diesen Sommer mit der neuen E-Klasse eingeführt wird. Mercedes-Experten vergleichen das MB.OS heissende System mit einem Haus, das der Marke Mercedes gehört, die integrierten Wohnungen lassen sich aber nur mieten statt kaufen.

Damit geht Mercedes einen anderen Weg als beispielsweise Polestar, Renault und Volvo. Diese haben das Haus quasi an Google verkauft. Das Smartphone-Betriebssystem Android dient auch dem Multimediasystem im Auto als Betriebssystem. Mercedes hat mit MB.OS sozusagen sein eigenes «Android» programmiert. Einerseits, weil es ebenfalls auf dem Open-Source-Betriebssystem Linux aufbaut, andererseits, weil es für andere Entwickler ebenfalls offen ist, um Apps dafür zu entwickeln.

Das Mercedes-Android

Mercedes holt Google aber ebenfalls an Bord. Weil verschiedene Android-Apps auf MB.OS funktionieren, dürfte der Tech-Gigant im Hintergrund beim Mercedes-System auch involviert sein. Resultat: die Mercedes E-Klasse wird, wie Polestar, Renault und Volvo, über Google Maps verfügen – aber ohne das Smartphone zu spiegeln. Denn das Ziel von Mercedes ist, «MB.OS so gutzumachen, dass unsere Kunden ihr Telefon nicht mehr spiegeln müssen», erklärt Mercedes-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer. Wie viel Geld von Stuttgart (D) nach Mountain View (USA) fliesst, bleibt ein Geheimnis. Sicher ist, umsonst kriegt Mercedes die Google-Partnerschaft nicht. Experten munkeln von einer jährlichen Lizenzgebühr in zweistelliger Millionenhöhe. Mercedes spricht von einer «Win-win-Situation».

Eine Prise Tesla

Auf der technischen Seite hat Mercedes die Anzahl Steuergeräte massiv reduziert. Es sind jetzt noch vier – wie bei Tesla. Entsprechend muss das neue Betriebssystem auch die Assistenz- und Sicherheitssysteme des Fahrzeuges steuern. Auch das sprach für ein Linux-basiertes Betriebssystem. So ist Mercedes für Nvidia offen, das am Robo-Auto tüftelt. Denn mit MB.OS soll autonomes Fahren auf Level 3 bis Tempo 130 möglich sein. Bisher können S-Klasse und EQS unter optimalen Bedingungen bis 60 km/h komplett selbständig fahren, während die Fahrerin Mails beantwortet oder TV schaut.

YouTube, TV-Programme oder Streamingdienste soll das neue Betriebssystem im Fond problemlos abspielen können. Zudem befindet sich der Spiele-Klassiker Angry Birds auf MB.OS. Später sollen unzählige Spiele in den Mercedes-Modellen spielbar sein. Dafür verbaut Mercedes künftig in jedem Modell einen Supercomputer – angefangen mit der neuen E-Klasse diesen Sommer.

Neue Einnahmequelle

Durch die offene Plattform lässt sich das Infotainment je nach Region massschneidern: also Google für Nordamerika, aber etwas anderes für Korea. Ständige Updates (dank Internetverbindung ohne Werkstattbesuch) sollen die Sicherheit des Systems erhalten – wie bei einem Smartphone. «Durch die steten Updates wird das Auto niemals alt», sagt Schäfer.

Ganz nebenbei kann Mercedes dank einfacherer und mehr On-Demand-Funktionen noch mehr Geld verdienen. Dabei reicht die Bandbreite von Ausstattungsdetails, die nachträglich freigeschaltet werden können (MB Connect), bis hin zum autonomen Fahren Level 3 (MB Drive). Natürlich wird es für die Elektromodelle unter MB Charge auch spezielle Lade-Angebote wie Flatrates oder Batterie- und Software-Updates geben.

Nur, die Updates so schnell nachzubessern, wie es wegen Programmierungsfehlern bei Smartphones oder Tablets manchmal nötig ist, kann sich Mercedes nicht leisten. In einem Auto sind solche Operationen am offenen IT-Herzen ein No-Go, also muss jede Verbesserung gleich sitzen. Trotzdem wird die E-Klasse noch nicht mit der finalen Version starten. Auf die 1.0-Version des MB.OS müssen die Kunden noch rund 20 Monate warten.


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