Wilde Gerüchte um Olga Feldmeier und Bitcoin Suisse
Im Zuger Krypto-Valley geht die Angst um

Der FTX-Skandal hat die Kryptobranche in Aufruhr versetzt. Blick hat sich im Schweizer Krypto-Valley umgehört. Eine Szene voller Angst und Verunsicherung.
Publiziert: 13.12.2022 um 00:14 Uhr
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Aktualisiert: 03.02.2023 um 17:40 Uhr
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Idyllischer Blick auf die Stadt Zug – doch der Schein trügt. Das Krypto-Valley macht gerade eine unsichere Zeit durch.
Foto: Shutterstock

«Ich traue hier aktuell niemandem», sagt ein Insider zu Blick. Die Person kennt sich im Zuger Krypto-Valley bestens aus. Einem Ökosystem, bestehend aus fast 1200 Blockchain-Firmen, das sich seit seiner Entstehung 2015 von der Zentralschweiz bis nach Liechtenstein erstreckt.

Blick hat in den vergangenen Wochen mit zahlreichen Exponenten aus dem Valley gesprochen. Ihre Aussagen zeichnen ein Bild der Angst. Die Pleite der Kryptobörse FTX Anfang November hat das Schweizer Kryptomekka mit seinen 6000 Arbeitsplätzen mächtig durchgeschüttelt. In der Öffentlichkeit will das niemand zugeben. In den Medien behielten die Führungskräfte auch nach der FTX-Pleite ihren Optimismus bei, hinter verschlossenen Türen ist die Gefühlslage eine andere.

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Nicht nur in der Schweiz, auf der ganzen Welt sind die Kryptojünger nervös. Die Befürchtung: Wenn eine weitere grosse Handelsplattform abstürzt, könnte das ganze Kartenhaus zusammenbrechen. Pleitegerüchte um die Kryptobörse crypto.com mit Sitz in Singapur halten sich hartnäckig. Doch auch andere Player, die nicht im Scheinwerferlicht stehen, bezeichnen Branchenkenner als Blackbox. «Viele Kryptoplattformen konzentrierten sich eher auf Wachstum als auf Risikomanagement und Buchhaltung, was sie anfällig für Liquiditäts- und Kreditkrisen macht», sagt Ipek Ozkardeskaya (36), Analystin bei der Onlinebank Swissquote.

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Smart Valor 80 Prozent im Minus

Auch in Zug machen in diesen Tagen wilde Gerüchte die Runde. Immer wieder fällt der Name von Olga Feldmeier (44), einem der Aushängeschilder der Szene. Die Ukrainerin mit dem Übernamen «Schweizer Krypto-Queen» war im November eine der ersten, die nach dem FTX-Skandal prophezeite, dass die hiesige Kryptobranche als Krisengewinnerin aus den Turbulenzen hervorgehen werde. Sie versicherte, ihre eigene Kryptohandelsplattform Smart Valor sei vom Kollaps nicht betroffen. In Zug schüttelt man darüber bloss den Kopf. «Die, die jetzt am lautesten propagieren, dass es ihnen gut geht, denen geht es wohl gerade nicht gut», sagt ein langjähriger Branchenkenner.

Smart Valor, die nächste teure Pleite im Krypto-Space? Tatsächlich ist die Aktie der Schweizer Kryptohandelsplattform seit dem Börsengang Anfang Jahr um 80 Prozent abgestürzt. Laut Finanzbericht schrieb Smart Valor alleine im dritten Quartal einen Verlust von 1,2 Millionen Franken. Laut eigenen Angaben hat die Plattform 70'000 Kundinnen. Sie tauschen über Smart Valor etwa Schweizer Franken in Bitcoin und umgekehrt. Alleine im dritten Quartal beliefen sich die Kundentransaktionen auf 30 Millionen Franken.

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FTX legte die Gelder seiner Kunden risikoträchtig an, verjubelte Milliarden. Bei Smart Valor bestehe diese Gefahr nicht, versichert Feldmeier gegenüber Blick: «Eine Vermischung der Gelder wie bei FTX ist bei Smart Valor nicht möglich. Die Kundengelder liegen auf separaten Konten.» Wo die Gelder sich genau befinden, das behielt Feldmeier bislang für sich. «Sie ist intransparent und weicht solchen Fragen in der Öffentlichkeit aus», lautet der Vorwurf aus der Szene.

Smart Valor macht beim Branchenstandard nicht mit

Feldmeier will das nicht auf sich sitzen lassen. Gegenüber Blick macht sie erstmals öffentlich, auf welcher Bank sie die Schweizer Franken ihrer Kunden aufbewahrt. «Auf einem separaten Konto der Bank Frick aus Liechtenstein, das nur für Kundengelder designiert ist.»

Um Fälle wie jenen von FTX künftig zu verhindern, setzen immer mehr Kryptobörsen auf den sogenannten «Proof of Reserves». Dabei legen sie ihre Reserven offen und zeigen so, dass sie solvent sind. Innert weniger Wochen hat sich diese Methode als Branchenstandard eingebürgert.

Smart Valor tut dies nicht. Feldmeier bezeichnet das Modell als «sinnlose Übung». Weil Kryptohandelsplattformen dort nur offenlegen, wie viel Vermögen und Verbindlichkeiten sie in Kryptowährungen, nicht aber in herkömmlichen Währungen halten, sei das Modell zwangsläufig unvollständig. «Den wahrhaften Blick auf die Liquidität, Verschuldung und Kundengelder kann nur eine vollständige Bilanz nach anerkannten Rechnungslegungsstandards verschaffen», argumentiert Feldmeier.

Sexismus gegen Feldmeier?

Als börsenkotiertes Unternehmen ist Smart Valor denn auch tatsächlich zur Publikation seiner Jahreszahlen verpflichtet. Feldmeier war eine der Ersten, die es schaffte, ihr Kryptounternehmen an die Börse zu bringen – dafür sind hohe regulatorische Anforderungen zu erfüllen. «Das hat viel Neid gebracht, das ist verständlich», sagt Feldmeier. So erklärt sie sich denn auch, dass in der Branche wilde Gerüchte über sie kursieren.

Bei einigen, mit denen Blick gesprochen hat, blitzt denn auch ein gewisser Sexismus durch. Dass mit Olga Feldmeier eine Frau gerne und oft in der Öffentlichkeit über ihren Erfolg im Kryptobusiness spricht, scheint nicht überall gut anzukommen. Das ist auch der Eindruck von Daniel Gutenberg, einem bekannten Kryptoinvestor. Er hat bei Smart Valor zu Beginn einen fünfstelligen Betrag investiert, wie er Blick bestätigt. Feldmeier sei eine der ganz wenigen im Zuger Krypto-Valley, die Geld nicht nur verbrenne, sondern auch schon Gewinne erzielt habe.

Aderlass bei Bitcoin Suisse

Auch über Bitcoin Suisse wird in diesen Tagen viel gesprochen. Der Kryptodienstleister, der 2013 zu den ersten im Zuger Valley gehörte und heute einer der wichtigsten Player ist, hatte einen personellen Aderlass in Schlüsselpositionen hinter sich. Egal, ob VR-Präsident, CEO, Rechts- oder Marketingchef – sie alle sind in den letzten zwölf Monaten ersetzt worden.

Bitcoin Suisse reagiert damit auf das Jahr 2021, als ihr die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) die Banklizenz verweigerte. Typischerweise äussert sich die Finma zu Bewilligungsversuchen nicht, doch im Falle von Bitcoin Suisse verschickte die Aufsichtsbehörde eine Medienmitteilung. «Hinweise auf Mängel im Geldwäscherei-Abwehrdispositiv» war damals der gewichtigste Grund für die Ablehnung des Antrags. Kurz: Der Compliance-Bereich von Bitcoin Suisse war für die Finma nicht professionell genug.

«Wir haben unsere Governance und Prozesse gestärkt und die Zusammenarbeit mit den zuständigen Regulierungsbehörden vertieft», versichert Bitcoin-Suisse-Sprecherin Verena Schwarz auf Blick-Anfrage. «Im Risiko- und Compliance-Bereich beschäftigen wir heute etwa 30 Mitarbeitende.»

Alle im gleichen Boot

Bitcoin Suisse strebt laut eigenen Angaben weiterhin die Banklizenz an. Dass man dafür nicht nur Kryptoexperten benötigt, hat man inzwischen bemerkt. Deshalb auch die vielen Abgänge in den vergangenen zwölf Monaten. Bitcoin Suisse besetzte die Positionen mit erfahrenen Bankern aus dem traditionellen Finanzplatz. Der Aderlass sei denn auch «kein Zeichen der Unsicherheit», so Schwarz, «sondern ein Zeichen der geplanten Weiterentwicklung und Anpassung des Unternehmens an sich verändernde Marktbedingungen».

Die FTX-Pleite habe Bitcoin Suisse – trotz anderslautenden Gerüchten – nicht getroffen. «Unser Geschäftsmodell basiert darauf, die Kundenvermögen genau vor solchen Vorkommnissen zu schützen», sagt Schwarz. «Somit waren auch im Zusammenhanghang mit dem FTX-Kollaps zu keinem Zeitpunkt Kundengelder betroffen.»

Die wilden Gerüchte um Olga Feldmeier und Bitcoin Suisse zeigen letztlich auf, wie gross die Unsicherheit im Zuger Krypto-Valley in diesen Tagen ist. Denn auch wenn die Blockchain-Firmen gerne betonen, dass sie mit den spekulativen Kryptowährungen nicht viel zu tun haben, sitzen am Ende alle kurz- und mittelfristig im gleichen Boot.

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