Auf einen Blick
- Islamistische Kämpfer haben am 8. Dezember Machthaber Bashar al-Assad gestürzt und die Kontrolle in Syrien übernommen
- Assad ist mit seiner Familie nach Moskau geflohen
- Nach dem Umsturz kommen immer mehr Gräueltaten des Assad-Regimes ans Licht
Übergangspräsident al-Scharaa wurde von Frankreichs Staatschef Macron nach Frankreich eingeladen
Aussenminister: Syrien bekommt am 1. März eine neue Regierung
Syrien wird nach Angaben seines Aussenministers im März eine neue Regierung bekommen. «Die Regierung, die am 1. März eingeführt wird, wird das syrische Volk so gut wie möglich repräsentieren und dabei seine Vielfalt berücksichtigen», sagte Aussenminister Asaad al-Schaibani am Mittwoch am Rande des Weltregierungsgipfels in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Die neue Regierung soll die nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad Anfang Dezember eingesetzte Übergangsregierung ablösen, an deren Spitze der Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa steht. Das neue Kabinett werde die verschiedenen Ethnien und Religionen in dem Land berücksichtigen, erklärte al-Schaibani.
Wiederaufbau Syriens
Die neuen Behörden müssen die Institutionen in dem Land nach der mehr als 50-jährigen Herrschaft der Familie Assad wieder aufbauen und die durch fast 14 Jahre Bürgerkrieg am Boden liegende Wirtschaft wieder in Gang bringen.
Aktivisten hatten Bedenken angesichts der Frauenrechte geäussert, doch die Behörden erklärten, das neue Syrien werde auch durch Frauen repräsentiert werden. In einem Interview Anfang Februar hatte al-Scharaa gesagt, dass die Organisation von Wahlen bis zu fünf Jahre in Anspruch nehmen könnte.
Übergangspräsident al-Scharaa telefonierte mit Putin
Die Regierung Assad war am 8. Dezember durch die islamistische HTS und mit ihr verbündete Gruppen gestürzt worden. Assad floh russischen Angaben zufolge nach Moskau. Die Islamisten lösten das alte Parlament und die ehemalige Regierungspartei Baath auf und setzten die Verfassung von 2012 vorerst ausser Kraft.
Wie der Kreml erklärte, führten Russlands Präsident Wladimir Putin und al-Scharaa am Mittwoch ihr erstes Telefongespräch seit dem Sturz des mit Russland verbündeten Assad.
Putin bekräftigt Unterstützung für Syrien
Putin habe al-Scharaa «viel Erfolg bei der Lösung der Aufgaben, mit denen die neue Führung des Landes zum Wohle des syrischen Volkes konfrontiert ist», gewünscht, erklärte der Kreml. Zudem habe Russland seine Unterstützung für die «Einheit, Souveränität und territoriale Integrität des syrischen Staates bekräftigt».
Damaskus erklärte, al-Scharaa habe in dem Gespräch «die starken strategischen Verbindungen» zwischen seinem Land und Russland unterstrichen. Zudem habe der russische Staatschef Syriens Aussenminister al-Schaibani nach Moskau eingeladen.
Russland soll «die Fehler der Vergangenheit» korrigieren
Moskau war jahrelang ein treuer Verbündeter Syriens und griff 2015 an der Seite von Assads Truppen in den Bürgerkrieg ein. Die russische Armee flog Luftangriffe auf von Rebellen kontrollierte Gebiete.
Die neuen Machthaber Syriens forderten Moskau im Januar bei Gesprächen mit russischen Beamten auf, «die Fehler der Vergangenheit» zu korrigieren.
Besucht syrischer Übergangspräsident schon bald Frankreich?
Als wohl erster europäischer Staats- oder Regierungschef hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (47) mit dem syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Scharaa (43) telefoniert und diesen dabei nach Frankreich eingeladen. Macron habe al-Scharaa für einen Besuch in Frankreich in den kommenden Wochen eingeladen, teilte die syrische Präsidentschaft mit. Aus Paris gab es für die Einladung zunächst keine Bestätigung.
Nach syrischen Angaben gratulierte Macron al-Scharaa in dem Telefonat zur Übernahme der Präsidentschaft und zur «Befreiung des Landes». Frankreich bemühe sich, die Sanktionen gegen Syrien aufzuheben, um wirtschaftliche Erholung und Wachstum zu fördern. Al-Scharaa dankte Macron seinerseits für die Unterstützung Frankreichs für das syrische Volk in den vergangenen Jahren.
Erdogan bietet Syrien Hilfe im Kampf gegen den «Terrorismus»
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat dem syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Scharaa eine Zusammenarbeit beim Kampf gegen «Terrorismus» in Syrien angeboten. «Wir sind bereit, Syrien die notwendige Unterstützung im Kampf gegen jede Form des Terrorismus zu gewährleisten», sagte Erdogan nach einem Treffen mit al-Scharaa in Ankara.
Die Äusserungen Erdogans sind eine Andeutung auf eine erhoffte militärische Zusammenarbeit mit den neuen syrischen Machthabern beim Kampf gegen kurdische Kräfte im Nordosten des Landes.
Kampf gegen IS und PKK
Explizit nannte Erdogan die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sowie die kurdische Arbeiterpartei PKK, die nach Ansicht der Türkei Verbindungen hat zu den Kurdenmilizen im Nordosten Syriens.
Die Türkei hat mehrere Militäreinsätze gegen die Kurdenmiliz YPG durchgeführt und hält dort mit Unterstützung von Milizen Gebiete nahe der syrisch-türkischen Grenze besetzt. Er habe mit al-Scharaa «Massnahmen gegen die separatistische Terrororganisation und ihre Anhänger erörtert, die den Nordosten Syriens besetzt halten», sagte Erdogan.
Zweite Auslandsreise des syrischen Übergangspräsidenten
Al-Scharaa sagte lediglich, dass er mit Erdogan über die Lage im Nordosten Syriens gesprochen habe. «Die Beziehungen zwischen Syrien und der Türkei sind historisch», sagte al-Scharaa, der nach einem Besuch in Saudi-Arabien in der Türkei nun seine zweite offizielle Auslandsreise als Übergangspräsident machte. Erdogan lud er seinerseits zu einem Besuch nach Syrien ein.
Der Sturz von Syriens Langzeitmachthaber Baschar al-Assad durch eine von Islamisten angeführte Rebellenallianz hat den Einfluss der Türkei in Syrien erheblich gesteigert.
Gefechte im Nordosten Syriens
Seit dem Sturz im Dezember liefern sich kurdische Milizen und von der Türkei unterstützte Kämpfer im Nordosten Syriens tödliche Gefechte, unter anderem an der strategisch wichtigen Tischrin-Talsperre.
Teils gab es Berichte, dass Kämpfer der Übergangsregierung die Türkei-nahen Milizen dabei unterstützen würden. Ein Sprecher der kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) wies dies als falsch zurück und sagte, dort seien aktuell keine Truppen der Übergangsregierung im Einsatz.
Syriens Übergangspräsident in Saudi-Arabien eingetroffen
Syriens Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa (43) ist zu seinem ersten offiziellen Auslandsbesuch als Staatschef nach Saudi-Arabien gereist. Die syrische Nachrichtenagentur Sana veröffentlichte ein Foto, das ihn zusammen mit Aussenminister Assad al-Schaibani offenbar an Bord eines Privatflugzeugs zeigt. Geplant sei ein Treffen in Riad mit dem Kronprinzen und faktischen Herrscher Saudi-Arabiens, Mohammed bin Salman. Aus syrischen Regierungskreisen hiess es, der Besuch solle «grosse Symbolwirkung» haben. Wenige Tage später sei auch ein Besuch al-Scharaas in der Türkei geplant. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht.
Al-Scharaa Übergangspräsident Syriens
Nach dem Machtwechsel in Syrien ist De-facto-Herrscher Ahmed al-Scharaa zum Übergangspräsidenten ernannt worden. Wie die syrische Staatsagentur nach einem hochrangigen Treffen in Damaskus berichtete, soll al-Scharaa in der Übergangsphase die Aufgaben des Staatschefs übernehmen.
Al-Scharaa, früher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Dscholani bekannt, führte die sunnitisch-islamistische Organisation Haiat Tahrir al-Scham (HTS), die den Sturz von Langzeit-Herrscher Baschar al-Assad massgeblich herbeigeführt hatte. HTS ging aus der Al-Nusra-Front hervor, einem Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida.
Der frühere Militärkommandeur, Anfang 40, gibt sich seit dem Machtwechsel betont moderat. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Sana wurde al-Scharaa beauftragt, einen legislativen Rat für die Übergangsphase zu gründen, bis eine neue Verfassung ausgearbeitet worden ist. Sana zitierte den Sprecher der Militärallianz, Hassan Abdul Ghani, die Assad im Dezember gestürzt hatte.
Erstmals seit Sturz Assads: Russische Delegation in Damaskus
Erstmals seit dem Sturz des syrischen Machthabers Bashar al-Assad (59) ist eine ranghohe russische Delegation in Syriens Hauptstadt Damaskus eingetroffen. Der Delegation gehören der stellvertretende russische Aussenminister Michail Bogdanow (72) und Alexander Lawrentjew, der Syrien-Beauftragte des russischen Präsidenten Wladimir Putin (72) an, wie die russischen Nachrichtenagenturen Ria Nowosti und Tass am Dienstag meldeten. Es sei der «erste Besuch russischer Vertreter in Damaskus» seit Assads Flucht im Dezember. Als langjähriger Verbündeter Assads ist Russland daran interessiert, seine Militärbasen in Syrien auch nach dessen Sturz aufrechtzuerhalten.
Nach Sturz von Assad: EU will Syrien-Sanktionen lockern
Die Aussenminister der EU-Staaten haben nach dem Sturz von Langzeitherrscher Bashar al-Assad (59) in Syrien eine schrittweise Lockerung von Sanktionen gegen das Land gebilligt. Das bei einem Treffen in Brüssel vereinbarte Vorgehen sieht vor, den neuen Machthabern Anreize zu geben, eine echte Demokratie in Syrien aufzubauen. Dabei besteht auch die Hoffnung, dass Hunderttausende syrische Flüchtlinge in der EU eines Tages in ihre Heimat zurückkehren können.
Die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas sagte nach dem Treffen, die Lockerungen sollten den Wiederaufbau erleichtern und Syrien helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Zugleich betonte sie, der Plan beinhalte auch, Lockerungen wieder rückgängig zu machen, wenn die neuen Machthaber Schritte einleiten, die aus EU-Sicht in die falsche Richtung gehen.
Zu den Sanktionen, die aufgehoben werden sollen, gehören nach Angaben von EU-Beamten vor allem Massnahmen, die die Energieversorgung negativ beeinträchtigen und den Personen- und Warenverkehr erschweren. Zudem sind auch Lockerungen für den Bankensektor geplant.
Islamisten misshandeln Assad-Schergen – 35 Tote
Nach Angaben von Aktivisten sind in Syrien innerhalb von nur drei Tagen 35 Menschen durch die neuen islamistischen Machthaber willkürlich hingerichtet worden. Bei den meisten der Hingerichteten habe es sich um frühere Beamte der Regierung des gestürzten Machthabers Bashar al-Assad (59) gehandelt, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete.
Dutzende Mitglieder örtlicher bewaffneter Gruppen, die unter der Kontrolle der Machthaber stehen, wurden demnach nach den Gräueltaten in der Region Homs festgenommen. Den Bewaffneten wird vorgeworfen, «Vergeltungsakte» an Mitgliedern der alawitischen Minderheit begangen zu haben, zu der Assad gehört. Sie hätten «den Zustand des Chaos, die Verbreitung von Waffen und ihre Beziehungen zu den neuen Machthabern» ausgenutzt, um «alte Rechnungen zu begleichen», behauptete die Beobachtungsstelle mit Sitz in Grossbritannien.
Die Aktivisten berichteten weiter von «willkürlichen Massenfestnahmen, grausigen Misshandlungen, Angriffen auf religiöse Symbole, Schändungen von Leichen und willkürlichen und brutalen Hinrichtungen von Zivilisten». Diese sollen mit «beispielloser Grausamkeit und Gewalt» verübt worden sein. Angaben der Organisation Civil Peace Group sollen Zivilisten in mehreren Dörfern der Region Homs dem «Sicherheitseinsatz» zum Opfer gefallen sein.
Frankreich stellt Haftbefehl gegen Assad aus
Wegen des Verdachts auf Mitschuld an Kriegsverbrechen hat Frankreichs Justiz einen Haftbefehl gegen den gestürzten syrischen Machthaber Bashar al-Assad erlassen. Konkret geht es um den Tod eines französisch-syrischen Mannes im Juni 2017.
Die Ermittlungsrichter verdächtigen Assad der Mitschuld an Mord und des Angriffs auf Zivilisten. Die Zeitung «Le Parisien» berichtet, der 59-jährige Franzose sei gestorben, als sein Haus in der südsyrischen Stadt Daraa von Helikoptern der syrischen Armee bombardiert worden sei.
Unter Verweis auf Ermittlerkreise schreibt die Zeitung, Frankreichs Justiz vermute, dass Assad den Angriff angeordnet habe. Auch die dafür notwendigen Mittel soll er demnach zur Verfügung gestellt haben. Die Regierung unter Assad versuchte damals, den Oppositionskräften die Kontrolle über Daraa wieder zu entreissen.
Auch im Zusammenhang mit Giftgasangriffen im August 2013 nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus hat Frankreich einen Haftbefehl gegen Assad erlassen. Bei einem Angriff mit dem Nervengas Sarin waren dort Hunderte Menschen getötet worden. Menschenrechtsorganisationen sprechen von mehr als 1000 Todesopfern.
Ehemaliger Ortsvorsteher in Damaskus öffentlich hingerichtet
Ein früherer Ortsvorsteher aus Damaskus ist laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte öffentlich hingerichtet worden. Der Vorfall ereignete sich im Vorort Dummar, westlich von Damaskus. Der Mann wurde von lokalen Mitgliedern der Sicherheitskräfte der islamistischen HTS-geführten Übergangsregierung getötet.
Augenzeugen berichten, die Hinrichtung sei von zivil gekleideten Männern ausgeführt worden. Hinweise darauf, dass der Exekution ein juristisches Verfahren vorausgegangen wäre, gab es in dem Bericht keine.
Er soll Männer während Assad-Regim denunziert haben
Dem Mann wurde vorgeworfen, junge Männer während des Assad-Regimes fälschlich denunziert zu haben, was zu Festnahmen, Folter und sogar Todesfällen geführt habe.
Ein Foto auf der Webseite der in Grossbritannien ansässigen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zeigt die Leiche eines etwa 50-jährigen Mannes, die von Kindern umringt wird. Der zusammengesackte Körper ist an einen Baum gebunden und hat einen Knebel im Mund. Auf der Stirn ist eine deutliche Wunde zu erkennen. Brust, Bauch und Schoss sind blutüberströmt.
Dschihadistische Kämpfer in Syrien haben bei ihrem Vorrücken im Nordwesten des Landes Aktivistenangaben zufolge grosse Teile der Stadt Aleppo erobert. «Die Hälfte der Stadt Aleppo ist jetzt unter der Kontrolle von Hajat Tahrir al-Scham und verbündeten Gruppen», sagt der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, der Nachrichtenagentur AFP. Die syrischen Regierungstruppen leisteten demnach keinen wesentlichen Widerstand. Ein AFP-Reporter vor Ort berichtet von Kämpfen im Stadtteil Neu-Aleppo.
Nach dem Vormarsch der Islamisten wurden am Samstagmorgen nach Angaben der Beobachtungsstelle erstmals seit 2016 wieder russische Luftangriffe auf die Stadt durchgeführt. Der syrische Ableger des Terrornetzwerkes Al Kaida, Hajat Tahrir al-Scham (HTS), und verbündete Gruppen hatten am Mittwoch eine überraschende Grossoffensive gegen die Streitkräfte der syrischen Regierung gestartet – es sind die heftigsten Kämpfe seit dem Jahr 2020. Rahman zufolge drangen die Islamisten am Freitag in die Grossstadt Aleppo ein. Die Region war bisher grösstenteils von der Regierung kontrolliert worden.
Angriff auf Studentenwohnheim
Laut syrischen Medien wurde Aleppo auch erstmals seit vier Jahren von HTS bombardiert. Vier Zivilisten wurden demnach getötet, als die Dschihadisten ein Studentenwohnheim angriffen. Rahman zufolge erreichten die Kämpfer die Tore der Stadt, «nachdem sie zwei Selbstmordanschläge mit Autobomben verübt hatten».
Die Provinz Aleppo grenzt an Idlib, die letzte grosse Hochburg der Dschihadisten und Regierungsgegner in Syrien. HTS-Kämpfer kontrollieren grosse Teile von Idlib, aber auch angrenzende Gebiete in den Regionen Aleppo, Hama und Latakia.
Die syrische Regierung teilt mit, die Armee habe die Grossoffensive bewaffneter Terrorgruppen auf Aleppo abgewehrt und mehrere Stellungen zurückerobert. Die Armee entsandte demnach Verstärkung in die zweitgrösste Stadt Syriens.
Bewohner in Angst
Die syrischen Truppen werden vom Verbündeten Russland unterstützt. Die russische Luftwaffe bombardiere «Ausrüstung und Personal illegaler bewaffneter Gruppen», zitieren russische Nachrichtenagenturen einen für Syrien zuständigen Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau. 200 Kämpfer seien bei den russischen Angriffen der vergangenen 24 Stunden getötet worden, erklärt er.
«Zum ersten Mal seit fast fünf Jahren hören wir ständig Raketen und Artilleriegranaten, manchmal auch Flugzeuge», sagt ein 51-jähriger Bewohner von Aleppo der AFP am Telefon. Die Menschen hätten Angst, «dass sich das Kriegsszenario wiederholt und wir gezwungen sein werden, aus unserer Heimat zu fliehen». Zwei Anwohner berichten von Kämpfern auf der Strasse und Panik.
Islamisten-Hochburg unter russischem Beschuss
Die Syrische Beobachtungsstelle meldet zudem 23 Luftangriffe syrischer und russischer Kriegsflieger auf die Islamisten-Hochburg Idlib. Die Beobachtungsstelle erklärt, die Dschihadisten hätten innerhalb der vergangenen Tage bereits mehr als 50 Dörfer und Städte in den Regionen Aleppo und Idlib im Norden und Nordwesten des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Am Freitag hätten sie die an einem Verkehrsknotenpunkt gelegene Stadt Sarakib eingenommen.
Nach Angaben der Beobachtungsstelle wurden seit Mittwoch mindestens 277 Menschen getötet, ein Grossteil von ihnen Kämpfer auf beiden Seiten, aber auch Zivilisten. Die Beobachtungsstelle mit Sitz in Grossbritannien bezieht ihre Informationen aus einem Netzwerk verschiedener Quellen in Syrien. Ihre Angaben sind von unabhängiger Seite nur schwer zu überprüfen.
Eine halbe Million Tote, Millionen Vertriebene
Im seit 2011 andauernden syrischen Bürgerkrieg wurden bisher eine halbe Million Menschen getötet und Millionen weitere vertrieben. Mit der Unterstützung ihrer Verbündeten Russland und Iran brachte die syrische Regierung 2015 weite Teile des Landes wieder unter ihre Kontrolle. Auch die Grossstadt Aleppo eroberte Machthaber Bashar al-Assad im Jahr 2016 mit Unterstützung der russischen Luftwaffe zurück.
Im Norden Syriens gilt seit 2020 ein von der Türkei und Russland vermittelter Waffenstillstand. Dieser wurde zwar immer wieder gebrochen, aber beruhigte die Region in den vergangenen Jahren weitgehend.