Weil die Aufträge fehlen
Ems-Werke in Russland stehen still

Unzählige Firmen ziehen sich aus Russland zurück und liefern keine Produkte mehr. In den Regalen fehlen westliche Produkte. Der Bündner Spezialchemiekonzern Ems betreibt in Russland zwei Werke. Wegen fehlender Aufträge stehen sie still.
Publiziert: 31.03.2022 um 09:05 Uhr
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Aktualisiert: 31.03.2022 um 10:01 Uhr
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Die beiden Werke von Ems-Chemie in Russland stehen vorübergehend still. Es fehlen die Aufträge aus der Autoindustrie.
Foto: keystone-sda.ch
Kilian Marti, Martin Schmidt, Fabio Giger und Sarah Frattaroli

Russlands Supermärkte leeren sich immer mehr. Der Vorrat an westlichen Produkten dürfte nahezu aufgebraucht sein. Nachlieferungen gibt es wegen der Sanktionen keine. Das spürt vor allem die russische Bevölkerung.

Für diese ist der Einkauf bei ausländischen Firmen zum grössten Teil nicht mehr möglich. Obschon noch einige Unternehmen an den Standorten in Russland festhalten, haben sich unzählige andere aus dem Markt zurückgezogen.

Jüngstes Beispiel ist der Bündner Spezialchemiekonzern Ems-Chemie: Das Unternehmen betreibt in Russland zwei Werke mit je rund 30 Mitarbeitenden. Normalerweise beliefern sie die Autoindustrie. Weil nun allerdings die Aufträge fehlen, stehen die Werke vorübergehend still. Ems-Chefin Magdalena Martullo-Blocher hatte allerdings in einem Interview angekündigt, dass das Russland-Geschäft bald wieder aufgenommen werden soll: «Wenn die Autoproduktion wieder hochfährt, werden wir liefern, wir überlassen unsere Firmen nicht dem russischen Staat.» Russland hatte westlichen Konzernen, die sich zurückziehen, angedroht, ihre zurückbleibenden Läden und Produktionsstätten zu verstaatlichen.

Nach Angaben der University of Yale haben sich seit Beginn des Ukraine-Kriegs bereits 300 Firmen aus Russland zurückgezogen oder kündigten entsprechende Schritte an. Blick hat die bekanntesten Unternehmen zusammengefasst.

Industrie und Technologie

  • Apple: Der Konzern schränkt seine Dienste ein und hat den Export und Online-Handel eingestellt.
  • Samsung: Der südkoreanische Elektronikkonzern hat die Lieferungen nach Russland gestoppt. Er war bisher Marktführer.
  • Sony: Der japanische Elektronikkonzern gab am Donnerstag bekannt, dass keine Playstation-Spielekonsolen mehr nach Russland geliefert werden sollen. Auch der Online-Shop soll eingestellt werden.
  • Siemens: Der Elektro- und Energietechnikhersteller hat sein Neugeschäft in Russland gestoppt. Service- und Reparaturverpflichtungen werden aber weiter erfüllt.
  • Electrolux: Alle Aktivitäten des schwedischen Haushaltsgeräteherstellers werden eingestellt.
  • Oracle: Einer der grössten Softwareentwickler der Welt stoppt seine Aktivitäten.
  • Alphabet-Tochter Google: Die Suchmaschine setzt das Anzeigegeschäft in Russland bis auf Weiteres aus.
  • Intel: Alle Lieferungen des Chipriesen werden gestoppt.
  • Microsoft: Der Tech-Gigant will in Russland keine Neugeschäfte mehr machen.
  • SAP: Auch der deutsche Softwarehersteller wird vorübergehend keine Dienstleistungen mehr in Russland verkaufen.
  • Ems-Chemie: Die beiden russischen Werke des Spezialchemiekonzerns stehen aktuell still. Allerdings nicht aus Überzeugung, sondern weil die Aufträge fehlen. Ems-Chemie beschäftigt in Russland gut 60 Mitarbeitende.

Flugzeuge und Autos

  • Boeing, Airbus und Embraer: Die Flugzeughersteller haben die Lieferungen von Ersatzteilen gestoppt. Auch die Wartung und technische Unterstützung werden ausgesetzt. Boeing hat zudem das Ausbildungszentrum in Skolkovo vorübergehend geschlossen.
  • Sabre und Amadeus IT Group: Zwei der grössten Buchungsanbieter für Flugtickets haben ihre Geschäftsbeziehungen mit der russischen Leit-Fluggesellschaft Aeroflot beendet.
  • VW, BMW, Volvo, Ford, Mercedes-Benz: Die Autobauer haben den Export eingestellt und die lokale Produktion gestoppt.
  • Ferrari und Porsche: Die Luxusmarken verkaufen keine Autos mehr nach Russland.
  • Suzuki, Honda und Mazda: Diese werden keine Autos und Motorräder mehr liefern.
  • Toyota, Hyundai, Skoda: Die Autobauer stoppen die Arbeit in russischen Werken.
  • Renault: Renault stellt die Produktion in seinem Moskauer Werk ein. Der Konzern beschäftigt in Russland 45'000 Mitarbeitende. Ausserdem prüfe das Unternehmen «mögliche Optionen bezüglich seiner Beteiligung» an der russischen Tochtergesellschaft Avtovaz.
  • Daimler Truck: Der Lastwagen- und Bushersteller macht vorerst keine Geschäfte mehr in Russland.

Nahrungsmittel

  • McDonald’s: Die Fastfood-Kette schliesst vorübergehend alle 850 Filialen in Russland.
  • Starbucks: Auch der Kaffee-Riese hat die Geschäftstätigkeit im ganzen Land gestoppt.
  • Heineken und Carlsberg: Der Bierkonzerne haben die Produktion und den Verkauf eingestellt.
  • Diageo: Der weltweit grösste Alkoholproduzent für Marken wie Guiness und Baileys wird vorübergehend keine Produkte mehr in Russland anbieten.
  • Coca-Cola und PepsiCo: Die zwei Getränkehersteller ziehen sich aus dem russischen Markt zurück.
  • Lindt & Sprüngli:Der Schoggi-Konzern zieht sich aus dem Geschäft mit Russland zurück und schliesst seine acht Filialen.
  • Nestlé: Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern liefert derzeit noch Grundnahrungsmittel nach Russland. Nestlé beschäftigt in Russland 7000 Angestellte. Der Konzern wurde vom ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (44) zuletzt scharf dafür kritisiert, weiterhin am Russland-Geschäft festzuhalten.
  • Coop: Die Grosshandels-Tochter von Coop geschäftet nicht mehr mit Russland.
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Kleidung und Schmuck

  • H&M: Der Bekleidungsriese hat den Verkauf in Russland ausgesetzt.
  • Inditex: Marken wie Zara, Pull & Bear, Bershka oder Oysho haben die Geschäftstätigkeit vorübergehend eingestellt.
  • Asos: Der Kleider-Onlineshop hat die Lieferung nach Russland gestoppt.
  • Puma, Levi's und Tommy Hilfiger: Auch diese Bekleidungsfirmen haben den Verkauf eingestellt.
  • Adidas: Vorübergehend zieht sich der Sportartikelhersteller aus Russland zurück.
  • Nike: Der US-Konzern hat den Online-Verkauf in Russland eingestellt.
  • Louis Vuitton Moet Hennessy: Die Luxusmarken hat ihre Geschäfte vorübergehend geschlossen.
  • Cartier: Der exklusive Schmuck wird momentan nicht nach Russland geliefert.
  • Gucci, Balenciaga und Yves Saint Laurent: Die Standorte in Russland werden geschlossen.
  • Swatch: Die Schweizer Uhrenmarken Swatch und Breitling haben ihre Läden dichtgemacht.

Energie

  • BP: Der Energiekonzern trennt sich von seiner 20-Prozent Beteiligung am russischen Ölkonzern Rosneft.
  • Shell: Der britische BP-Konkurrent will die Gemeinschaftsunternehmen mit Gazprom aufgeben.
  • Total und Exxon Mobil: Die Ölriese werden in Russland keine Investitionen mehr tätigen.

Finanzbranche

  • Visa, Mastercard und American Express: Die Kartenanbieter haben ihre Geschäfte in Russland gestoppt. Das bedeutet, dass Karten, die nicht von russischen Banken erstellt wurden, dort nicht mehr funktionieren. Zuvor schon hatten diese Russland aus ihrem Bezahlnetzwerk ausgeschlossen.
  • Paypal: Der Bezahldienst unterbricht die verbliebenen Dienste in Russland wie internationale Überweisungen.
  • HSBC: Die weltweit tätige Bank vermindert die Zusammenarbeit mit den russischen Banken.
  • Credit Suisse, UBS: Die zwei Schweizer Banken halten nach wie vor an ihrem Russland-Geschäft fest. Ein rascher Rückzug ist für Banken aufgrund von laufenden Krediten und Kundenkonten jedoch nicht möglich. Die CS prüft aktuell ihr Russland-Geschäft.

Logistik

  • Kühne+Nagel: Das Transport- und Logistikunternehmen hat den Versand von Waren gestoppt – ausser Arzneimittel und humanitären Hilfsgütern.
  • DHL, Fedex, Ups: Der Versand von Waren und Paketen wird ausgesetzt.

Möbel, Wohnen und Bauen

  • Ikea: Der Möbelriese hat die komplette Geschäftstätigkeit in Russland eingestellt.
  • JYSK: Auch der dänische Möbelhändler hat die Geschäfte temporär geschlossen.
  • Obi: Die Baumarkt-Kette hat ihr Russland-Geschäft eingestellt. Betroffen sind nach eigenen Angaben 4900 Mitarbeiter.
  • Holcim: Das Zement- und Baustoffunternehmen will alle Geschäftsaktivitäten in Russland verkaufen. Das Russlandgeschäft trägt bei Holcim weniger als 1 Prozent zum Konzernumsatz von knapp 27 Milliarden Franken bei. Das Unternehmen beschäftigt in dem Land rund 1000 Mitarbeitende.

Diverses

  • Lego und Playmobil: Die Spielzeughersteller liefern nicht mehr nach Russland.
  • eBay: Der Online-Händler hat die Lieferung nach Russland gestoppt.
  • Walt Disney: Die Vorführung der Filme wird ausgesetzt. Dasselbe bei Warner Bros und Paramount Pictures.
  • Booking.com: Über die Online-Plattform kann man keine Reisedienste mehr in Russland buchen.
  • Deezer: Der Musik-Streaming-Anbieter zieht sich aus dem russischen Markt zurück.
  • Novartis schwenkt vom bisherigen Kurs ab und setzt zahlreiche Aktivitäten in Russland aus. Der Konzern setzt Kapitalinvestitionen und Werbung in Russland aus. Man sei zwar nach wie vor bestrebt, den Zugang zu Medikamenten in Russland zu ermöglichen, heisst es.

Diese Firmen sind noch in Russland

  • Roche: Der Pharmakonzern plant keinen Rückzug aus Russland. Der Firma gehe es darum, Menschen zu versorgen, die an gravierenden Krankheiten leiden.
  • Uniqlo: Der Kleiderhersteller und Sponsor von Tennisstar Roger Federer behält sein Russland-Geschäft bei. «Kleider seien lebensnotwendig», sagte der Firmenchef.
  • Glencore: Der weltweit grösste Rohstoffhändler mit Sitz im Kanton Zug hält bis anhin an seinen Beteiligungen in Russland fest.
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