Assad gestürzt – Kämpfer nehmen Damaskus ein
Wer ist der berüchtigte Islamisten-Chef al-Dschulani?

Am Sonntag eroberten die Rebellen in Syrien unter der Führung von Mohammed al-Dschulani die Hauptstadt Damaskus und erklärten sie als «frei». Dschulani gilt als schlimmster Albtraum von Syriens Präsident Assad. Wer ist der berüchtigte Islamisten-Chef?
Publiziert: 08.12.2024 um 14:25 Uhr
|
Aktualisiert: 09.12.2024 um 06:10 Uhr
1/5
Mohammed al-Julani gilt als grösster Feind von Assad.
Foto: IMAGO/ABACAPRESS

Auf einen Blick

  • Islamistische Rebellen stürzen Assad
  • Dschulani kooperierte mit Al-Kaida und kämpfte gegen US-Truppen im Irak
  • HTS wurde 2018 von den USA als Terrororganisation eingestuft
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

In den vergangenen Tagen hat die Dschihadisten-Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) Syrien in Aufruhr versetzt. In einer Blitzoffensive brachten die Kämpfer um Mohammed al-Dschulani (42) zunächst die Millionenstadt Aleppo unter ihre Kontrolle. Die Metropole, die seit der Rückeroberung durch die Truppen von Baschar al-Assad (59) im Jahr 2016 als sicher galt, fiel innerhalb von zwei Tagen in die Hände der Islamisten. 

Am Sonntag weiteten die HTS-Kämpfer ihre Offensive aus, sie drangen auch in die syrische Hauptstadt Damaskus ein und erklärten die Stadt als «frei». Al-Dschulani habe sich bei seiner Ankunft in der Hauptstadt am Sonntag «niedergekniet und den Boden geküsst», erklärte die HTS im Onlinedienst Telegram. Dazu veröffentlichte sie Bilder, auf denen al-Dschulani beim Niederknien auf einer Rasenfläche zu sehen war.

Beobachter reiben sich überrascht die Augen: Wie konnte es so weit kommen? Blick stellt dir den grössten Feind Assads vor.

Wer ist Mohammed al-Dschulani?

Laut eigenen Angaben wurde Dschulani 1982 in Saudi-Arabien geboren. In der Vergangenheit spannte er bereits mit zahlreichen Terroristen zusammen. So kooperierte der Syrer mit den Führern von Al-Kaida und kämpfte im Zweiten Golfkrieg gegen amerikanische Besatzungstruppen im Irak. In den Nullerjahren sass er angeblich mehrere Jahre in amerikanischen Militärgefängnissen ein, wo es offenbar auch zu Folterungen gekommen sei. Verifizieren lassen sich diese Aussagen nicht. 

Nach Beginn des syrischen Bürgerkriegs schloss sich Dschulani 2011 einer dschihadistischen Miliz an. Mittlerweile steht der Islamisten-Chef der HTS vor, die als Nachfolge-Organisation der radikal-islamischen al-Nusra-Front gilt – einer salafistischen Terrororganisation, auf deren Konto viele Tote im Syrien-Krieg gehen. 

Dschulani gibt sich ziviler und legt seinen Kampfnamen ab

Nachdem die HTS Damaskus für «frei» erklärt hat, kündigt Dschulani an, die Macht friedlich übernehmen zu wollen. Öffentliche Einrichtungen blieben bis zur Übergabe unter der Aufsicht des ehemaligen Ministerpräsidenten, erklärte er in sozialen Medien. Militärische Eingriffe seien verboten.

Dabei veröffentlichte er die Nachricht unter seinem bürgerlichen Namen Ahmed al-Sharaa. Für Politikwissenschaftlerin Elham Manea (58) von der Universität Zürich ist das kein Zufall und Teil einer Strategie: «Er präsentiert sich zunehmend als Führer, der gemässigter und pragmatischer agiert, um sowohl innerhalb Syriens als auch international Anerkennung zu gewinnen.»

Dschulani präsentiert sich als «Befreier» von Minderheiten

Bereits beim neuen Aufflammen des Konflikts inszeniert sich der Syrer als Retter unterdrückter Minderheiten. In einem Video, das von der HTS in den sozialen Medien verbreitet wurde, ist Dschulani zu sehen. «Wir werden, so Gott will, als Befreier in Aleppo einmarschieren», sagt er in einen Telefonhörer. 

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

«Wir kommen nach Aleppo, um die Unterdrückung der Menschen zu beenden», führte Dschulani im Video aus. Er habe seine Soldaten angewiesen, die Häuser der Bewohner nicht zu betreten und für Sicherheit zu sorgen. «Fällt keine Bäume, erschreckt keine Kinder und flösst unserem Volk, gleich welcher Religion, keine Angst ein», heisst es in einem Statement, das extra auf Englisch übersetzt wurde. 

Ob seine Aussagen ernst gemeint sind oder vor allem rhetorisch, bleibt laut Manea abzuwarten: «Die Zeit wird zeigen, ob seine Absichten authentisch sind oder ob er, wie die Taliban in Afghanistan, langfristig zu einem radikaleren Kurs zurückkehrt.»

«Eiserne Hand» versus moderaten Anstrich

Das neue Gesicht Dschulanis erstaunt. Der Grund: Die streng islamistische Haltung der HTS wurde in der Vergangenheit mit «eiserner Hand» durchgesetzt. Darauf lassen zahlreiche Berichte und Einschätzungen schliessen. Die «NZZ» schreibt von grausamen Foltermethoden, Morden an Journalisten und gewaltsamen Verhaftungen durch die HTS. 

Weil die Miliz 2018 von den USA als Terrororganisation eingestuft wurde, litten die finanziellen Zuflüsse der Organisation stark. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten waren seit diesem Zeitpunkt stark eingeschränkt, was in einem Verlust der Einnahmequellen mündete.

Klare Strategie

Aus diesem Grund versuche Dschulani, moderner zu agieren und von seinem harten Kurs abzuweichen, heisst es. Gegen aussen stellt sich der Syrer als fürsorgliche Vaterfigur dar: So posierte er während des Fastenmonats Ramadan mit Waisenkindern und zelebrierte das Fastenbrechen gemeinsam mit ihnen. Auch gegenüber anderen Religionen zeigte sich der Islamist offener als früher. 

Laut Experten stecke hinter dieser Mässigung aber vor allem ein Ziel: Den Einfluss der HTS in der Region zu festigen und wieder mehr Zugang zu finanziellen Mitteln zu erhalten.

Fehler gefunden? Jetzt melden