Es war einmal ein Multi-Milliardär, der sein Vermögen über Nacht verlor: Sam Bankman-Fried (30) ist pleite. Bis vor kurzem galt der US-Kryptounternehmer mit seinem Wuschelkopf und den kurzen Hosen noch als Wunderkind. Nun ist klar, dass «SBF» mit Milliarden jonglierte – und sich dabei verspekulierte. Er hat für seinen Krypto-Handelsplatz FTX letzte Woche Konkurs angemeldet. Bis zu 50 Milliarden Dollar sind futsch.
Die FTX-Pleite wird weitere Unternehmen in den Abgrund reissen. «Es droht ein Domino-Effekt, ich erwarte Hunderte Firmenpleiten», sagt die Schweizer Kryptounternehmerin Olga Feldmeier (44). In der Branche ist bereits vom «Lehman-Moment» die Rede, in Anlehnung an den Konkurs der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 im Zuge der Finanzkrise, die weitere Finanzinstitute ins Straucheln brachte.
Kryptos werden zur heissen Kartoffel
Ihre eigene Firma, die Krypto-Handelsplattform Smart Valor, sei nicht exponiert, beruhigt Feldmeier. Smart Valor habe nicht mit FTX zusammengearbeitet. Aber: «Wir hatten grosse Wachstumspläne, wollten viele Leute anstellen», sagt Feldmeier. Die sind jetzt dahin. Ein Stellenabbau droht bei Smart Valor zwar nicht, aber die Kryptobranche wird durch den Kollaps von FTX massiv ausgebremst, prognostizieren Kenner.
Banken etwa, die kurz davor waren, ins Kryptogeschäft einzusteigen – mithilfe von spezialisierten Firmen wie Feldmeiers – werden nun erst mal die Finger davon lassen. «Die Investoren sind verunsichert», sagt auch der Fintech- und Krypto-Experte Rino Borini (49). Mit einer Pleitewelle im Zuger Krypto-Valley rechnet er aber nicht. «Kleinere Start-ups könnten dadurch schon in Schwierigkeiten geraten, aber sie sind für die ganze Branche nicht relevant.»
Bei den Kryptounternehmern herrscht ein gewisser Galgenhumor. Es sei ja nicht die erste Hiobsbotschaft der letzten Wochen, heisst es in Gesprächen. Da war etwa der Crash des Stablecoins Terra, der zig Menschen um ihr Vermögen brachte. Oder der Fakt, dass der Bitcoin seit Anfang Jahr über 60 Prozent seines Werts verloren hat.
Schweizer mit globalem Trumpf
«Immerhin kann es jetzt nur noch aufwärtsgehen», sagt Smart-Valor-Chefin Olga Feldmeier. Es klingt zynisch, ist aber ernst gemeint. Denn für die Schweizer Kryptofirmen hat der FTX-Crash auch Gutes. Hierzulande ist die Branche stärker reguliert als etwa auf den Bahamas, wo Sam Bankman-Frieds FTX beheimatet war.
«Dass die Schweizer Firmen von Anfang an Wert auf Sicherheit gesetzt haben, ist nun ein globaler Trumpf, den es auszuspielen gilt», schätzt Krypto-Experte Borini.
Auch Olga Feldmeier rechnet damit, langfristig als Gewinnerin aus dem FTX-Crash hervorzugehen. Die Aktien von Smart Valor sind im Vergleich zu letzter Woche mehr als 10 Prozent im Plus. Ein starker Kontrast etwa zum Bitcoin, der im gleichen Zeitraum mehr als 20 Prozent verlor.
«Die Leute haben jahrelang nur darauf geschaut, wo die Gebühren am tiefsten sind», sagt Feldmeier. «Das rächt sich jetzt.»
Bevor die Schweizer Kryptounternehmen ihre Trumpfkarte – Sicherheit, Transparenz und Stabilität – ausspielen können, haben aber auch sie erst einmal mit dem Imageschaden durch die FTX-Pleite zu kämpfen. Es wird wohl mindestens ein halbes Jahr dauern, bis sich die Branche aufrappelt. Bis dahin werden im Schweizer Krypto-Valley für einmal etwas leisere Töne angeschlagen.