Fast ein Vierteljahrhundert hat Baschar al-Assad in Syrien geherrscht, in mehr als einem Jahrzehnt Bürgerkrieg hielt er sich eisern an der Macht. Die überraschende Offensive, die islamistische Kämpfer der Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und verbündete Verbände am 27. November begannen, bereitete seiner Herrschaft nun aber binnen weniger Tage ein Ende.
«Der Tyrann Baschar al-Assad ist geflohen», verkündeten die islamistischen Kämpfer Sonntagfrüh im Onlinedienst Telegram. Ihr Einmarsch in die Hauptstadt Damaskus bedeute «das Ende dieser dunklen Zeit und der Beginn einer neuen Ära für Syrien». Auch die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, Assad habe Syrien über den internationalen Flughafen von Damaskus verlassen.
Er schmiss sein Medizinstudium
Der 59-Jährige hatte die Macht im Land im Jahr 2000 von seinem kurz zuvor verstorbenen Vater Hafis al-Assad übernommen. Ursprünglich war sein älterer Bruder Bassel als Nachfolger bestimmt gewesen, dieser starb jedoch 1994 bei einem Autounfall.
Baschar beendete daher sein Medizinstudium in London und kehrte heim. Dort liess er sich militärisch ausbilden und von seinem Vater auf die Regierungsgeschäfte vorbereiten, statt Augenarzt zu werden und mit seiner syrisch-britischen Frau Asma und seinen drei Kindern ein von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtetes Leben zu führen.
Lockerung von Restriktionen
Nach dem Tod seines Vaters wurde Assad in einem Referendum ohne Gegenkandidaten zum neuen syrischen Staatschef bestimmt. Als der damals 34-Jährige für das Amt vereidigt wurde, verbanden viele Syrer damit die Hoffnung, dass er die jahrelange Unterdrückung und den unter seinem Vater etablierten Überwachungsstaat beenden und eine Liberalisierung der Wirtschaft einleiten werde.
Tatsächlich lockerte er einige der umfangreichen Restriktionen, die sein Vater seit Beginn seiner Herrschaft 1970 verfügt hatte. Ausserdem inszenierte der Alawit sich als Beschützer der verschiedenen Minderheiten im Land. Doch sein Image als bürgernaher Reformer verflüchtigte sich schnell.
Mehr als eine halbe Million Tote
Unter Baschar al-Assads Herrschaft, die bei der Präsidentschaftswahl 2007 verlängert wurde, wurden Intellektuelle und andere Regierungskritiker inhaftiert. Als der Arabische Frühling im März 2011 Syrien erreichte, forderte die Bevölkerung in friedlichen Protesten einen Wandel. Doch Assad, Präsident und Oberbefehlshaber der syrischen Armee zugleich, liess die Proteste brutal niederschlagen. Ein Bürgerkrieg brach aus, in dem mehr als eine halbe Million Menschen getötet und die Hälfte der Bevölkerung zu Vertriebenen wurden.
Assad blieb dennoch hart. In zahllosen Karikaturen wurde der stets so ruhig auftretende und oftmals schüchtern wirkende Machthaber als Mörder dargestellt, insbesondere nach den Giftgasangriffen auf Rebellenhochburgen rund um Damaskus im Jahr 2013.
Massive Luftangriffe der Russen
Dennoch wurde Assad in mehreren Wahlen im Amt bestätigt. Allerdings wurden diese nur in von seiner Regierung kontrollierten Gebieten abgehalten, Menschenrechtsgruppen und westliche Länder warfen Assad immer wieder vor, dass die Wahlen weder frei noch fair seien.
Um sich in dem Bürgerkrieg an der Macht zu halten, suchte Assad nicht nur beim Iran und der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon, sondern auch bei Russland Unterstützung. Das Eingreifen Moskaus mit massiven Luftangriffen in Syrien hielt Assad 2015 an der Macht. Dem Volk und dem Ausland präsentierte er sich als Syriens einzig möglicher Machthaber angesichts der Bedrohung durch islamistische «Terroristen».
«Ziel ist es, die Region zu spalten»
Um Regierungskritiker wegzusperren, baute Assads Sicherheitsapparat ein Netzwerk aus Haftzentren auf. Sie waren berüchtigt wegen der Misshandlung von Häftlingen.
Assad hat immer wieder behauptet, der Bürgerkrieg in Syrien werde von ausländischen Mächten orchestriert. Diesen Vorwurf erneuerte er nach dem Beginn der Überraschungsoffensive der islamistischen Kämpfer rund um HTS. «Die terroristische Eskalation spiegelt die langfristigen Ziele wider, die Region zu spalten und die Länder darin zu zersplittern und die Landkarte in Übereinstimmung mit den Zielen der USA und des Westens neu zu zeichnen», sagte er noch am Montag.
Jetzt musste der einstige Machthaber fliehen.